Buchbesprechungen

Diversität des Kapitalismus und formelle Subsumtion / Alle Buchbesprechungen

von Jörg Goldberg zu H. Harootunian
März 2017

Diversität des Kapitalismus und formelle Subsumtion

Harry Harootunian, Marx After Marx. History and time in the expansion of capitalism, Columbia University Press, New York 2015, 292 S., 20,61 Euro

Mit dem Aufstieg neuer kapitalistischer Wirtschaftsmächte im Süden und ihrer Emanzipation von westlicher Vorherrschaft wird der „Westliche Marxismus“, der Westeuropa/Nordamerika als Messlatte für Entwicklungsstand und Reife der kapitalistischen Produktionsweise betrachtet, auch auf theoretischer Ebene herausgefordert. Unlängst sind mehrere Arbeiten erschienen1, die sich mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit die Kapitalismusanalyse des Marx’schen ‚Kapital‘, in der, gestützt auf den „klassischen“ englischen Fall, die Grundstrukturen der kapitalistischen Produktionsweise herausgearbeitet werden, auch für Länder wie China, Indien und Brasilien vollumfängliche Gültigkeit besitzt. Dabei wird – u.a. von Kevin B. Anderson – deutlich gemacht, dass Marx und Engels sich in ihrem späteren Leben zunehmend für außereuropäische Entwicklungen interessiert hatten und bereit waren, ihre am englischen bzw. westeuropäischen Beispiel entwickelten Positionen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Über diese Offenheit hinaus finden sich aber bei den ‚Klassikern‘ – von journalistischen Arbeiten abgesehen – keine ausgearbeiteten Positionen, in denen außereuropäische Entwicklungen analysiert werden.

Harry Harootunian, marxistischer Hochschullehrer aus den USA und ausgewiesener Ostasien-Experte (hervorgetreten u.a. mit Arbeiten über Japan), hat mit dem vorliegenden Buch einen in dieser Debatte völlig neuen Akzent gesetzt. Er versucht, die Ungleichzeitigkeit und Diversität in der Entwicklung des Kapitalismus in einen theoretischen Rahmen zu stellen, der diese mit den am englischen Beispiel entwickelten Kategorien im ‚Kapital‘ versöhnt. Dabei nimmt er den von Marx entwickelten Begriff der „formellen Subsumtion“ der Arbeit unter das Kapital als Ausgangspunkt: „Die Berücksichtigung der spezifischen Methoden, mit denen die Arbeit dem Kapital auf formelle Weise subsumiert wurde, öffnet nicht nur den Blick für die historischen bzw. epochalen Dimensionen, in denen die Produktionsweise den Arbeitsprozess umstrukturiert und den kontingenten Charakter dieses Prozesses, sondern erlaubt es auch, die Welt jenseits Westeuropas einzubeziehen.“ (9) Für Harootunian bedeutet „formelle Subsumtion“ aber mehr als nur die Unterwerfung traditioneller Arbeitsformen unter das Kapital, und sie ist auch nicht nur ein Übergangsstadium zur „realen Subsumtion“, in denen das Kapital den Arbeitsprozess selbst umgestaltet. Er stellt die Marxschen Begriffe in einen völlig neuen Kontext, wobei hier dahingestellt bleiben soll, ob er sich damit nicht (zu) weit von der ursprünglichen Bedeutung entfernt. Es ist überhaupt festzustellen, dass er an mehreren Stellen Marx zwar im Original zitiert, den verwendeten Passagen dann aber eine Bedeutung unterlegt, die sich aus dem Kontext nicht unmittelbar ableiten lässt. Das gilt schon für das Motto des Buchs („Le mort saisit le vif“ – Der Tote packt den Lebenden), das er der Einleitung zum ersten Band des ‚Kapital‘ entnommen hat: Marx meint dort Deutschland bzw. Kontinentaleuropa, bezeichnet keineswegs ein allgemeines Merkmal der kapitalistischen Produktionsweise. Dies aber behauptet Harootunian: Für ihn ist der Kapitalismus immer ein Mix aus verschiedenen historischen Epochen und Produktionsweisen, ist gekennzeichnet durch das Nebeneinander unterschiedlicher historischer Zeiten: Der Kapitalismus übernehme und integriere überall jene Elemente, die ihm nützlich sind. „Formelle“ und „reale“ Subsumtion bezeichneten demnach keinen linearen Prozess, sondern träten immer nebeneinander auf, scheinbare Überbleibsel aus vorangegangenen Produktionsweisen würde immer wieder reproduziert (15). Er wendet sich auch gegen Vorstellungen, denen zufolge der Kapitalismus in seinem Entwicklungsprozess nicht nur die ökonomische Praxis, sondern auch Kultur, Politik, selbst Religion vereinheitlicht und der Warenbeziehung unterwirft, wie er es z.B. Lukacs und der „sogenannten Frankfurter Schule“ unterstellt.

Diese gegen den „Westlichen Marxismus“ gerichtete Grundposition wird in einer ausführlichen Einleitung entwickelt. Im ersten Kapitel versucht der Autor, das Marx’sche Werk in diesem Sinne neu zu lesen: Zeit und Geschichte fallen nicht zusammen. Indem der Kapitalismus immer „Gegenwart und Vergangenheit“ kombiniert, verbindet er das kapitalistische Produktionssystem mit Praktiken vorangegangener Produktionsweisen (26). Er behauptet nicht, dass Marx genau diesen Zusammenhang gemeint habe: “Ob Marx tatsächlich geglaubt hat, dass das Kapital letztendlich die Warenbeziehungen überall durchsetzen (und so die letzten Spuren von Ungleichzeitigkeit beseitigen) würde, ist schwer zu sagen“, räumt er ein und vermutet, Marx habe die Vorstellung des Kapitalismus als ‚reine‘, von den Spuren der Vergangenheit bereinigte Totalität aus methodischen Gründen benötigt. Der Kapitalismus der „realen Subsumtion“, in der die Warenbeziehungen (und damit die Zirkulationssphäre) alle Aspekte des Lebens beherrschen, sei die Welt des „Westlichen Marxismus“, der vom europäischen Vorbild abweichende Erscheinungen in der Peripherie immer nur als rückständig und verschwindend qualifiziert habe. „Dagegen richteten Marxisten in der Peripherie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den konkreten Prozess der Produktion, insbesondere die Organisation der Lohnarbeit in spezifischen Weltregionen und zu spezifischen Zeiten.“ (71). Der Kapitalismus sei durch die Kombination verschiedener historischer Zeiten gekennzeichnet, stelle also nicht die Gleichzeitigkeit der Modernität her.

Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit dem Marxismus in verschiedenen nichteuropäischen Regionen. Im zweiten Kapitel, der „Wanderung nach Osten“ (73) analysiert der Autor u.a. Debatten um Lenins klassische Arbeit „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“. Zwar habe Lenin gesehen, dass der russische Kapitalismus zahlreiche Elemente vorkapitalistischer Produktionsweisen integrierte. Sein Glauben an den „schließlichen Sieg des Kapitalismus“ sei vor allem in seiner Überzeugung von der Notwendigkeit des Sozialismus begründet gewesen (89). Im dritten Kapitel über den „globalen Süden“ stehen die Arbeiten des Peruanischen Marxisten Mariàtegui im Mittelpunkt. In Aufnahme von Gramscis Analyse der Beziehung zwischen dem industrialisierten Süden und dem semifeudalen Norden Italiens interpretiert Harootunian Mariàtegui’s Beschreibung Perus als System unterschiedlicher historischer Schichten, bestehend aus ursprünglichen indigenen Gemeinschaften, kolonialem Feudalismus, Formen von Semifeudalismus und schließlich einer kapitalistischen Gegenwart. Diese Zeitschichten erscheinen nicht als zeitliche Abfolge, sondern verbinden sich in einem bestimmten Hier und Heute zu einer Einheit (143). Im vierten Kapitel wird eine japanische Debatte dargestellt, in der es um die Frage ging, wie die „feudalen Überbleibsel“ und damit die Besonderheiten des japanischen Kapitalismus zu fassen seien. Für den deutschen Leser ist diese Diskussion von besonderem Interesse, weil es bestimmte historische Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Japan gibt. Das fünfte Kapitel setzt sich mit dem Postkolonialismus auseinander. Obwohl diesem das Verdienst zugeschrieben wird, durch „Wiederherstellung der vergessenen Vergangenheit“ einen „therapeutischen Beitrag für Vorstellungen über eine alternative Gesellschaft“ (199) geleistet zu haben, überwiegen die kritischen Aspekte. Der Postkolonialismus habe „historisch entstandene Praktiken in unhistorische Bestandteile eines unveränderlichen kulturellen Essentialismus verwandelt“ (226) und so die Grundlage für gemeinsame internationale Aktivitäten gegen den Kapitalismus untergraben.

In einem prägnanten Nachwort wirft Harootunian dem „Westlichen Kapitalismus“ (der mehr Max Weber als Karl Marx enthalte) vor, „eine provinzielle (europäische, JG) Kultur in einen universellen Standard verwandelt zu haben, dem der Rest der Welt zu folgen habe.“ (236) Dagegen betont er einerseits den universellen Charakter des Kapitalismus, hebt aber andererseits hervor, dass es in Abhängigkeit von lokalen Umständen und geschichtlichen Hintergründen unterschiedliche kapitalistische Entwicklungswege gebe: „In anderen Worten, die Welt des Kapitalismus besteht schon lange aus Regionen, die jeweils ihren eigenen Weg kapitalistischer Entwicklung suchen.“ (237)

Harootunians Buch ist eine interessante und theoretisch innovative Arbeit, der man möglichst viele aufmerksame Leser wünscht. Zwar ist Skepsis angebracht, ob die bei Marx entlehnte Kategorie der „formellen Subsumtion“ dazu geeignet ist, die jeweils besonderen Verbindungen zwischen den universellen Merkmalen des Kapitalismus und seinen konkreten regionalen Ausgestaltungen, die immer geprägt sind von geschichtlichen und kulturellen Entwicklungen, theoretisch zu fassen. Denn der „formellen Subsumtion“ folgt bei Marx die „reale Subsumtion“, ein Schritt, den Harootunian aber nicht gehen will. Auch bezieht sich Marx auf den Arbeitsprozess und die Mehrwertproduktion, schließt die nicht-ökonomischen Bereiche der Gesellschaft nicht ein – während Harootunian diese explizit einbezieht. Trotzdem ist sein Ansatz anregend. Nichts spricht dagegen, Marx’sche Kategorien neu zu lesen. Der m.E. größte Wert des Buches besteht aber in der Aufnahme nicht-europäischer Debatten insbesondere aus Lateinamerika und Asien – Positionen, die hierzulande kaum bekannt sind. Leider fehlt hier eine zusammenfassende Literaturübersicht. Ein Problem ist die Sprache: Harootunian schreibt ein sehr differenziertes Englisch, die Lektüre ist für Nicht-Muttersprachler anspruchsvoll. Wünschenswert wäre eine Übersetzung ins Deutsche, ein angesichts des hierzulande geringen Interesses für theoretische Arbeiten wahrscheinlich vergebliches Ansinnen.

Jörg Goldberg

Akteure der 48er Revolution

Walter Schmidt (Hg.), Akteure eines Umbruchs. Männer und Frauen der Revolution von 1848/49, Band 5, Berlin (Fides Verlag) 2016, 724 S., 59,80 Euro

Diese seit 2003 erscheinende „Publikationsreihe“ zu den 1848er Akteuren ist jetzt mit dem fünften Band erfolgreich fortgesetzt worden – und es wird, wie man hört, noch nicht der letzte sein. Wie die Geschichte von Männern und Frauen gemacht wird, so eben auch die Revolutionen, die ‚Lokomotiven der Geschichte‘, und zwar von allen Trägern, Befürwortern und ‚Bremsern‘. Angestrebt wird immer, ein möglichst breites Spektrum der politischen und sozialen Repräsentanten der Herrschenden und der Beherrschten zu berücksichtigen, von ganz links bis ganz rechts, von den Arbeitern bis zum Hochadel, alle aus den Quellen erarbeitet. Die methodische Grundlage ist weniger ein Pluralismus, als vielmehr die Absicht, alle Richtungen zu differenzieren, was besonders gut zu demonstrieren wäre an den Frauenportraits von Adele Erbe (I. Hundt) über C. v. Glümer (M. Freund) und die geborene Freiin v. Brunnow sowie die ‚rote Marie‘ genannte E.M. Kurz (M. Slunitschek) bis hin zu Jenny Marx (A. Limmroth). Unter den sozial-profilierten männlichen Berufen sind vertreten: Zwei Mediziner (W. Schmidt zu S. Asch, R. Zewell zu K. Tausenau), letzterer auch Journalist neben zwei weiteren (W. Schmidt zu A. Semrau und F. Melis zu G. Weerth), ein Theologe (R. Hachtmann zu E.W. v. Hengstenberg), ein Pädagoge (M. Herzig zu J.E. Nizze), ein Regierungsvertreter (H. Warnecke zu G. v. Lenski), ein Militär (G. Fesser zu J. Graf Radetzky v. Radetz) und ein Tischler (E. Kiehnbaum zu L. Stechan) sowie nicht zuletzt C. Ujma über den Präsidenten der Republik Venedig, D. Manin. Unter diesen insgesamt vierzehn biographische Portraits sind acht in der bisherigen Forschung so gut wie Unbekannte (Asch, Erbe, Kurz, Nizze, Lenski, Semrau, Tausenau, Manin). Es kommt hinzu, dass es selbst unter den nominell Bekannten bis jetzt noch keine eigentliche Biographie gab, wie z.B. zu Hengstenberg oder zu Adele Erbe, die hier exemplarisch für diese ungemein reichhaltigen Forschungen als Anreiz für alle Interessierten ein wenig näher zu charakterisieren sind.

Dieser E.W. Hengstenberg (1802-1869), vor dem Heine schon 1844 im Wintermärchen als ‚in Gedärmen wühlenden Haruspex‘ warnte, war und ist selbst noch heute ein Musterbeispiel einer – typologisch gesprochen – Kombination von Fundamentalismus, politischer Reaktion und eines protestantisch-fanatischen Hasspredigertums. Für diese Mischung verfügte er als Herausgeber der Evangelischen Kirchenzeitung seit 1827 schon gegen die Vormärz-Aufklärungsbewegungen über eine gefährliche Waffe, mit der er die von ihm bekämpfte, gerade entstehende bürgerliche Öffentlichkeit missbrauchte. Das wirklich Erstaunliche an dieser glänzend geschriebenen Biographie von Rüdiger Hachtmann ist, dass von der gesamten Historiographie vom Wilhelminismus bis in das gegenwärtige Deutschland sich niemand an diesen Vertreter der äußersten Reaktion („Reaktion ist unsere einzige Hoffnung“) und verbissenen Judenfeindschaft (schon im Juni 1848 „gegen die Herrschaft der Juden“!) herangetraut bzw. aus apologetischen Gründen einfach nicht behandelt hatte. Die bisherige Hengstenberg-Biographik galt dem „in den [achtzehnhundert]fünfziger Jahren wohl einflussreichsten preußischen Theologen“: „Der Politiker Hengstenberg interessierte sie nicht“ (130f). Wie aber beides zusammengelesen und nur so die ungeheure Wirkmächtigkeit dieses Mitglied der Hofkamarilla Friedrich Wilhelms IV. in der Reaktionszeit nach 1848/49 verständlich werden kann, konnte Hachtmann plausibel machen. Überzeugend ist auch, wie völlig unbeeindruckt von dem herrschenden Heroenkult zeitgenössischer Kritiker Hachtmann urteilt, dass die Schrift des einstigen Hengstenberg-Zöglings Bruno Bauer eine „hegelianisch aufgeblasene, wenig substanzielle“ Veröffentlichung war (166).

Das glatte Gegenteil war die Lebens- Werk- und Wirkungsgeschichte der Adele Erbe (1824-1892), die Irina Hundt nachzeichnet. Adele Erbe ist zwar in der Forschung „keine gänzlich Unbekannte mehr“ (63), vertrat aber gegenüber jenen „patriotischen Wohltätigkeitsvereinen aus der Zeit der antinapoleonischen Kriege“ als eine politisch publizistische und praktische Organisatorin der „demokratischen Frauenvereine 1848-1850“ den „neuen“ Typus der Frauenemanzipation, die „an der Seite der revolutionären Bewegung […] auf die Demokratisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse zielte“ (67). Genau diesem Thema ist diese Skizze gewidmet. Sie verfolgt die Entwicklung Erbes vom „Altenburger demokratischen Frauen-Verein“ (67f) über die „Zusammenarbeit mit Luise Otto“ in der Redaktion der Frauen-Zeitung (71f) und mit der Arbeiterverbrüderung St. Borns, bei der Adele Erbe „den Kontakt zwischen dem Deutschen Frauen-Verein und den Ronneburger Arbeiterinnen“ herstellte, da in der Arbeiterverbrüderung auch Frauen Mitglieder sein konnten (75), bis hin zur Emigration in die USA (78ff) – all dies nicht ohne auch ihre Berufsausbildung als Erzieherin zu würdigen (77f): „Adele Erbe erwarb sich als Demokratin einen Namen, wie nicht viele Demokraten in so kurzer Zeit ihn erwarben“ (84), wie schon zeitgenössisch über sie geurteilt wurde.

Beispielhaft für alle anderen der Vergessenheit preisgegebenen 48er Demokraten ist auf Sigismund Asch und August Semrau zu verweisen, die W. Schmidt vorstellte: Asch, der Arzt jüdischer Herkunft (13-60) und Semrau, der Redakteur der demokratischen Reform (427-514), beide aus der Führung des Breslauer Arbeitervereins.

Vielleicht erübrigt sich der Hinweis, dass alle Biographien streng aus den archivalischen und gedruckten Quellen erarbeitet sind, was aber bei den heute nicht seltenen Kompilationen nicht unwichtig ist.

Lars Lambrecht

Menschenrechte und Eigentum

Rainer Roth, Sklaverei als Menschenrecht. Über die bürgerlichen Revolutionen in England, den USA und Frankreich, DVS-Digitaler Vervielfältigungs- und Verlags-Service, Frankfurt a.M. 2015, 612 S., 15.- Euro

Sozialismus oder Barbarei, die berühmte Entgegensetzung Rosa Luxemburgs, wird meist als das verstanden, was der Menschheit bevorsteht. Das neueste Buch des bekannten Armutsforschers Rainer Roth zeigt, dass die Barbarei von Anfang an ein wesentliches Element in der Herausbildung des Bürgertums zur herrschenden Klasse war. „Sklaverei als Menschenrecht“ heißt der provokante Titel, denn in den Kämpfen des Bürgertums gegen den Feudaladel um die politische Herrschaft spielte die Sklaverei, die direkteste, brutalste und gewalttätigste Form der Herrschaft des Menschen über den Menschen, eine enorme Rolle. Im 17. Jh. stellt die Bourgeoisie die Machtfrage. Hier beginnt sie das ideologische Instrumentarium auszubilden, dass ihr später die Gefolgschaft der breiten Volksmassen sichert: Das System der Menschenrechte. Gleichzeitig ist es die Zeit des entstehenden Kolonialismus. Die Karibik und das nördliche Amerika werden in Besitz genommen. Es entstehen die Zucker – und später in der USA – die Baumwollplantagen. Die spanische Herrschaft hatte die Karibik entvölkert. Die Zuckerplantagen brauchten Arbeitskräfte. Menschenraub und Sklavenhandel nehmen einen gewaltigen Aufschwung. Auf den ersten hundert Seiten beschreibt Roth umfassend die Zucker- und Baumwollproduktion und deren ökonomische Bedeutung für die Kapitalbildung. Die Sklaverei ist absolut notwendig für die Herstellung dieser wichtigen Rohstoffe. Die Ausrüstung der Kolonien mit Arbeits- und Lebensmitteln stärkt wiederum den ökonomischen Aufschwung in den Mutterländern. Die Sklaverei ist die Basis eines blühenden Geschäfts. Aus dieser Notwendigkeit folgt, dass sie verteidigt werden muss. Auf den nächsten hundert Seiten zeigt Roth, wie die Sklaverei in den bürgerlichen Verfassungen verankert war. An den Verfassungen seit der Magna Carta bis zu Napoleons Code Civil wird deutlich, dass die Verfassungen sich nur auf die Rechte der besitzenden Klassen bezogen und dass ihr wichtigster Inhalt der Schutz des Privateigentums war. Sklaven sind Eigentum ihrer Herren; sie sind keine Subjekte bürgerlichen Rechts, sondern Sachen. Der Schutz des Eigentums schließt das Recht auf den Besitz und die willkürliche Behandlung der Sklaven mit ein. Die Vordenker des Liberalismus und der bürgerlichen Menschenrechte stellen das nicht in Frage. Wer sich einem anderen als Arbeitskraft verdingt, verliert seine Freiheit, meinte John Locke. Ein freier Bürger ist nur der Besitzende. Die Freiheit aber ist unabdingbar. Von John Locke über Rousseau, Voltaire bis Hegel sind sich darin unsere “Aufklärer“ einig. Verbunden damit ist der Rassismus. Das moralische Recht auf Sklaverei wird auch begründet mit der Natur des Negers. Dieser gilt als kindlich, triebhaft, näher dem Tier als dem Menschen. Er muss durch Züchtigung zur Arbeit erzogen werden. Es ist deswegen falsch, die Sklaverei als Verletzung der Menschenrechte zu sehen, sagt Roth. In den so verstandenen Menschenrechten ist das Recht auf Sklaverei enthalten, auch das Recht, die Sklaven auf das Grausamste zu behandeln. Zum Beleg analysiert er die meisten Verfassungstexte und Stellungnahmen führender Ideologen des Bürgertums. Der Leser, der hier viele große Geister wiederfindet, ist ernüchtert.

Im nächsten Abschnitt behandelt Roth die Abschaffung von Sklavenhandel und Sklaverei. Dieser Prozess dauert gut hundert Jahre und wurde nicht durch humanitäre Ideen und Menschenrechte bewirkt, sondern durch handfeste ökonomische und politische Interessen. Dies zeigt er anhand der Interessen der französischen Bourgeoisie in der Revolutionsperiode und am amerikanischen Bürgerkrieg. Selbst die viel gefeierten Abolitionisten (Sklavenbefreier) wollten die Sklaverei nicht sofort, sondern nur allmählich abschaffen. Sie traten auch zunächst nur gegen den Sklavenhandel ein. Die Erziehung der Sklaven zu arbeitsamen Menschen sollte möglichst lange fortgesetzt und die Sklavenhalter sollten für die Aufgabe ihres Eigentums an Sklaven entschädigt werden. Nicht die Sklaven sollten für das erlittene Unrecht, sondern die Eigentümer sollten für ihre materiellen Verluste entschädigt werden.1 So funktioniert das Recht auf Eigentum. Entscheidend für die Abschaffung der Sklaverei war aber nicht ein wie auch immer gearteter guter Wille, sondern die Entwicklung der Industrie und der Lohnarbeit, die als neues Ausbeutungsverhältnis an die Stelle der Sklaverei trat. Die Sklaverei war mit der Entwicklung der großen Industrie ökonomisch überholt.

Im letzten Teil des Buches beschäftigt sich Roth mit der „Universalität“ der Menschenrechte. Universale Menschenrechte gibt es Roth zufolge nicht. Menschenrechte haben einen konkreten gesellschaftlichen Inhalt. Sie beziehen sich auf die Rechte der bürgerlichen Klasse, nicht auf die von Sklaven oder Lohnarbeitern. Das weist Roth überzeugend nach.

Das Buch ist ein Kompendium der Geschichte der modernen Sklaverei. Ich war überrascht, welche Bedeutung die Ökonomie der Plantagenbesitzer für den Prozess der Formierung des Bürgertums zur führenden Klasse hatte. Der unersättliche Bedarf an Sklaven, deren Verschleiß und unerträgliche, mörderische Ausbeutung war mir in diesem Ausmaß nicht deutlich. Die Sklaverei war mit der gesamten Ökonomie verbunden: mit den Bankhäusern, den Reedern, den Warenproduzenten und den Händlern. Insofern wäre es auch falsch, die Sklavenhalter von den anderen Kapitalisten zu trennen. Sklavenhaltung war integraler Bestandteil der gesamten Ökonomie. Nur daraus erklärt sich, dass das gesamte Bürgertum, mit all ihren Ideologen, die Sklaverei billigte und mit ihren Verfassungen in Einklang bringen konnte. Die Arbeit der Sklaven war Bestandteil ihres Lebens, ihres Seins, das ihr Bewusstsein konstituierte. Ihr Sein ist das einer die Produktionsmittel besitzenden Minderheit. Der Schutz ihres Eigentums ist der wichtigste Inhalt aller ihrer Verfassungen. Das Bürgertum konnte aber nicht Revolution machen, ohne die anderen unterdrückten Klassen zu mobilisieren. Deshalb erhielten ihre Forderungen den Schein der Universalität. Deswegen werden auch heute die Menschenrechte als universal ausgegeben, obwohl sie in der Tat nur für eine begrenzte Schicht von Menschen und für einen begrenzten historischen Raum Gültigkeit besitzen. Der Sklave war kein freier Mensch und der moderne Lohnarbeiter ist es auch nicht. Die Not zwingt ihn, seine Freiheit aufzugeben und sich für Lebensmittel zu verdingen. Damit unterwirft er sich dem freien Willen eines anderen. Der Arbeitsvertrag ist nur der Form nach frei, sein Inhalt ist Aufhebung der Freiheit. Der konsequente Nachweis, dass Menschenrechte nicht universal sein können, ist ein wichtiger Beitrag zur Klärung der wirklichen Verhältnisse.

Roths Buch ist trotz seiner Länge übersichtlich aufgebaut und liest sich teilweise sehr spannend. Es ist eine wichtige historisch-materialistische Aufarbeitung einer Geschichtsepoche, deren Verständnis für die Klassenkonstellationen und die Politik unserer Tage von großer Bedeutung ist. Für 15 Euro ist dieses wertvolle Handbuch zu erwerben. Es kann über info@dvs-buch.de bestellt werden.

Tobias Weissert

Demokratietheorie

Alex Demirović (Hrsg.), Transformation der Demokratie – demokratische Transformation, Westfälisches Dampfboot, Münster 2016, 305 S., 29,90 Euro

Der Großteil der in dem Sammelband präsentierten Inhalte wurde auf einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung im November 2014 diskutiert. Der Band enthält neben dem knappen Vorwort des Hrsg. 15 Beiträge; der Titel erinnert mit Absicht an das Buch Transformation der Demokratie von Johannes Agnoli und Peter Brückner. Die Transformation umfasst verschiedene Dimensionen – zum einen die „Erosion der demokratischen Entscheidungsfindung“, zum anderen die immer wiederkehrende Demokratisierung der Demokratie (7). Dabei bleibt diese angesichts verschiedener Prozesse – der Globalisierung, der stärker werdenden „Elemente des autoritären Staates“ u.v.a. – stets „gefährdet“. Für Demirović bedarf es daher „demokratischen Transformations-aktivitäten“, um die Demokratie selbst und deren Ausdehnung zu gewährleisten. Nicht zuletzt müsse es aber auch um die „Erneuerung der Demokratietheorie“ gehen (8).

Mario Candeias beobachtet die Verdichtung der „zentrale[n] Konfliktlinie“ in einem Gegensatz: „soziale Demokratie und Gleichheit versus sozial gespaltene Demokratie mit multiplen Ungleichheiten, wachsender Prekarität in einem autoritären europäischen Wettbewerbsetatismus von oben und unten“ (13). Es stünden sich dabei das „europäische […] Staatsapparate-Ensemble“ und die „(repräsentative) Demokratie“ gegenüber (15). In vielen EU-Ländern gebe es klare Anzeichen einer Krise der Repräsentation, die Candeias für das Resultat der jeweiligen Austeritätspolitik gegen die Bevölkerungen hält (16) und die auch im Aufstieg rechter Parteien münde (17). Im Folgenden treibt Candeias nun die Frage um, wie sich eine linke Partei – gemeint ist Die Linke – organisieren muss, um der komplexen Situation gerecht zu werden und eine wählbare politische Alternative darzustellen. Es geht ihm dabei letztlich um das „Verhältnis von Selbstorganisation und Repräsentation“ (29) und deren Erneuerung. Ganz konkrete Ideen der Umsetzung fehlen dabei, es bleibt bei wichtigen Hinweisen, die allesamt unbedingt ernst genommen werden müssen. Dabei kann Podemos nur noch bedingt als Vorbild dienen, wie Nikolai Huke jüngst aufzeigte.1

John Kannankulam macht auf „frappante Ähnlichkeiten“ der realen Entwicklung im Rahmen der „Krisenbewältigungsstrategien“ der EU mit Nicos Poulantzas‘ Analysen aus den 1970er Jahren aufmerksam – insbesondere auf die Machtverschiebung in Richtung der Exekutive im Zuge der Verabschiedung des so genannten ‚Six Pack‘ und deren technokratischer Ausrichtung (37). Eine weitere Übereinstimmung findet sich bei der „Schnelligkeit und Diskretion“ in der Entscheidungsfindung (40). Es lassen sich aber auch „Spaltungslinien innerhalb des Machtblocks“ ausmachen, so dass sich dauerhaft keine Stabilität im Rahmen von Kompromissen herstellen lässt – denn die eingeschlagenen Krisenlösungen werden, ganz wie es Poulantzas analysierte, selbst zum Elemente der Krise (45).

Markus Wissen erblickt im Wandel hin zu erneuerbaren Energie das Potential einer „Energiedemokratie“ (59), zu deren Realisierung es allerdings einer umfassenden Transformationsperspektive bedarf (62f.). Wie diese in Gang zu setzen ist, wird nicht näher beleuchtet.

Frank Fischer bestimmt die Konzeption des Ökodorfs als „bereits etablierte und vielversprechende Gemeindestruktur […], an die angeknüpft werden kann“ (75), und sieht hierin – etwa in Fragen des Klimas – eine Lösung von unten als Möglichkeit, anstatt von der globalen Ebene auszugehen. Zur Überraschung des Rezensenten macht Fischer auf die Existenz eines „globale[n] Ökodorf-Netzwerk[s]“ (ebd.) aufmerksam und spricht von einer globalen Bewegung, der von den Vereinten Nationen „ein konsultativer Status zuerkannt“ (76) wurde. Als organisatorische Grundlage dient die „konsensuale Entscheidungsfindung“; da dieses Prinzip keinesfalls einfach umzusetzen ist, wird in vielen Dörfern ein „Training für Konsensfindung“ angeboten (78).So würden Ökodörfer einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Klimakrise leisten können (81).

Lutz Brangsch beschäftigt sich mit dem Thema Bürgerbeteiligung und der Neuvermessung des Demokratischen (84-103), Andreas Eis liefert ein Plädoyer für eine politisierte Politische Bildung (104-122). Thomas Wagner spricht einmal mehr von der Mitmachfalle der Bürgerbeteiligung (123-134), die er als neue Regierungsform versteht und der er außer dem Ruf nach einer besseren Vernetzung der Aktivisten nicht viel entgegenzusetzen hat.

Jodi Dean vertritt in dem Beitrag Kommunikativer Kapitalismus und Klassenkampf die These, dass die vielen Aufstände und Demonstrationen der letzten Jahre – Occupy, die Studentenproteste in Chile, Elemente des Arabischen Frühlings usw. – als „erste Phase einer Revolte, die von der Klasse der Wissensarbeiter ausgeht“, zu verstehen sind. Es handle sich um das „Aufbegehren der Klasse derjenigen […], die unter dem System des kommunikativen Kapitalismus proletarisiert worden sind“ (135). Der Beitrag mündet in die Betrachtung der Enteignung unserer „kommunikativen Aktivitäten“ durch Big Data (153).

Birgit Sauer erarbeitet die Forderung, Demokratie nicht als „bloßes Verfahren der Mehrheitsfindung zu verstehen“, sondern „als eine Form der Organisation des Arbeitens und Lebens“ sowie „Subjektsseins“ (165), wobei es ihr insbesondere um die „geschlechter-spezifische Arbeitsteilung“ sowie die Frage der Care-Arbeit geht. Eine Geschlechterdemokratie sei von Nöten (166) und überhaupt ist Arbeit stets „politisch“ zu verstehen (167).

Karin Meyer widmet sich aus „neorepublikanisch-feministischer Perspektive“ am Bsp. der Schweiz und unter Bezugnahme auf Hannah Arendt der Demokratie „zwischen Volkssouveränität und egalitärer Machtteilung“ (174-200). Dirk Jörke möchte die „antidemokratischen Züge“ des politischen Denkens Arendts aufzeigen (201) und verdeutlichen, dass die Anti-Federalists für linkes Denken „ertragreicher“ sind, da es sich in ihrem Falle um „radikaldemokratische[s] Denken“ gehandelt habe, das auch die Eigentumsordnung umfasste (203). Axel Rüdiger verteidigt in seinem „Plädoyer für den Neo-Jakobinismus“ diesen als „revolutionäre[n] und universalistische[n] Republikanismus“, der für „die demokratische Demokratie und Praxis der Gegenwart“ noch immer relevant sei (225). David Salomon fragt nach der „Bilanz“ und den „Perspektiven Sozialer Demokratie“ (249-264) und wirft dabei den Blick zurück auf die Entwicklung dieser Idee.

Die Idee der Präsentischen Demokratie steht im Mittelpunkt des Beitrags von Isabell Lorey. Sie besteht aus drei Analyseebenen: politisch-theoretisch – der „Kritik an Ideen liberaler, repräsentativer Demokratie“, geschichts-philosophisch – der „Kritik an Linearität und Chronologie von Zeit“, bewegungspolitisch – den „Praxen der Demokratiebewegungen“. Als Beispiel zieht Lorey die Platzbesetzungen in Spanien heran. Es ist das Ziel der Autorin, die „traditionelle linke chrono-politische Vorstellung von Organisierung“ zu durchbrechen und die Wertschätzung der Gegenwart voranzutreiben (265). So könne die „permanent verschobene Zukunft“ als Versprechen der repräsentativen Demokratie durchbrochen werden, und zwar im Hier und Jetzt (270). Dabei geht es ihr auch um „radikale Inklusion“ (271), um „neue Weisen der Instituierung und Organisierung entstehen“ zu lassen (266).

Den vielfältigen und nicht auf einen Nenner zu bringenden Band – dem ein sorgfältigeres Lektorat zu wünschen gewesen wäre – beschließt der Hrsg. selbst mit einer „Kritik der politischen Demokratie“ (278-302).

Linke Demokratietheorie zeigt sich lebendig, nur fragt sich, wie all die wissenschaftlichen wie bewegungspolitischen Erkenntnisse und Analysen den Weg in die „reale“ Politik finden sollen. Die Antwort hierauf muss noch gefunden werden.

Sebastian Klauke

Systemkritische Intellektuelle in der DDR

Andreas Heyer (Hrsg.), Festschrift zum 75. Geburtstag von Siegfried Prokop. Bd. 1: Diskutieren über die DDR, 212 S.; Bd. 2: Diskussionen aus der DDR, 212 S., Books on Demand, Norderstedt 2015, 12,00 Euro je Band

„In den letzten Jahren habe ich Siegfried Prokop als einen überaus hilfsbereiten und freundschaftlichen Wissenschaftler kennen gelernt, der sich vor allem immer um die Förderung der akademischen Jugend bemühte … Von daher ist es mir eine große Freude, ihm mit dieser Festschrift ein Stück dieser positiven Einstellung zurückgeben zu können.“ So Andreas Heyer als Herausgeber im Vorwort. Die 2013 begonnene Edition des wissenschaftlichen Nachlasses von Wolfgang Harich führte Heyer mit Prokop zusammen. Dessen Engagement für die Biographie von Harich und für die alternative Enquêtekommission, das Engagement für die Erhellung der Geschichte des Kulturbundes in der DDR und sein Wirken in der Rosa-Luxemburg-Stiftung und im Kreis der alternativen DDR-Geschichtsschreibung steckten den Rahmen ab, um Beiträge der Festschrift zusammenzubringen.

Wie kann es auch anders sein – ein Sammelband mit 20 Beiträgen zu Ehren eines Jubilars ist ein bunter Blumenstrauß, unterschiedlich in der Thematik, in der Schreibweise und Methodik und auch in der Relevanz. Manches scheint man in ähnlicher Weise schon gelesen zu haben, anderes bestätigt durch neu gefundene Quellen schon bekannte Sichtweisen. Einiges aber stößt in Neuland – so jedenfalls der Eindruck des Rezensenten.

Als erster kommt Karl-Heinz Schulmeister, der ehemalige Generalsekretär des Kulturbundes, zu Wort: „Siegfried Prokop – unermüdlich auf den Spuren der Kulturbundgeschichte unterwegs“. Seit dem Aufgehen der DDR in der Bundesrepublik befasste sich Prokop mit der Kulturbundgeschichte, nachdem schon 1988 in einer Beratung bei Gregor Schirmer, Abteilung Wissenschaft des ZK der SED, die systematische Aufarbeitung inauguriert und Prokop die Verantwortung übertragen wurde. Aus dessen Arbeit erwuchs schließlich eine „fünfbändige Kulturbundgeschichte“. Einen Themenblock bilden biographische Beiträge (Andreas Heyer, Stefan Dornuf, Ines Weber) zu drei hervorragenden marxistischen Wissenschaftlern der DDR, deren Konzepte für die Demokratisierung der von der Omnipotenz des SED-Politbüros geprägten staatssozialistischen Regimes sie ins Gefängnis brachte: Rudolf Bahro, Wolfgang Harich, Robert Havemann. Autoren mit einer westdeutschen Biographie scheinen erstaunt zu sein, dass diese Männer Oppositionelle im Herrschaftssystem waren, jedoch keine Gegner der DDR als antikapitalistischer Staat. So schreibt Heyer in seinem Beitrag: „Es ist aus heutiger Sicht überaus erstaunlich und immer noch schwer erklärbar, woher dieses fast schon unbedingte Festhalten am DDR-Sozialismus kam – obwohl die Oppositionellen am eigenen Beispiel Repression, Verfolgung, Unterdrückung oder gar Haft erlebt hatten. Havemann hatte 1976 geschrieben: ‚Ich bin bei aller Schonungslosigkeit meiner Kritik an den politischen Zuständen der DDR noch immer der festen Überzeugung, dass von den beiden deutschen Staaten die DDR der bessere ist’.“

Alexander Amberger analysiert „im Spiegel der MfS-Akten“ die engen Kontakte Harichs zum stellvertretenden Kulturminister der DDR Klaus Höpcke bei seinem intensiven Engagement für Umweltfragen. Den Warnungen des Club of Rom von 1972 „Die Grenzen des Wachstums“ folgend hielt Harich eine Politikwende in der DDR für unverzichtbar (Buchpublikation 1975 im westlichen Ausland „Kommunismus ohne Wachstum?“), jedoch eine Lösung der Umweltfrage in einer auf Profitstreben basierten Wirtschaft prinzipiell nicht für möglich. Er plädierte für einen „asketischen Kommunismus mit der Struktur eines streng zentralistisch gegliederten Weltstaates.“ Der Beitrag von Amberger – der einzige in diesem Band, der auf Archivrecherchen beruht – offenbart den Quellenwert der Akten des ostdeutschen Geheimdienstes für zeithistorische Analysen. Nachdrücklich sei auch vom Rezensenten die Überführung der Akten des MfS in das Bundesarchiv gefordert, damit eine freie, nur von geschichtswissenschaftlichen Zielsetzungen geprägte Aktenrecherche möglich wird.

Camilla Warnke berichtet aus dem Miterleben der Vorlesungen Wolfgang Harichs zur klassischen deutschen Philosophie in den frühen 1950er Jahren und veröffentlicht zugleich ihre Vorlesungsmitschriften. Ich kann bestätigen, das Audimax der Humboldt-Universität war stets brechend voll und Harich beeindruckte uns mit seiner gedankensprühenden Hegel-Inter­pretation. Für mich als Geschichtsstudenten waren diese Vorlesungen ein Anreiz, sich mit Philosophie zu befassen – freilich nicht ausreichend gewappnet gegen simple Vereinfachungen im marxistischen Denken.

Der Literaturhistoriker Dieter Schiller hat seine im Juli 1990 verfasste und 1995 überarbeitete „Antwort auf einige Fragen eines Bundesdeutschen zur DDR-Literatur“ zum Abdruck freigegeben. Er skizzierte die Entwicklung der DDR-Literatur unter den realsozialistischen Machtverhältnissen und urteilt, diese Literatur habe „in ihrem künstlerischen Niveau und – wenn auch in begrenztem Grade – ihren innovatorischen Elementen innerhalb der europäischen Literatur einen eigenständigen Platz“. Letztlich gelangt der Autor zu der prononcierten Aussage: „Für mich ist die Literatur in der DDR seit den 60er Jahren eine Literatur, die einige Autoren von welthistorischem Rang hervorgebracht hat. Heute soll das weggeredet werden… Da soll der emanzipatorische Anspruch begraben werden.“

Peter Joachim Lapp berichtet über den Prozess wegen Wahlfälschung gegen Hans Modrow 1994/95, an dem er als Sachverständiger teilnahm. „Was blieb, war ein schaler Nachgeschmack: leider versäumte es die Politik, für derartige Delikte wie die Wahlfälschung eine Amnestie auf den Weg zu bringen…“ Das „hätte dem Rechtsfrieden gedient und manche Gräben früher zugeschüttet“.

Der einzige auf die alte Bundesrepublik bezogene Beitrag hat die Geschichte des vom Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen herausgegebenen SBZ-Archivs und nachfolgend des Deutschland Archivs zum Gegenstand. Klaus Körner betritt damit wissenschaftliches Neuland. Von den handelnden Personen erscheinen u. a. Wolfgang Leonhard und Peter Christian Lutz. Der agile „Überläufer“ Leonhard tritt schon in den frühen Jahren als emsiger Mitarbeiter hervor. Peter Christian Lutz kommt der Verdienst zu, 1968 eine wissenschaftsfundierte Deutschlandforschung – systemimmanent für die DDR und zugleich beide deutsche Staaten vergleichend – angestoßen zu haben. Das bisher propagandistisch angelegte SBZ-Archiv nahm nicht nur den Namen Deutschland-Archiv an, sondern wandelte sich in ein seriöses Periodikum. Der Autor resümiert: „Wer etwas über die westdeutschen DDR-Kenntnisse in den Zeiten des Kalten Krieges erfahren will, sollte das SBZ-Archiv zur Hand nehmen.“ Und er merkt kritisch an, das SBZ-Archiv komme in den Bänden der Bundestags-Enquête und in der auf die „Stasi-Unterlagen fixierten Abwicklungsforschung“ nicht vor.

Als Verfasser von Beiträgen zur DDR-Geschichte sind Manfred Bogisch, Stefan Bollinger, Heinz Karl, Mario Keßler und Alfred Kosing in dem Band vertreten. Die Festschrift enthält drei Zeitzeugenberichte. Heiner Halberstadt und Robert Steigerwald berichten von ihren Begegnungen mit Wolfgang Harich. Herbert Wöltge hat die schriftlichen Aufzeichnungen eines Gesprächs mit Herbert Hörz veröffentlicht. Als Schriftleiter von Leibniz intern ist er seit Jahren um die Aufhellung der bis heute strittigen Auflösung der Akademie der Wissenschaften der DDR bemüht. Hörz war noch 1989 zum Akademiemitglied und Vizepräsidenten gewählt worden und ergriff dann die Initiative zur Umbildung der Gelehrtengesellschaft zu einer privatrechtlichen Sozietät. Das Protokoll gibt die Sichten von Herbert Hörz auf das Wirken der Akademie, auf die Reformbestrebungen und auf die Auflösung der Gelehrtengesellschaft wieder. Letzteres war in seinen Augen ein Rechtsbruch, der eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verlangt hätte.

Vermisst wird ein Autorenregister. Biographische Angaben würden es erleichtern, die heterogenen Beträge gedanklich einzuordnen.

Siegfried Kuntsche

Geschichte und Gegenwart des Front National

Sebastian Chwala, Der Front National. Geschichte, Programm, Politik und Wähler, PapyRossa, Köln 2015, 143 S., 12,90 Euro

Sebastian Chwala will mehrere, in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion über den „Front national“ (FN) vertretene Auffassungen hinterfragen. Das gilt erstens für Versuche einer moralischen Verurteilung des FN, zweitens für die Behauptung, der FN sei eine faschistische Partei und drittens für die These, der FN verkörpere eine irrationale Verweigerung der Moderne (6-8). Ch. zieht aber auch in Zweifel, dass der FN hauptsächlich als Reaktion einer vom krisenhaften gesellschaftlichen Wandel geschwächten und angeblich von der Linken politisch aufgegebenen Arbeiterschaft betrachtet werden müsse. Er denkt dabei zum Beispiel an die auch in Deutschland bekannt gewordenen Studien von Stéphane Beaud und Michel Pialoux über die Erosion proletarischer Identität von Automobilarbeitern.

Den von ihm kritisch erwähnten Deutungsmustern des Aufstiegs des FN setzt Ch. ein Konzept entgegen, das von Zusammenhängen zwischen „ökonomischen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen“ und „sozialen Akteuren“ (11) ausgehen will. Letztere sieht er vor allem in den „Mittelschichten“, insbesondere in der Kategorie der „Kleineigentümer“. Wenn sich der FN zum politischen Anwalt der „kleinen Leute“ aufwerfe, bedeute das nicht, wie oft geglaubt werde, dass die Partei sozialen Abstieg durch „gerechtere Verteilung der Vermögen oder gar gesellschaftliche Solidarität“ (12) aufhalten wolle. Was „gesellschaftliche Solidarität“ konkret heißen soll, bleibt bei Ch. an dieser Stelle unbestimmt. Ebenso ist die Kennzeichnung der FN-Programmatik als „nationalliberal“ missverständlich, da dieses Attribut zumindest in Deutschland mit der großbürgerlichen Politik der nationalliberalen Partei in der Bismarck-Ära konnotiert ist.

Im 2. Kapitel gibt Ch. einen Überblick über die Entwicklung autoritär-konservativer, nationalistischer und faschistischer Tendenzen in Frankreich von der Wende zum 20. Jahrhundert bis zum Ende des 2.Weltkriegs. Dabei fokussiert er, wie in der Einleitung angekündigt, auf die Rolle des Kleinbürgertums (insbesondere der kleinen selbständigen Kaufleute, Handwerker und Bauern), dem in Frankreich traditionell eine noch größere sozialstrukturelle Bedeutung zukam als in England oder Deutschland. Der Historiker Gérard Noiriel, der durch profunde Studien über die französische Arbeiterschaft im 19. und 20. Jahrhundert hervorgetreten ist, spricht deshalb von einem „gigantischen Paradoxon“, weil gerade in Frankreich eine tiefe Angst vor dem Proletariat entstanden sei, obwohl dort noch für Jahrzehnte eine „industrie rurale“ dominiert habe. Der soziale Wandel, der mit der beginnenden 3. Republik einsetzte, förderte zunächst einen gewissen Aufstieg der „couches nouvelles“ (17) der Kleineigentümer und eine entsprechende Ideologie einer „Eigentümerdemokratie“ (14), die sozialistischen Gleichheitsvorstellungen diametral entgegengesetzt war.

Mit dem Beginn einer „Großen Krise“ seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts – offenbar meint Ch. hier den Zerfall traditioneller Wirtschaftsformen und eine zunehmende Proletarisierung „bäuerlicher Arbeiter“ – wurde die soziale Basis einer „schrittweisen Reformpolitik“ schmaler (18). Das löste ab Mitte der achtziger Jahre einen Zustand politischer Instabilität aus, der unter dem Stichwort „Boulangismus-Krise“ in die französische Geschichte eingegangen ist. Zutreffend beschreibt Ch. den Boulangismus (der Begriff verweist auf General Georges Boulanger, der für einige Jahre zum „starken Mann“ avancierte) als ambivalente reaktionäre populistische Bewegung, die sowohl von der extremen Rechten unterstützt wurde als auch auf der Linken nicht geringe Zustimmung fand. Auch hier sieht Ch. seine Leithypothese vom Kleinbürgertum (bzw. den Mittelschichten) als entscheidendem sozialen Träger rechter Bewegungen in Frankreich bestätigt (21). Erst dadurch, dass sich die Arbeiterschaft aus der politischen Abhängigkeit der Liberalen (21) löste und sich Teile der Republikaner nach links bewegten („Radikale“), polarisierte sich das politische Kräfteverhältnis der 3. Republik. Ein Ergebnis dieses Prozesses war die Entstehung eines ideologisch scharf konturierten „organischen Nationalismus“, der intellektuell besonders von Maurice Barrès und politisch von Paul Déroulède, dem Führer der revanchistischen „Ligue des Patriotes“ repräsentiert wurde (22). Zu Essentials des nationalistischen Diskurses entwickelten sich der Primat des nationalen Kollektivs vor dem Individuum (gewissermaßen die rechte Alternative zu Durkheim, L.P.), die Glorifizierung der bäuerlichen Existenzweise, Antiurbanismus, Antisozialismus, Antisemitismus und Xenophobie (zum Beispiel gegen italienische Arbeitsimmigranten) sowie ein ausgeprägter sozialer und kultureller Elitismus. Das Ganze wurde in die Formel der „préférence nationale“ gegossen, die ihre Spuren bis in das heutige Selbstverständnis des FN hinein hinterlässt.

Nachdem die „Ligue des Patriotes“ nach einem gescheiterten Putschversuch an Einfluss verlor, trat die „Action française“ (AF) unter Führung von Charles Maurras in den Vordergrund und blieb bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts die größte Organisation des französischen Rechtsextremismus. Ihre nationalistische, antisemitische, militant katholische und monarchistische Einstellung wurde allerdings in der Zwischenkriegszeit durch einen Radikalisierungsprozess rechter Strömungen überholt, die sich am siegreichen italienischen Faschismus orientierten und in Organisationen wie „Le Faisceau“ unter Georges Valois niederschlugen (33). Zu Recht wendet sich Ch. gegen Positionen prominenter Faschismusforscher wie Zeev Sternhell und Michel Winock, die Bewegungen wie „Le Faisceau“ eine dem radikalen Syndikalismus substantiell gleichartige revolutionäre Qualität zuschreiben, indem er die programmatischen Schwerpunkte im Denken Valois hervorhebt: Antiparlamentarismus, Plädoyer für die Diktatur eines „starken Mannes“, Polemik gegen die herrschenden Eliten, Ersetzung der Gewerkschaften durch korporatistische Organe (35). (Dass Valois später in der „Résistance“ aktiv war und 1945 im KZ Bergen-Belsen umkam, sei hier von mir nur am Rande erwähnt).

Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise erhielten die nationalistischen und faschistischen Kräfte enormen Auftrieb, ein Prozess, der aber auf ein gleichzeitig sich entwickelndes Bündnis der Linken (Sozialisten, Kommunisten, Gewerkschaften und linke bürgerliche Republikaner) traf. Deshalb scheiterte der gewaltsame rechte Umsturzversuch 1934 an dem von den Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreik. Dennoch setzten sich die Angriffe der nationalistischen und faschistischen Rechten auf Institutionen der 3. Republik und insbesondere die Regierung der „Volksfront“ unter Léon Blum (36 ff.) fort. Ihre Kader rekrutierte die rechtsextreme Bewegung aus den „Ligues“ („Ligen“), ihre Wortführer fand sie in u.a. in Charles Maurras, Robert Brasillach und Maurice Bardèche. Aus den Ereignissen der dreißiger Jahre ging 1936, nachdem sich die faschistischen „Croix-de-feu“ („Feuerkreuzler“) des Oberst François de La Rocque aufgelöst hatten, der „Parti Social Français“ (PSF) hervor: Weder der PSF noch der von dem früher führenden Mitglied der Kommunistischen Partei (PCF) gegründete „Parti Populaire Français“ (PPF) lassen sich – das betont Ch. – als „Arbeiterparteien“ bezeichnen, auch wenn diese Parteien einen entsprechenden Eindruck hervorrufen wollten. (Es wäre interessant gewesen, näher auf die Entstehung beider Parteien einzugehen, was aber über den Überblickscharakter des Buches hinausgehen würde.) An mehreren Stellen zeigt Ch., dass diese rechtsextremen Parteien ihr soziale Basis nicht nur nicht in der Arbeiterschaft hatten, sondern sogar von privaten Unternehmern finanziell unterstützt wurden.

Das Vichy-Regime (1940 – 1945) bot den unterschiedlichen reaktionären, nationalistischen und faschistischen Strömungen trotz der zwischen ihnen fortbestehenden partiellen Differenzen einen konsensualen institutionellen Rahmen. Allerdings stellt sich die Frage, ob man Maurras und Pétain während des Vichy-Regimes nur als „nationalkonservativ“ (39) bezeichnen kann.

Zwar brach die Kontinuitätslinie der extremen Rechten nach 1945 nicht völlig ab, aber ihr Einfluss blieb zunächst eher marginal, sieht man vom spektakulären, aber bald wieder abebbenden Erfolg des Poujadismus, also der nach ihrem Führer Pierre Poujade benannten Bewegung „Union zur Verteidigung der Kaufleute und Handwerker“ (UDCA), dem Auftreten des Juristen Jean-Louis Tixier-Vignancourt und rechtsextremer Splittergruppen während der sechziger Jahre einmal ab. Immerhin blieb aber, was Ch. erneut deutlich macht, die traditionelle Mittelschicht vor allem der kleinen Selbständigen ein sozial relevanter Faktor nationalistischer und rechtsextremer Tendenzen.

Dass mit der Gründung des FN 1972 die Basis für eine einflussreiche, stabile rechte Partei geschaffen wurde, führt Ch. vor allem auf folgende Bedingungen zurück: ein Erstarken der Linken, das etwa den radikalen neofaschistischen „Ordre Nouveau“ marginalisierte (47), die drohende Deklassierung kleinbürgerlicher und -bäuerlicher Schichten (59) und Migrationsprobleme infolge der „Dekolonisierungskrise“ der 1950er und 1960er Jahre. (Fraglich ist allerdings, ob man wie Ch. den „Ordre Nouveau“ als „nationalrevolutionär“ bezeichnen sollte, da dieser Begriff sehr unterschiedlich gedeutet werden kann und auch gedeutet worden ist, 48).

Kritisch ist außerdem anzumerken, dass Ch. hier wie an zahlreichen anderen Stellen seinen einleitend skizzierten Ansatz, von „ökonomischen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen“ auszugehen, methodisch nicht durchhält. Anstatt die von ihm behandelten Hauptphasen der politisch-historischen Entwicklung des französischen Rechtsextremismus jeweils mit einem knappen systematischen Überblick über die genannten „Rahmenbedingungen“ einzuleiten, finden sich nur über den gesamten Text verstreute Hinweise auf diese Bedingungen. Das erschwert es teilweise, ihren inneren Zusammenhang nachvollziehen zu können.

Was das Profil des FN seit den 1990er Jahren betrifft, so wird es von Ch. als „neuer Nationalismus“ beschrieben, der sich u.a. in der Losung einer „Préference Nationale“, also der kategorischen Privilegierung nationaler Aspekte, ausdrückt. Dem war nach der Entmachtung des Parteigründers Jean-Marie Le Pen bereits eine gewisse „Normalisierung“ vorausgegangen. Statt eines offenen Rassismus wurde nun kulturrelativistisch das „Recht auf Unterschiedlichkeit“ (70) betont, der traditionelle Katholizismus schwächte sich ab, Umweltschutz wurde zu einem neuen politischen Aktionsfeld erklärt (67) und die Partei bezog Position gegen die beiden Irakkriege. Wenn Ch. einen „identitären Rassismus“ (67) als ideologischen Subtext des FN ausmacht, wäre es wünschenswert gewesen, wenn er sich dabei nicht nur auf die Sekundärliteratur gestützt, sondern auch ausführlicher Primärquellen zitiert hätte.

Der „neue FN“, der einerseits neofaschistische Elemente abzuschütteln versuchte, andererseits aber auch „Modernisierer“ wie Bruno Mégret kaltstellte, nahm seit Beginn des 21. Jahrhunderts die für ihn gegenwärtig typischen Konturen an, indem er sich als eine nationale, “pro-republikanische“, laizistische, „soziale“, globalisierungsfeindliche, antiamerikanische und einen „starken Staat“ fordernde Kraft präsentierte. Wenn der FN einen „starken Staat“ will, dann sind damit, wie Ch. deutlich macht, in erster Linie die Aufrüstung der französischen Armee, um Frankreichs weltpolitische Stellung zu festigen, sowie der Ausbau des nationalen Sicherheitsapparats gemeint. Wenn nationale Interessen gefährdet seien, spricht sich der FN durchaus für bewaffnete Auslandseinsätze aus, vertritt also alles andere als eine grundsätzlich auf Frieden gerichtete Politik.

Am Beispiel der Wirtschafts- und Sozialpolitik kann Ch. die Widersprüchlichkeit der FN-Programmatik aufzeigen. So verenge sich die Globalisierungskritik des FN auf die kulturalistische Ebene und klammere die harten ökonomischen Realitäten des globalen Neoliberalismus aus (82). Dem entspreche ein durchaus mit neoliberalen Zielen vereinbarer Katalog unternehmerfreundlicher, marktliberaler Ziele. Dazu gehören eine „Vereinfachung“ des Arbeitsrechts, (wie sie ja inzwischen trotz der breiten Streik- und Protestbewegung durch die Veränderung des Code du Travail eingetreten ist) und die Ersetzung der „überholten“, am Klassenkampf festhaltenden Gewerkschaften durch korporatistische Organe eines gemeinsamen Konfliktmanagements von Unternehmern und Belegschaften. Eine teilweise Finanzierung der Rentenversicherung durch kapitalgedeckte Renten, staatlich subventionierter privater Wohnungsbau und ähnliche sozialpolitische Vorschläge ergänzen diesen Katalog, wobei gleichzeitig gefordert wird, kleine und mittlere Unternehmen vor der Macht nicht-französischer Konzerne und Supermarkt-Ketten zu schützen (86).

Die Fokussierung des FN auf die selbständigen ländlichen und städtischen Mittelschichten erweist sich Ch. zufolge als zentraler strategischer Schritt, der gleichzeitig die Berufung aller früherer Spielarten der extremen Rechten auf diese sozialen Kategorien fortsetzt (86/87).

Es ist deshalb nur folgerichtig, wenn Ch. im 4. (und letzten) Kapitel noch einmal ausführlich auf die „Soziologie des Front National“ eingeht (88 – 130). Den Ausgangspunkt dafür bilden die spektakulären Wahlgewinne der Partei besonders während der letzten Jahre. Bei den Departementswahlen 2015 erhielt der FN gut 25 Prozent der Stimmen (96). Ch. kommt bei der Untersuchung dieser Entwicklung zu folgenden Befunden:

1. Der FN hat seine Hochburgen „jenseits der Städte“ im ländlichen und „periurbanen“ Raum. Es gebe also keine sozialräumlich signifikante Korrelation zwischen Zustimmung zum FN und dem überwiegend in urbanen Ballungszentren lebenden Migrantenanteil an der Wahlbevölkerung.

2. Besonders hohe Wahlergebnisse erziele die Partei in „periurbanen“ Gebieten im Umkreis von 30 - 90 Kilometern Entfernung von den Großstädten, wo Marine Le Pen zum Beispiel in Paris bei den letzten Präsidentschaftswahlen (2012) nur 6,2 Prozent erreichte.

3. Die „Deklassierungsangst“ besonders in den Mittelschichten, denen sich der FN als Fürsprecher andient, habe nach soziologischen Studien (z.B. von François Dubet) und Erhebungen des französischen Statistischen Amtes (INSEE) im Jahr 2014 keine reale Grundlage.

4. Die „populären Thesen“, die An-hängerschaft des FN sei weiblicher und jünger geworden, lassen sich nicht verifizieren. Vermutlich sei der typische Wähler der Partei eher „nach wie vor männlich, nicht akademisch gebildet und Arbeiter, Angestellter oder kleiner Unternehmer“ (98).

Besondere Aufmerksamkeit ziehen die letzten Abschnitte dieses Kapitels (105-137) auf sich, weil sich Ch. hier sowohl mit der Frage auseinandersetzt, ob für die „(linke) Linke“ der „Rückzug ins Nationale“ (105) eine Alternative zum FN und seiner nationalistischen und identitären Rhetorik bieten kann, als auch ausführlicher auf das Verhältnis des FN zur Arbeiterschaft eingeht, die ja traditionell den Kern der Linken gebildet hat.

Wenn es auch zutrifft, wie Ch. bemerkt, dass die Politik der regierenden Sozialistische Partei (PS) gegenwärtig Züge von „Law and order“ (106) aufweist, so lässt sich daraus aber nicht, wozu Ch. offensichtlich neigt, ableiten, dass eine Verbindung von nationalen Aspekten und linken politischen Zielen a priori und immer abzulehnen ist. Wenn zum Beispiel die Verteidigung sozialstaatlicher Errungenschaften, der Kampf um mehr soziale Gerechtigkeit und für eine Einschränkung der Macht produktions- und marktbeherrschender Unternehmen auf nationaler Ebene mit mehr Erfolg geführt werden kann als auf internationaler Ebene, wäre es ein geradezu sträfliches Versäumnis, nationale Spielräume ungenutzt zu lassen. Die Linke sollte weder in Frankreich noch anderswo „national“ und „nationalistisch“ verwechseln. Das aber scheint Ch. zu tun. Er wendet sich u.a. gegen Jean-Luc Mélenchon, den führenden Repräsentanten des linken „Front de gauche“, eines Wahlbündnisses unter wesentlicher Beteiligung der Kommunisten, weil er nicht „die europäische Option“ gewählt habe, „alle subalternen Milieus zu vereinen, um geschlossen gegen die längst transnational agierenden Konzerne und Elitennetzwerke agieren zu können“ (107). Offensichtlich ist es aber noch ungleich schwieriger, Widerstand auf internationaler oder gar globaler Ebene zu mobilisieren als unter nationalen und regionalen Bedingungen, wo das schon schwierig genug ist. Oder hätten die in diesem Jahr gegen die Demontage des „Code du Travail“ Streikenden auf ihre Bewegung verzichten sollen, weil ihr die „transnationale“ Dimension fehlte? Findet man bei der Linken jenseits des PS, was Ch. nahe legt, ebenfalls Vorstellungen eines „nationalen Kollektivs“ wie bei der extremen Rechten? Warum soll es falsch sein, dass die französische (oder auch deutsche) Linke für eine verfassungsmäßigen Grundwerten entsprechende (Ch. schreibt der Linken den abwertenden Ausdruck „Assimilation“ zu) Integration von Migranten eintritt? (107). Und was heißt konkret, dass sich „viele Linke in geradezu mythischer Weise der Nation“ (106) verbunden fühlen? Für diese schwerwiegende Behauptung hätte man tragfähige Belege erwarten dürfen.

Am Schluss seines Buches befasst sich Ch. mit dem Verhältnis des FN zur Arbeiterschaft. Ausgehend von der durch die Krise des Fordismus ausgelösten Erosion des PCF und ihres einstigen Masseneinflusses auf die Arbeiterklasse widerspricht er der zum Beispiel von Pascal Perrineau vertretenen Auffassung von einem so genannten „Gaucho-Lepenismus“ (109/113), der zufolge zahlreiche Arbeiter aus Enttäuschung über die „politische Klasse“, aus Fremdenfeindlichkeit und Frustration über die EU 1995 Jean-Marie Le Pen als Präsidentschaftskandidaten gewählt hätten, innerhalb der „Volksklassen“ also eine Verschiebung nach rechts stattgefunden habe. Stattdessen führt Ch. eine Reihe empirischer Untersuchungen an, deren Ergebnisse darauf hinauslaufen, dass Arbeiter nicht primär rechts wählen (113-116). Gleichzeitig macht er darauf aufmerksam, dass vor allem der Arbeiteranteil an den Nichtwählern wächst. Sein besonderes Interesse gilt in diesem Zusammenhang aber in erster Linie dem Typ des „rechten“, aufstiegsorientierten Arbeiters. Dabei handelt es sich um Angehörige eines Arbeitermilieus in eher ländlichen Industriegebieten, wo Arbeiter ein relativ enges Verhältnis zu den Betriebseignern haben, konfliktorientierte Gewerkschaften als Fremdkörper empfunden werden und individuelle Leistung als Voraussetzung für sozialen Aufstieg verinnerlicht wird (119). Zwar bestreitet Ch. einerseits nicht, dass der FN unter Arbeitern auf Resonanz stößt, verneint aber andererseits, dass von einem Bruch der Arbeiterschaft mit einem bisherigen linken Selbstverständnis gesprochen werden könne, da das heutige „rechts sozialisierte Arbeitermilieu“ vorher gar nicht von der Arbeiterbewegung und der Linken erfasst und geprägt worden sei (120). Dieser einleuchtende Befund steht übrigens auch in Kontrast zu dem (von Ch. nicht erwähnten) eindrucksvollen Buch „Rückkehr nach Reims“ von Didier Eribon, der in der angeblichen Hinwendung der Arbeiterschaft zum FN eine Reaktion darauf sieht, dass die linken Parteien die Arbeiterschaft, namentlich ihre untere Schicht, auf- und preisgegeben hätten.

Sebastian Chwala hat einen guten, informativen Überblick über den „Front national“, sein politisches Profil und die Geschichte seiner Vorläufer vorgelegt. In vielen Punkten ist seiner Darstellung und Argumentation zuzustimmen. Das Buch enthält aber gelegentlich begriffliche Unklarheiten und seine eigenen politischen Wertungen sind nicht immer überzeugend.

Lothar Peter

Wurzeln des „Islamischen Staates“

Werner Ruf, Islamischer Staat & Co. Profit, Religion und globalisierter Terror, PapyRossa-Verlag, Köln 2016, 156 S., 13,90 Euro

Kein anderer nichtstaatlicher Akteur hat die gegenwärtigen nahöstlichen Verhältnisse in einer derartig rigiden und rückwärtsgewandten Weise umzuwälzen versucht wie die islamistische Terrorgruppierung „Islamischer Staat“ (IS). Das vom IS im Sommer 2014 im irakischen Mossul ausgerufene Kalifat „Islamischer Staat“ mit dem syrischen Raqqa als Hauptstadt stellte nicht nur eine flagrante Verletzung der territorialen Integrität beider Länder dar. Zugleich war dies auch ein gezielter Anschlag auf die bestehende gesamtregionale Territorialordnung – mit nachhaltigen Dynamiken weit über den Nahen Osten hinaus, unabhängig davon, wie sich das weitere Schicksal dieses Kalifatsgebildes fürderhin gestalten wird.

Schon dies allein begründet die hohe Relevanz der vorliegenden Publikation von Werner Ruf. Diese ist umso bedeutsamer, als es dem Autor nicht nur um das Entstehen und Wirken dieses zweifellos bislang gefährlichsten Phänomens des islamistischen Extremismus geht. Er hat sich vielmehr dessen Einordnung in seine weit in die Geschichte zurückreichenden objektiven wie subjektiven Entwicklungsbedingungen zur Aufgabe gemach. Er liefert somit zugleich fundierte Antworten dafü, warum gerade der Nahe Osten zu den konfliktgeladensten Regionen der Welt zählt; warum eben hier immer wieder Spannungen zwischen einzelnen Staaten – oftmal unter Instrumentalisierung von konfessionellen Unterschieden – angeheizt werden; warum Tradition und Autoritarismus in den Herrschaftsverhältnissen ein solch erstaunliches Beharrungsvermögen aufweisen und mithin der islamistische Extremismus per se eine spezifische Heimstatt zu haben scheint; warum es, wie kaum anderswo in der Welt, am Willen wie an der Fähigkeit der verschiedenen Akteure, staatlicher wie nichtstaatlicher, zur Kompromisssuche auf der Basis des gegenseitigen Vorteils und im Interesse der Schaffung einer stabilen, die Interessen aller Beteiligten fair berücksichtigenden Regionalordnung mangelt.

Einmal mehr erweist sich Werner Ruf mit dieser Veröffentlichung als vorzüglicher Kenner der Materie. Als jemand, der nicht einfachen den „Mainstream“ bedienenden Erklärungsmustern folgt, sondern gegebene Zusammenhänge ausgewogen beleuchtet und somit zugleich auch westlicher Nahost-Politik den Spiegel vorhält.

Der Autor leitet sein in fünf Kapitel untergliedertes Buch mit einem historischen Exkurs ein, welcher ein ganzes Jahrhundert umspannt – von den Zeiten des ersten Weltkrieges bis hin in unsere unmittelbare Gegenwart. Prägnant werden die gewachsenen Rivalitäten damaliger Mächte aufgezeigt, als im Zuge der fortschreitenden industriellen Revolution „der Zugang und die Kontrolle der Ölquellen von größter strategischer Bedeutung geworden waren“. Während sich der deutsche koloniale Expansionismus – kulminierend im zentralen Bagdad-Bahn-Projekt, um „Berlin über den Balkan, die heutige Türkei, Syrien mit dem damaligen Mesopotamien zu verbinden“ – als Kriegsverlierer in Versailles am Ende seiner Orient-Träume gesehen habe, hätten sich hingegen Großbritannien und Frankreich zu dortigen Kolonialmächten aufgeschwungen die die nahöstliche Region gemäß deren Vormachtinteressen territorial neu geordnet hätten. Diese wurde manifest mit der Konferenz von Sèvres 1920 und basierte auf dem als Sykes-Picot-Abkommen ruchbar gewordenen Geheim-Deal von 1916. Damit sei zugleich der Boden für jene Probleme gelegt worden, „die heute mit Macht an die Oberfläche treten und nach einhundert Jahren jene ‚Ordnung’ radikal in Frage stellen“. Gleichfalls äußerst aufschlussreich sind jene Überlegungen, die der Autor am Schluss dieses ersten Abschnittes präsentiert und die die fatalen Folgen der US-amerikanischen Nahostpolitik betreffen. Nicht nur hätte der „zunehmende Einsatz von privaten militärischen Unternehmen gerade für die ‚schmutzige’ Kriegführung“ den politischen Schaden ungemein wachsen lassen“. Vielmehr erweise sich die ungeheure Hochrüstung als ruinös auch für die eigene Wirtschaft und Infrastruktur. Dabei mache der relative Niedergang der USA als Hegemonialmacht diese zwangsläufig keinesfalls friedliche. Zudem würden dadurch regionalen Mächten größere Handlungsspielräume eröffnet, die diese nun für sich zur Durchsetzung eigener, jedoch widerstreitender Interessen zu nutzen bestrebt seien.

Im zweiten – und zugleich umfänglichsten – Kapitel, welches unter die Überschrift „Revolution und Konterrevolution nach dem ‚Arabischen Frühling’“ gestellt ist, geht Werner Ruf vor allem den Ursachen für den sich 2010/2011 entfachenden und nahezu die gesamte arabische Welt erfassenden „revolutionären Flächenbrand“ auf den Grund. Gleichzeitig enthüllt er die diesbezügliche Doppelbödigkeit westlicher Politik. Nämlich, einerseits die „grauenhaften Verhältnisse in der arabischen Welt: Die brutale Unterdrückung der Bevölkerung, die Systematisierung der Folter, die Kleptokratie der Despoten“ zu kritisieren. Andererseits aber sich betreffender Despoten durchaus zu bedienen, um „als vorgeschobene Bollwerke ‚uns’ vor der Bedrohung durch den ‚islamistischen Terrorismus’ und der wachsenden Zahl von Flüchtlingen“ schützen zu sollen. Dies lasse sich am Umgang mit Vertretern des politischen Islam illustrieren, einem geschickten, aber zugleich verzweifelten „Manöver des Westens“. Seine nicht mehr direkt oder durch zwischengeschaltete Diktatoren haltbare Hegemonie suche dieser nun durch neue reaktionäre Vasallen zu kompensieren. Indem die Muslimbrüder und ihre Schwesterparteien konsequent eine neoliberale Politik durchzusetzen versprochen hätten, seien sie dem Westen gewissermaßen als dessen natürliche Partner erschienen.

Die im anschließenden dritten Kapitel „Der islamische Staat“ erfolgende kritische Auseinandersetzung mit eben jener extremistischen Gruppierung gehört zweifellos zu den größten Vorzügen dieses Buches. Nicht nur, dass Werner Ruf den Zusammenhang zwischen dem völkerrechtswidrigen und inzwischen von dessen Urhebern zugegebenermaßen auf glatten Lügen gebauten US-Krieg gegen den Irak und der Formierung von IS in anschaulicher Weise aufdeckt. Auch verstellt er sich trotzdem nicht den Blick für in der Geschichte der Region wurzelnde Triebkräfte der Entstehung eines solchen Gewaltakteurs wie ebenso weiterer immer zahlreicher werdender gewaltaffiner Zusammenschlüsse. Ausführlich wird von ihm geschildert, „wo und wie alles anfing“; wodurch die IS-Ideologie charakterisiert ist und worin die besondere Professionalität seiner Propaganda besteht. Hervorzuheben sind die Ausführungen zur „Ökonomie des Terrors“ ebenso wie zur Frage, inwieweit es sich beim IS auch um ein Produkt US-amerikanischer Syrienpolitik handele.

Im vierten Kapitel, „Der nahöstliche Hexenkessel“ betitelt, wendet sich der Autor speziellen Problemen zu. So den Schwierigkeiten einer politischen Lösung der Syrien-Krise; der aus Sicht des Westens möglichen Rolle der islamistisch-jihadistischen Gruppierung „Ahrar asch-Scham“ in einer Art Stellvertreterfunktion im Streben nach einem Sturz von Assad und der sich in konfessionellem Gewande zwischen Iran und Saudi-Arabien vollziehenden und auf dem Boden des Jemen ausgetragenen Rivalität um die Vorherrschaft speziell in der Golfregion.

Im als Fazit verstandenen fünften Kapitel diskutiert der Autor ein Maßnahme-Paket, das sich an den Grundsätzen der UN-Charta orientiert: die „Beendigung der finanziellen, wirtschaftlichen und waffentechnischen Unterstützung von Gewaltakteuren“, ein Ende aller Waffenexporte sowie ein „striktes Embargo (Export und Import) gegenüber Kriegsgebieten betreffend Waffen, Ressourcen, Antiquitäten, Produkten jeder Art, um die Einkünfte von Gewaltakteuren“ auszutrocknen. Ziel ist die Bekämpfung der Ursachen für Terror und Gewalt.

Auf jeden Fall ist dieses vom PapyRossa Verlag verlegte weitere Buch von Werner Ruf – einschließlich der darin enthaltenen umfangreichen Bibliografie – jedem zu empfehlen, der sich ein umfassendes Bild von Ursachen und Hintergründen der sich in unserer unmittelbaren Nachbarregion vollziehenden Entwicklungen machen möchte..

Karin Kulow

Regressive Modernisierung

Oliver Nachtwey, Die Abstiegsgesellschaft, Berlin 2016, Suhrkamp-Verlag, 264 Seiten, 18,- Euro

Der Rechtspopulismus in Europa ist im Aufwind. Nicht nur in Frankreich oder den Niederlanden, sondern auch in Deutschland schaffen es rechtspopulistische Parteien und Bewegungen wie die AfD oder Pegida, den öffentlichen Diskurs für sich zu nutzen und gesellschaftliche Debatten zu dominieren. Ihre (Wahl-)Erfolge beruhen ganz wesentlich darauf, dass diese Parteien es schaffen, große Teile klassischer linker WählerInnengruppen, wie ArbeiterInnen und Prekarisierte, zu mobilisieren und diese teils nach Jahrzehnten der Abstinenz zur Stimmabgabe zu bewegen. Vor dem Hintergrund des Aufstiegs des Rechtspopulismus in Deutschland und den aktuellen Diskussionen innerhalb der Linken1 über dessen Gründe legt der Soziologe Oliver Nachtwey mit seinem neuen Buch einen wichtigen Debattenbeitrag vor.

Darin macht sich der Autor zur Aufgabe, die „Entwicklungen der letzten Jahrzehnte historisch zu entfalten […] und den klassischen Fragen der Soziologie nachzugehen: In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?“ (10). Seine zentrale These ist, dass sich mit der Durchsetzung des Neoliberalismus ab den 1970er Jahren der gesellschaftliche Fahrstuhleffekt von Ulrich Beck umgekehrt hat und „viele Errungenschaften der sozialen Moderne einer erneuten, aber diesmal regressiven Modernisierung unterzogen wurden“ (11). Dieser Prozess der regressiven Modernisierung verschränkt dabei emanzipatorische Elemente, wie etwa den Abbau von gruppenbezogener Diskriminierung, mit einer steigenden sozialen Ungleichheit und fehlender sozialer Mobilität. Die dadurch entstandene Abstiegsgesellschaft produziert „Abstiegssorgen und Statuskämpfe um Anrechte auf Wohlstand“ (165), welche sich mitunter im „Bedürfnis nach sozialdarwinistischer oder xenophobischer Distinktion“ äußert und in der nicht zuletzt auch „Pegida und die AfD […] Ausdruck dieser Entwicklung“ (14) sind.

Das Buch gliedert sich in drei große Teile: Der erste Teil des Buches stellt die Kontrastfolie dar, vor der der Autor seine These entwickelt. Ausgangspunkt sind dabei die Thesen des Soziologen Ulrich Beck, welcher vor dem Hintergrund der „einzigartigen ökonomischen, sozialen und politischen Konstellationen“ (17) der westdeutschen Nachkriegszeit von der Entwicklung einer sozialen Moderne sprach. Das Aufkommen eines Normalarbeitsverhältnisses sowie die „Entfaltung sozialer und wirtschaftlicher Staatsbürgerrechte“ (23) in der alten Bundesrepublik führten nach Beck zu einem „Wandel des sozialen Konflikts“ (34). Der „Klassenkonflikt wurde ad acta gelegt“, vielmehr führte die soziale Moderne des Fordismus zu einem „Fahrstuhleffekt“ durch den „alle Schichten von Arbeitnehmern bis Vermögensbesitzern […] gemeinsam nach oben“ (31) fuhren. Ausgehend von dieser These Becks beschreibt der Autor den Niedergang des fordistischen Entwicklungsmodells und den „langen Aufstieg des Neoliberalismus“ (47). Anknüpfend an die Arbeiten von Karl Marx zum tendenziellen Fall der Profitrate und gestützt auf zahlreiche empirische Studien weißt der Autor nach, dass es seit dem Ende der Währungsordnung von Bretton Woods 1973 zu einem langen Abschwung und einer stärkeren Krisenanfälligkeit der Weltwirtschaft gekommen ist. Das Scheitern der Sozialdemokratie, die fortschreitende „Internationalisierung der Produktion und die globale Restrukturierung des Finanzsystems“ (51) führten zur Durchsetzung des Neoliberalismus und zum Aufstieg des Finanzmarktkapitalismus, der zu einem „Rückgang bei den Investitionen“ (56) sowie einem globalen Wachstumseinbruch führte. Der „Postwachstumskapitalismus“ (45) führt jedoch gesellschaftlich zu einem Problem, denn ohne reales Wachstum fehlt die „zentrale Ressource“ (63) der sozialen Moderne, um strukturelle Ungleichheiten zu moderieren und sozialen Aufstieg zu ermöglichen. Ohne Wachstum, so die These des Autors, werden „Aufstieg und Verteilung von Einkommen und Vermögen“ zu einem Nullsummenspiel, wodurch die gesellschaftlichen Spannungen zunehmen.

Dem eher ökonomischen Abschnitt folgt eine Diagnose der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse in Folge der wirtschaftlichen Veränderungen. Durch die „Komplizenschaft“ des Neoliberalismus mit „einer im Grunde emanzipativen Kritik“ (80), kommt es zu einer „Selbsttransformation der Moderne“ (74) und der „Etablierung einer neuen Subjektivität, die auf eine Regierung des Selbst abzielt“ (80). Diese Prozesse fasst der Autor mit dem paradoxen Begriff der „regressiven Modernisierung“, um die „internen Widersprüche und gegenläufigen Entwicklungen“ (75) die dieser Prozess mit sich trägt, zu unterstreichen. Denn der Autor möchte keine kulturpessimistische Geschichte der Gegenmodernisierung erzählen, sondern vielmehr auf den komplexen und widersprüchlichen Prozess hinweisen, bei dem die liberale Gleichstellung und Gleichberechtigung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen mit einem Rückfall „hinter dem bereits erreichten sozialen Entwicklungsniveau“ (161) einhergeht. Oder in anderen Worten: Während es seit den 1970er Jahren zu einem Mehr an horizontaler Gleichheit zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen (Geschlecht, Ethnien etc.) kam, wurde gleichzeitig die vertikale Gleichheit zwischen den Klassen zunehmend prekär. „Es ist ein Fortschritt, der den Rückschritt in sich trägt, und dieser Rückschritt trifft meistens […] die Unterklassen“ (76).

Diesen Prozess, der den ersten Teil seiner Hauptthese darstellt, verdeutlicht der Autor anhand einer Vielzahl von Beispielen. So führte die Deregulierung der Erwerbsarbeit zwar zu einem „Zugewinn an individueller Freiheit in der Arbeit“ (84), zugleich jedoch auch zu einer Entgrenzung und Subjektivierung, die„den Markt buchstäblich in die Unternehmen hinein verschob“ (84). Mit dem individuellen Freiheitsgewinn ging „für die Beschäftigten eine neue Form der Kontrolle [einher], nur eben als Imperativ der permanenten Selbst-Kontrolle und Selbst-Ökonomisierung“ (86). Ähnliches zeigt der Autor anhand der Entwicklung der parlamentarischen Demokratie. So konstatiert er seit den 1970er Jahren eine Angleichung und Entideologisierung der Parteien und eine Abkopplung der Politik von der „Zustimmung und Einflussnahme der Bürger“ (91). Der politische Konflikt wurde „über Expertentum, Verrechtlichung und die Konstruktion von Sachzwängen […] in einen postpolitischen Konsens überführt“ (92), in dem die demokratischen Institutionen ausgehöhlt und sich die „Politik von einer Demokratie der Mitte zu einer Eliten-Demokratie gewandelt hat“ (93). Zugleich kam es jedoch zu einer Zunahme von „individuellen, demokratischen Partizipationschancen der Bürger“ (92) und einer Radikalisierung demokratischer Normen. Diese formelle Ausweitung verläuft jedoch „höchst asymmetrisch“ (93), da sich an den Partizipationsinstrumenten vorwiegend privilegierte Gruppen beteiligen. Damit ist die „Postdemokratie, genau wie der Neoliberalismus, eine Hülle für Klassenpolitik“ (93). Insgesamt, so das Fazit des Autors, kommt es im Zuge der regressiven Modernisierung zu einer Aushöhlung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bürgerrechte. Während kollektive soziale Rechte abgebaut wurden, „etablierte man neue Individualrechte, die etwa die Position des Individuums als Konsument oder Entrepreneur stärkten“ (115). Aus dem Staatsbürger wurde der Marktbürger, dessen Rechte den Marktbedingungen angepasst und der vollständig der „Fremdherrschaft des totalen Wettbewerbs unterworfen wird“ (116).

Ausgehend von diesem Zwischenfazit entwickelt der Autor den zweiten Teil seiner Hauptthese, die der Abstiegsgesellschaft. Im Zuge des langen Abschwungs der Weltwirtschaft ist es zu einer Entkopplung von Produktivität und Einkommen gekommen, was eine zunehmende Ungleichheit in der Verteilung des Wohlstandes zur Folge hatte. Zugleich kam es im Rahmen der regressiven Modernisierung zu einer „Erschütterung der Arbeitsverhältnisse“ (137) und zu einer „Institutionalisierung von Prekarität“ (137). Das Normalarbeitsverhältnis wurde zur Ausnahme, während gleichzeitig so genannte a-typische Beschäftigungsverhältnisse ausgeweitet wurden. Zudem erodierte in Folge von Bildungsexpansion und zunehmender Fragmentierung innerhalb von Berufsgruppen das über Bildung oder Berufswahl vermittelte soziale Aufstiegsversprechen. Folge der neuen Situation ist eine „verstärkte Konkurrenzsituation“ (154), in der vor allem die Oberklassen aufgrund des größeren sozialen und kulturellen Kapitals als auch aufgrund ihrer Netzwerke klare Vorteile genießen. Dies führt dazu, dass soziale Aufstiege zunehmend seltener werden und es für die „oberen Etagen der Gesellschaft […] im Prinzip keine Treppe mehr [gibt], die nach unten führt“ (160).

Ausgehend von diesen Symptomen der regressiven Modernisierung argumentiert der Autor, dass es zu einer Umkehr des „sozialen Mobilitätsvektors“ (160) nach unten gekommen sei und sich eine „immobile Abwärtsmobilität“ (156) herausgebildet hat. Während der soziale Aufstieg immer schwerer bis gar nicht mehr erreichbar ist, wird der soziale Abstieg nicht nur wahrscheinlicher, sondern zugleich auch steiler. Dies führt dazu, dass die oberen Schichten der Gesellschaft sich zunehmend selbst reproduzieren und einen sozialen Abstieg nicht fürchten müssen, indes für die unteren Klassen das Risiko deutlich gestiegen ist, weiter abzurutschen oder unten zu bleiben, „je weiter unten jemand in der gesellschaftlichen Hierarchie steht“ (161). Aus dem von Ulrich Beck konstatierten Fahrstuhl, mit dem alle zusammen nach oben fahren, ist für den Autor eine Rolltreppe geworden, die für einige wenige immer nach oben und für die große Mehrheit der Gesellschaft dauerhaft nach unten fährt. Dabei verändern sich die „Abstände zwischen den Individuen“ (127), selbst wenn durch große Kraftanstrengung versucht wird, die Position auf der nach unten fahrenden Rolltreppe zu halten. Damit konstituiert die Abstiegsgesellschaft eine neue „Unterklasse“, bringt „die vormals unsichtbare Klassengesellschaft“ (170) wieder ans Tageslicht und konstituiert eine neue „Unterklasse“ (177). Zu dieser zählt der Autor verschiedene Formen prekärer Arbeit wie Leiharbeiter, Klick-Worker, Ich-AGs aber auch Transferleistungsbezieher. Entstanden in Folge des sozialen Abstiegs verfügt die neue Unterklasse über keine homogene Lebenslage, „kein Vermögen und kaum über eigene Ressourcen der politischen Einflussnahme“. Dadurch entsteht die Klasse auch nicht über ein kollektives Handeln, sondern bündelt vielmehr in sich die verschiedenen „Formen der Unterprivilegierung mit Defiziten an sozialen und wirtschaftlichen Bürgerrechten“ (174). Es bleibt eine „Klassengesellschaft ohne Klassenspannung“ (179).

Dennoch führen Prekarität und soziale Abstiegserfahrungen zu Akten des Aufbegehrens, denen sich der Autor im dritten Teil des Buches widmet. Enttäuschte Aufstiegshoffnungen sieht der Autor dabei als „Quelle von Konflikten“ (225), welche jedoch nicht zwangsläufig die Form emanzipatorischer Bewegungen annehmen müssen. In der Abstiegsgesellschaft nimmt der Autor aufgrund der zunehmenden „Desinstitutionalisierung des Klassenkampfes“ (187) und der Desfunktionalität der repräsentativen Demokratie neue Formen sozialer Auseinandersetzung sowie neue Konflikte um Arbeit und soziale Anrechte wahr. Arbeitskämpfe verschieben sich zunehmend in den Dienstleistungssektor, wo nicht mehr nur um Lohnerhöhung, sondern „in erster Linie um Anerkennung“ (196) gestritten wird. Hinzu kommen „Konflikte um Wohnraum und urbane Lebensqualität“ (200) sowie um soziale Bürgerrechte und Teilhabe, welche oftmals mit „postkonventionellen Protestformen“ (205) artikuliert werden. Ähnlich wie die neue Unterklasse selbst bleibt auch das Aufbegehren „unübersichtlich und mitunter in sich äußerst widersprüchlich“ (181). So sieht der Autor in den Riots der metropolitanen Vorstädte in „Großbritannien, Frankreich und sogar Schweden“ einen Ausdruck des Protests gegen die „Verletzung bürgerlicher Gleichheitsansprüche, Ausgrenzung und Stagnation“ (204). Und auch den rechten Protest von Pegida und die Wahl der AfD interpretiert er als regressives Aufbegehren „einer von Abstiegsängsten geplagten und radikalisierten Mitte […] gegen eine marktkonforme Demokratie“ (218). Abstiegsängste und der eigene Konformismus verbinden sich in einer „Abwertung all jener, die anders und vermeintlich unproduktive Mitesser in einem unter Stress stehenden Sozialsystem sind: Flüchtlinge, Migranten und Muslime“ (221). Somit sind auch die rechtspopulistischen Bewegungen als Resultat der regressiven Modernisierung zu begreifen, als „böser Zwilling des demokratischen Aufbegehrens“, bei der eine klassische Antifapolitik ins Leere laufen muss. Vielmehr muss sich die Linke, um dem Rechtspopulismus etwas entgegensetzen zu können, aus der „Krise der linken Imagination“ (232) befreien und eine Zukunftsperspektive entwickeln, die der regressiven Modernisierung eine solidarische Moderne entgegensetzt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen über den Aufstieg der AfD und linke Gegenstrategien stellt das Buch einen wichtigen Beitrag für eine Auseinandersetzung mit den Ursachen und Hintergründen autoritärer rechtspopulistischer Bewegungen dar. Es fasst die Diskussionen und Erkenntnisse kritischer Gesellschaftsforschung der letzten Jahre zusammen und liefert eine herausragende Zeitdiagnose der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Dabei gelingt es dem Autor sehr gut, viele Thesen nicht nur bildlich zu entwickeln, sondern auch dem gesellschaftlichen Zeitdiagnosen inhärenten Problem der „empirischen Absicherung“ (10) durch zahlreiche empirische Belege entgegenzuwirken. Das Buch selbst ist nicht nur für ein wissenschaftliches Fachpublikum geschrieben, sondern zeichnet sich durch eine allgemeinverständliche Sprache aus. Dadurch bleiben jedoch manche Thesen und Begriffe, wie etwa die der neuen Unterklasse, etwas schwammig und weniger reflexiv. Auch liegt der Fokus der Studie oftmals zu stark auf den Entwicklungen in Deutschland, wodurch europäische oder globale Dynamiken und Entwicklungen aus dem Blick geraten. Zudem bleibt das Buch gerade im dritten Teil zu stark deskriptiv, hätte man sich doch hier einen stärker analytischen Blick gewünscht. Dennoch legt der Autor mit dem Buch eine umfassende und bemerkenswerte Analyse über den Zustand der postfordistischen deutschen Gesellschaft und der ihr zu Grunde liegenden Dynamiken vor. Es liefert unverzichtbare Erkenntnisse für eine linke Gegenstrategie, welche Ausgangspunkt für eine Revitalisierung der Linken sein könnte. Damit ist es neben dem Buch von Didier Eribon2 das gegenwärtig wohl wichtigste Buch für die gesellschaftliche Linke.

Felix Syrovatka

Weltwirtschaftliche Ungleichheitsmuster

Stephan Lessenich, Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis. Berlin, Hanser Verlag, 224 S., 20 Euro.

Nach der „Risikogesellschaft“, der „Erlebnisgesellschaft“, der „Multi-Optionsgesellschaft“… und kürzlich der „Abstiegsgesellschaft“ – nun die „Externalisierungsgesellschaft“. Unabhängig von der verwirrenden Vielfalt der Angebote muss das neue Werk von Lessenich als informativ, gedankenreich und provozierend bezeichnet werden. Es entwickelt die These, dass die Gesellschaften des „globalen Nordens“ auf Kosten des „globalen Südens“ in Wohlstand und Stabilität leben können, indem sie viele negative, belastende Elemente und Kosten der kapitalistischen Produktionsweise in die Peripherie auszulagern bzw. zu „externalisieren“ vermögen. Damit hängen „Entwicklung“/Wohlstand und „Unterentwicklung“/Elend nicht nur zusammen, sondern sie begründen und bedingen sich wechselseitig. Zwar könne mit der Externalisierungsdiagnose „nicht alles“ erklärt werden, sie enthülle aber „eine zentrale Dimension zum Verständnis historischer wie gegenwärtiger weltgesellschaftlicher Ungleichheitsmuster“ (29), so dass der Autor sogar von „Externalisierungsgesellschaft“ spricht.

Seine Zentralthese ist keineswegs originell, sie wurde seit den 50er und 60er Jahren – vor allem in Teilen der kritischen Sozialwissenschaft – ausgiebig behandelt und diskutiert. Auf diese Geschichte der theoretischen und empirischen Analyse des sog. Nord-Süd Gegensatzes geht Lessenich kaum ein, nicht immer zum Vorteil des erreichten Reflexionsniveaus.

Nach dem Problemaufriss (Kap. 1) entfaltet er (Kap.2) seinen „begrifflichen Werkzeugkasten“ zur theoretischen Erfassung des Phänomens „Externalisierung“. Dabei müsse vermöge einer „konsequenten Soziologisierung“ die Analyse von Strukturen, Mechanismen und Praktiken (bzw. der Praxis) der Externalisierung ausgegangen werden (50ff.) und diese lassen sich wiederum nur mittels der Begriffe „Macht, Ausbeutung und Habitus“ zufriedenstellend analysieren. Obwohl diese begriffliche Kombination als das innovative Element der Abhandlung gelten darf, wird sie in fast allen (bisher vorliegenden) Rezensionen nicht erwähnt. „Externalisierung lässt sich erstens nur auf der Grundlage struktureller Machtasymmetrien in der Weltgesellschaft verstehen. Externalisierung ist in diesem Kontext zweitens als mehrdimensionaler, globalisierter Ausbeutungsmechanismus zu begreifen. Und drittens operiert sie alltagspraktisch in Form eines spezifischen Externalisierungshabitus, der den machtstrukturierten Ausbeutungsbeziehungen geschuldet ist und diese beständig reproduziert.“ (52)

Im 3. Kapitel („Externalisierung als ungleicher Tausch“) werden materielle Kreisläufe in Produktions- und Konsumtionsprozessen, Abfallentsorgung und Emissionsanfall in ihren internationalen Dimensionen behandelt. An vielen Beispielen (Soja, Baumwolle, Ölpalmen, Sand, Garnelen etc.) wird gezeigt, in welchem Maße stark ausgeweitete, manchmal monokulturellen Charakter tragende Formen der Naturaneignung in Ländern der Peripherie herrschen; wobei diese Rohprodukte überwiegend für den Export in die Metropolenländer bestimmt sind, um dort zu einem höheren und diversifizierteren Konsumniveau beizutragen. Das „ökologische Paradoxon“ (hoher Konsumstand und relativ geringe Umweltschäden „im Norden“ versus niedriger Konsumstand und hohe Umweltschäden „im Süden) ist nach Lessenich letztlich aus dem „das Weltwirtschaftssystem stützenden politischen und ökonomischen Machtverhältnissen“ sowie den daraus resultierenden „strukturellen Ausbeutungsbeziehungen zu Lasten des globalen Südens“ (100) zu erklären. Es handele sich also um eine „Systemfrage, die durch kleine Anpassungsschritte und Einzelinitiativen – so verdienstvoll diese sein mögen – nicht zu lösen sei; bei allen sozio-ökonomischen Unterschieden in Ländern des „Nordens“, auch die Ärmsten partizipieren an der „imperialen Lebensweise“ (eine von Ulrich Brand vor einigen Jahren eingeführte Begriffskombination), die durch vielfältige Externalisierungsprozesse begründet und abgesichert ist. Per se sind diese und die „imperiale Lebensweise“ nicht verallgemeinerbar. Daher gilt: „Wer wirklich allen Weltbürgern eine materiell gesicherte Existenz, ein Mindestmaß der Verfügung über das eigene Lebensschicksal und die Chance auf ein friedvolles gesellschaftliches Zusammenleben wünscht, der muss die Externalisierungsgesellschaft in Frage stellen – damit kapitalistische Funktionsprinzipien im Allgemeinen und den globalen Kapitalismus als System ungleichen Tauschs im Besonderen.“ (113f.)

Das 4. Kapitel thematisiert die von der „Externalisierungsgesellschaft des Nordens“ festgesetzten Regularien und Formen der internationalen Mobilität. Hier liegt die grundsätzliche Asymmetrie darin, dass sich die „Zentren des Wohlsstands“ eine fast unbeschränkte Mobilität nach „Außen“ zubilligen und absichern, während die Mobilität von „Außen“ nach „Innen“, das heißt in die Wohlstandszentren, mit allen Mitteln eingeschränkt und äußerst selektiv gehandhabt wird. Dies Grundmuster spielt der Verfasser an verschiedenen mit internationaler Mobilität verbundenen Realitätsphänomenen durch: Ferntourismus, Reisepässe, Staatsbürgerrechte, Tolerierung des zeitlich begrenzten Zuzugs „preiswerter“ Pflegekräfte und schließlich die Flüchtlingskrise. Gerade letztere (wie beim Klimawandel und anderen Dingen) könne als „Ausdruck einer neuartigen Form der Stofflichkeit, der Spürbarkeit, der Sichtbarkeit der Externalisierungsgesellschaft – und ihres Preises(es)“ (167) begriffen werden.

Im fünften und Schlusskapitel resümiert Lessenich die wichtigsten Ergebnisse seiner Studie, unterstreicht, dass jüngste Tendenzen, wie z.B. die Flüchtlingszuwanderung, zeigten, dass die Zeit der relativen Unsichtbarkeit der negativen Seiten der Globalisierung und der Externalisierungspraktiken zu Ende gehe, das Pendel zurück zu schlagen neige und „die Externalisierung …nach Hause (komme) (184). Ein Wegsehen, Verdrängen und ein „weiter so“ in der Politik werde immer weniger möglich und im „aufgeklärten Eigeninteresse“ (188) der Bevölkerung des „Nordens“ zunehmend irrational und katastrophenträchtig. Dagegen eine kollektive Handlungsperspektive zu entwickeln sei aber angesichts der komplexen Konstellation und notwendiger Änderungen im Alltagsverhalten großer Bevölkerungsteile und bedeutender Umverteilungsprozesse von Ressourcen, Rechten etc. (von „oben“ nach „unten“) im nationalen und internationalen Raum überaus schwierig. Nur über eine „kollektive Selbstverständigung“ und einer daraus folgenden „kollektiven Selbstermächtigung“ sei ein gemeinsames Handeln „im Sinne der Herstellung solch gleicher Lebenschancen (möglich) – aufbauend auf einer überlokalen und transnationalen Allianzbildung zwischen vielen tausend Initiativen und Organisationen, Netzwerken und Bewegungen, die heute schon, im globalen Süden wie im globalen Norden, für eine Welt der gleichberechtigten Lebensführung aller Menschen streiten.“ (194).

Die Abhandlung Lessenichs kann politisch und wissenschaftlich als ein höchst relevantes, anspruchsvolles und dringendes Unternehmen qualifiziert werden. Sie analysiert in vielen Dimensionen zutreffend und empirisch gehaltvoll die Machtasymmetrien zwischen „dem Norden“ und „dem Süden“ sowie die sie in Bewegung haltenden direkten und indirekten Ausbeutungsmechanismen in sehr verdienstvoller Weise. Die „weltgesellschaftliche“ Perspektive ist gegenüber den gedanklichen „Produkten“ des „methodologischen Nationalismus“ sehr beachtlich und kann zu einer (überlebenswichtigen) Erkenntnisvermehrung beitragen. Dies alles garantiert aber nicht automatisch und per se, dass der kritische Leser mit allem einverstanden sein muss. Von den Fragezeichen, die die Lektüre begleiten, seien einige bezeichnet:

(1) Die alte und immer umstrittene These vom antagonistischen und sich wechselseitig konstituierenden Gegensatz von (kapitalistischer) Entwicklung und (kapitalistisch verursachter) Unterentwicklung ist m.E. insoweit zu differenzieren, als die kapitalistische Entwicklung in den Metropolen („des Nordens“) zwar von der Ausbeutung und der Unterordnung der Kolonien/ Halbkolonien bzw. den heute formell unabhängigen Staaten profitierte und gegenwärtig weiter profitiert, aber deren erhebliche Vorsprünge in der Reichtumsproduktion, dem relativen gesellschaftlichen Wohlstand nicht ausschließlich und hauptsächlich darüber zu erklären ist. Vielmehr sind die Mechanismen der kapitalistischen Akkumulation, der systematischen „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter) und beständigen Produktivitätssteigerung und der Binnenmarktvertiefung etc. hierfür mindestens ebenso verantwortlich bzw. als Determinante in Rechnung zu stellen.

(2) Eine andere Frage ist, ob heute noch – im Zeichen rasanter Machtverschiebungen und Differenzierungen in der Weltwirtschaft und Weltpolitik (Aufstieg bedeutender Schwellenländer etc.) – so eindeutig und pauschal vom „globalen Süden“ gesprochen werden kann und zweitens auch heute noch vom „Süden“ und den südlichen Gesellschaften/Staaten als rein passiven Elementen des Weltsystems, also nur in der Objekt- und Opferrolle verharrenden Entitäten, ausgegangen werden darf. Auch hier scheint die verzweigte und differenzierte entwicklungstheoretische Debatte – für Lessenich offenbar vernachlässigenswert – keine Berücksichtigung gefunden zu haben.

(3) Die Rede von „der imperialen Lebensweise“ (107ff), die in der „Externalisierungsgesellschaft“ herrsche bzw. ausschließlich anzutreffen sei, stellt m.E. eine Vereinfachung und künstliche Homogenisierung sehr verschiedener Lebensweisen dar, welche nur in einer außerordentlich großen Abstraktionshöhe des Denkens und Betrachtens nachvollziehbar ist. Das gleiche gilt für den nun durch L. eingeführten Terminus vom „Externalisierungshabitus“ als „einer von Individuen wie Kollektiven – Statusgruppen und Sozialmilieus, Nationalgemeinschaften und letztlich ganzen Weltregionen – habituell vollzogenen Praxis der Auslagerung der Kosten ihrer Lebensweise auf Dritte und der gleichzeitigen Ausblendung ebendieses Strukturzusammenhangs aus ihrer alltäglichen Lebensführung.“ (61f.) Gerade angesichts zunehmender Polarisierungstendenzen in fast allen „Metropolenländern“ dürfte sich dies nicht nur für prekarisierte und dauerhaft verarmte und wachsende Bevölkerungssegmente merkwürdig anmuten. (Man weiß nicht, ob sich Bourdieu – in diesem Punkt – darüber gefreut hätte, endlich vom Joch und den Scheuklappen des „methodologischen Nationalismus“ befreit worden zu sein.)

(4) Die häufige Versicherung, dass dies – angesichts objektiver Zwänge und der Einbettung dieser Bevölkerungsteile in die Gesellschaften „des Nordens“ – nicht im Sinne moralischer Verurteilung gemeint sei, kann nicht wirklich überzeugen. Nicht nur, weil häufig gerade moralisierende Formulierungen auftauchen (z.B. 115), sondern weil die tiefgreifenden nationalen Klassenunterschiede und -gegensätze damit – trotz gegenteiliger Versicherungen – tendenziell eingeebnet oder als sekundär eingeordnet werden.

Ungeachtet dieser Bedenken wäre dem Buch eine breite Resonanz zu wünschen, verbunden mit der Hoffnung, dass seine Provokationen eine nachhaltige politische Diskussion auszulösen vermögen.

Dieter Boris

Kabinettstücke aus der Welt des Geldes

Ulrich Busch, Die Welt des Geldes. Zehn Essays zur monetären Ökono-mie. Verlag Welttrends. Potsdam 2016. 344 Seiten. 24,90 Euro

Ulrich Busch, Finanzwissenschaftler und Mitglied der Berliner Leibniz-Sozietät, hat aus der Fülle seiner Publikationen über geld- und finanztheoretische sowie theoriehistorische Fragen zehn Beiträge ausgewählt und in einem Essay-Band neu veröffentlicht. Obwohl der Titel des Buches das Geld in den Mittelpunkt stellt, hat der Autor nicht nur und natürlich nicht alle Arbeiten, die seine geldtheoretischen Positionen besonders verdeutlichen – darunter auch in der „Z“ publizierte – aufgenommen, sondern eher jene Artikel, die Zeugnis von Breite und Vielfalt seiner Interessen ablegen.

Der Band beginnt mit der Darstellung der geldtheoretischen Positionen des Italieners Ferdinando Galiani (1728 – 1787) und des „vorkapitalistischen Antikapitalismus“ des deutschen Philosophen Johann Gottlieb Fichte (1762 – 1814). Im dritten Beitrag fördert der Ökonom (sic!) Busch Erstaunliches über das Verhältnis des Musikgenies Richard Wagner (1813 – 1883) zum Geld zutage: Dessen Gedanken kreisten nicht nur in seinem Werk beständig um den Mythos des Goldes. So genial er die mystische Welt des Goldes in Musik und Text des „Ring“ reflektierte und der Hoffnung auf einen Sieg über die Macht des Geldes Ausdruck verlieh, so groß war sein Genie beim Anzapfen finanzieller Quellen bei den Mächtigen des Geldes. Über die Analyse von Georg Simmels (1858 – 1918) Geldverständnis – und dessen Bezüge zur Geldtheorie von Marx – und Joseph Alois Schumpeters (1883 – 1950) Innovationstheorie, in der die Kreditgeldschöpfung eine zentrale Rolle einnimmt, über die DDR-Kreditbilanz von 1989 und Gottfried Haberlers (1900 – 1995) Krisenanalyse sowie die jüngste Weltwirtschaftskrise gelangt Busch schließlich zu den aktuellen Fragen des Finanzmarktkapitalismus, der Zukunft der Banken und die Diskussion über die Einführung eines sogenannten Vollgelds. Vieles ist für den Rezensenten ein Gewinn an Wissen und Erkenntnis, darunter auch manche Entdeckung, und in Vielem kann er Busch zustimmen. Zwei Themen dieses Konvoluts an Kabinettstücken seien etwas näher beleuchtet: Die Darstellung und Interpretation von Schumpeters Innovationstheorie und Buschs Auffassung vom Finanzmarktkapitalismus und seinem Geld.

Schumpeter unterscheide sich vom Mainstream des ökonomischen Denkens im 20. Jahrhundert grundlegend dadurch, dass er an die Stelle der Analyse von Gleichgewichten den Wirtschaftsablauf als einen „Entwicklungsprozess“ setzte, „als beständige Evolution und fortgesetzten Wandel, dessen Akteure Unternehmer und dessen entscheidende Quelle Innovationen sind.“ (129, Hervorhebung Busch) . Am besten drücke sich dies in der Metapher von der „schöpferischen Zerstörung“ (127) aus. Schumpeter gebühre das Verdienst, der Rolle des Unternehmers für Innovationen und deren Diffusion und der Banken für deren Finanzierung herausgestellt zu haben und dabei als erster Ökonom die im Prozess der Kreditierung erfolgende Geldschöpfung „aus Nichts“ zur Grundlage seiner Theorie gemacht zu haben. (148) Obwohl er die Produktion von Mehrwert ausgeklammert habe, sei diese Theorie „zeitgemäß“, was Busch auch dadurch zu unterstreichen sucht, dass er die aktuelle Situation auf den Gebieten von Innovation und Investition mittels ihres Begriffsapparates zu analysieren versucht. Den Rezensenten irritieren an der Darstellung von Schumpeters Theorie zwei Aspekte: Erstens blendet Busch vollständig Schumpeters Auffassung über das historische Schicksal des kapitalistischen Innovationsystems aus. Mit keiner Silbe wird erwähnt, dass in demselben Werk, in dem der Begriff der „schöpferischen Zerstörung“ erstmal verwendet wird – in „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ von 1942 – auch vom „Veralten der Unternehmerfunktion“, von der „Zerstörung“ und der „Zersetzung“ der kapitalistischen Institutionen, von „schwindender Investitionschancen“ geschrieben und der Übergang zum Sozialismus aus Erfordernissen des Innovationsgeschehens heraus prognostiziert wird. Eine Darstellung von Schumpeters Innovationstheorie kann diese Auffassung – gleichgültig, ob sie geteilt oder angesichts des Scheiterns des Sozialismus auch an seiner Innovationsarmut nicht geteilt wird – nicht einfach ignorieren; sie ist ein inhärenter Bestandteil seiner Theorie. Zweitens: Obwohl Busch die engen Bezüge zwischen Marx und Schumpeter hervorhebt, schießt er bei der Betonung dessen, was bei Letzterem neu ist, wohl doch etwas über das Ziel hinaus. Schumpeter habe Marx Analyse „dahingehen fortgeführt, dass er die Dynamik nicht auf äußere Einflüsse zurückführte, … sondern endogen erklärt“ (134). Marx habe die Faktoren, die das Wachstum hervorrufen, „nur am Rande behandelt.“ (128). Da reibt man sich verwundert die Augen. Marx war wohl überhaupt der Erste, der Wachstum, Erfindungen und Produktivkräfteentwicklung aus dem kapitalistischen Prozess heraus erklärt hat und nicht als „Manna von Himmel“ betrachtete. Schumpeter verweist in dem Kapitel, wo er den Begriff der „schöpferischen Zerstörung“ einführt – die er übrigens ausdrücklich nicht schlechthin mit „Dynamik“, sondern mit der kapitalistischen „Entwicklung“ gleichsetzt – explizit darauf, dass dies „schon längst von Karl Marx hervorgehoben worden war“. (J. A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Tübingen 1987, S. 136) Und diese Entwicklung schließe letztlich Stagnation und Selbstzerstörung des Kapitalismus ein und keineswegs eine womöglich ewige Dynamik.

Auch die Betonung des Kredits für die kapitalistische Entwicklung durch Schumpeter ist keineswegs originell. Der ganze Band II des „Kapital“ von Marx dreht sich – übertrieben formuliert – um die Frage, woher das Geld kommt, das für die erweiterte Reproduktion benötigt wird. Rosa Luxemburg glaubte später, es bedürfe dazu einer nichtkapitalistischen Sphäre, aber Marx Antwort lautet unter anderem: Kredit. Dieser werde nicht bloß aus dem zeitweilig brachliegenden Geldkapital finanziert. „Es ist ferner möglich, dass dies latente Geldkapital bloß in Wertzeichen besteht – wir sehen hier noch vom Kreditgeld ab – oder in bloßen, durch legale Dokumente konstatierten Ansprüchen (Rechtstiteln) der Kapitalisten auf … zukünftige, zuschüssige jährliche Produktion der Gesellschaft.“ (MEW 24, S. 323f). Das Kreditsystem ist nach Marx „die Triebfeder der kapitalistischen Produktion“, aber eben auch der „Haupthebel der Überproduktion und Überspekulation“ (MEW 25, S. 457). Schumpeters Leistung, der wesentliche, von Marx angesprochene und analysierte soziale Zusammenhänge im Innovationsprozess gar nicht thematisierte, bestand weniger in der Entdeckung dieser Zusammenhänge, als darin, dass er ihre Darstellung in manchen Fragen unter den Bedingungen des beginnenden 20. Jahrhunderts vertieft und erweitert hat und ihre Analyse in der herrschenden ökonomischen Lehre, in deren Rahmen sie sich bewegt – obwohl er in gewisser Hinsicht ein Außenseiter blieb – hoffähig machte Der Innovationsprozess spielte im Mainstream, sowohl in Neoklassik wie Keynesianismus, noch lange nach Schumpeter eigentlich überhaupt keine Rolle. Diese einschränkenden Worte zur Bedeutung Schumpeters stehen nicht im Widerspruch zu der Feststellung, dass heute eine zeitgemäße Innovationstheorie an Schumpeter nicht vorbeikommt und selbstverständlich weit über Marx hinausgehen muss.

Für besonders lesenswert hält der Rezensent Buschs Ausführungen über den Finanzmarktkapitalismus. Er ordnet dessen Entwicklung in die Geschichte des Kapitalismus ein und zeigt die Beziehungen zwischen dem von Rudolf Hilferding, später von Wladimir I. Lenin und anderen analysierten Begriff des Finanzkapitals auf. Im Unterschied zu mancher Propaganda gegen das Finanzmarktsystem geht er von dessen Funktionalität und Ambivalenz im gegenwärtigen Kapitalismus aus und fragt dann, welchen Reformen es unterworfen werden müsste, um seine „Blindheit gegenüber den langfristigen Lebensinteressen der Menschheit, … den nachhaltigen Produktionszielen und sozialer Gerechtigkeit“ (251) zu verringern oder zu bannen. Besonders optimistisch sind seine Aussagen dazu freilich nicht, denn die „Politik“ habe der „Unsicherheit“ und „Instabilität“ der Gesamtwirtschaft, möglicherwiese Indizien für eine „Systemkrise“, wie Busch schreibt, „kaum wirklich etwas entgegenzusetzen.“ (246, 247)

Die Frage danach, was Geld ist, zieht sich wie ein roter Faden durch den Sammelband. Das heutige Geld sei „inkonvertibles Kreditgeld“. Mit der Abkehr vom Bretton-Woods-System und der Aufhebung der gesetzlichen Pflicht zur Einlösung des Dollars gegen Gold sei der im Ersten Weltkrieg begonnene historische Prozess der Demonetisierung des Goldes abgeschlossen worden. Geld werde nunmehr aus dem „Nichts“ geschaffen, es ist eine zirkulierende Forderung der Gläubiger an Schuldner. Nicht die Funktion des Geldes als Tauschmittel sei prioritär, diese sei nunmehr unter seine Zahlungsmittelfunktion subsumiert (268). Um dies zu verstehen, müsse zwischen Marx‘ Ausführungen zum Geld im ersten und dritten Bande des “Kapital“ sorgfältig unterschieden werden. (269f) Dieser Hinweis bedeutet allerdings nicht, dass Busch der Marxschen Geldbestimmung folgt. Er favorisiert vielmehr die Theorie der Schaffung des Geldes aus dem „Nichts“, der heute vor allem vom Monetärkeynesianismus vertretenen Geldtheorie. Im Unterschied zu dieser, so Busch, bestimme Marx die Funktionen des Geldes „als Maß der Werte und Maßstab der Preise sowie Zirkulations- resp. Tauschmittel als Grundfunktionen des Geldes.“ (268 Fn.8).

Busch bezieht damit in der seit zweihundert Jahren anhaltenden Diskussion über das Wesen des Geldes Stellung. Seine Darlegung wirft beim Rezensenten freilich Fragen auf. Die wichtigste lautet: Wenn es keine Geldware mehr gibt, kann dann das Geld noch Maß der Werte sein? Um Maß zu sein, müsste das Medium zumindest in einer Hinsicht die gleiche materielle Natur wie das zu Messende haben. Es muss nicht immer gegenständlich vorhanden sein, so wie früher niemand das Pariser Urmeter in die Hand nehmen musste oder heute die als Maß verwendete Distanz, die das Licht in einer bestimmten Zeit zurückliegt, bestimmen müsste, um die Länge seines Schreibtisches zu messen. Aber Maß der Werte von Waren mit Gebrauchswert und Wert kann nur etwas sein, was selbst Ware ist, wobei es durch Repräsentanten vertreten werden kann. Die sogenannte „Geldschöpfung“ der Banken aus dem „Nichts“ besteht in der Kreierung von Forderungen, die während ihrer Laufzeit wie Geld zirkulieren können. Urformen dafür sind Kreditverbriefungen und der Wechsel. Die Formulierung „aus dem Nichts“ erinnert zunächst an Marx‘ Begriff des fiktiven oder „rein illusorischen“ Kapitals (MEW 25, S. 484), das ja auch aus dem „Nichts“ geschaffen wird und manchmal sogar ein „Minus“ verkörpert, wie er schreibt (Ebenda, S. 483). Aber dieses Kapital ist, wie der Wechsel oder ein Kredittitel, kein Geld, es ist nicht allgemeines Äquivalent. Und sollen die im Bankbereich geschaffenen Forderungen liquidiert werden, erfolgt dies letztlich mittels barem oder giralen Zentralbankgeld, das als allgemeines Äquivalent anerkannt ist. Auch dieses ist eine Forderung, ein Kredit mit einer scheinbar unendlichen Laufzeit, zumindest solange es im Inland gesetzliches Zahlungsmittel ist. Aber anders als bei allen anderen Forderungen steht hinter ihm, wie Friedrichs Engels im Band III des „Kapital“ schreibt, „die gesamte Nation“ (MEW 25, S. 57); heute würde man sagen, die Zentralbank als „lender of last resort“. Und was passiert, wenn das Vertrauen in dieses inkonvertible Kreditgeld international verloren ginge und diese auf dem Weltmarkt als Geld zirkulierenden Forderungen der Zentralbank präsentiert würden? Wenn die emittierende Zentralbank alle ihre Reserven, Forderungen, die auf ausländische, international anerkannte Währungen lauten, aufgebraucht hat, müsste sie diese Forderungen mit Gold ausgleichen – zumindest in friedlichen, gewaltfreien Zeiten. Niemand, der bei Troste ist, würde in dieser Situation „Nichts“ als Äquivalent akzeptieren. Deshalb halten die Zentralbanken auch alle am Gold als Reserve fest; es ist das Geld, wenn alle Stricke reißen, Geld in letzter Instanz und Verkörperung von Wert, auch wenn die Fäden der zirkulierenden Zeichen zu ihm unsichtbar sind. Manchmal wird zum Zahlungsbilanzausgleich tatsächlich „die Nation“ herangezogen, man denke an die beständig devisenklamme DDR, die dann schon mal Antiquitäten verhökerte oder an die späte Sowjetunion in den 1990er Jahren, die Schürflizenzen an ausländische Unternehmen verkaufte, und, als das nicht reichte, auch Gold zum Ausgleich ihrer Zahlungsbilanz auf den Markt warf. Busch thematisiert diese Frage der Wesensbestimmung des Geldes als Maß der Werte nicht weiter. Ob er den Wertbegriff vielleicht überhaupt für überflüssig hält (dann freilich bedarf es auch keines Geldes als Wertmaß), wie das im Keynesianismus generell der Fall ist – Joan Robinson nannte ihn eine der Ökonomie angehängte „falsche Braut“ – kann anhand des ansonsten lesenswerten Sammelbands nicht definitiv gesagt werden.

Jürgen Leibiger

Geld im interdisziplinären Kontext

Karl-Heinz Brodbeck, Silja Graupe (Hg.), Geld! Welches Geld? Geld als Denkform, Marburg 2016, Metropolis-Verlag, 314 S., 34,80 Euro

Jürgen Kremer, Geld ohne Schuld. Geldsysteme und Vollgeldreform, Marburg 2016, Metropolis-Verlag, 75 S., 9,00 Euro

Mit der Publikation des als zehntem Band in der Reihe „Kritische Studien zu Markt und Gesellschaft“ von Karl-Heinz Brodbeck und Silja Graupe herausgegebenen Sammelbandes wird das Ziel verfolgt, den „mentalen Spuren des Geldverkehrs“ in der Philosophie und im Alltag nachzugehen. Als Ausgangspunkt dafür dienten den Autoren die globale Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die Krise der Wirtschaftswissenschaften. Ein Aspekt, der für beide Krisen ursächlich eine Rolle spielte, sei, so die Herausgeber, die „ungeklärte Stellung des Geldes“ (7). Um hier zu größerer Klarheit zu kommen, setze aber die Erkenntnis voraus, dass die Spuren des Geldverkehrs keineswegs allein in der Wirtschaft auszumachen sind. Vielmehr sind diese bereits in der „Denkform“ enthalten, die unserer Geldwirtschaft vorausgesetzt ist.

Während das Geld in den Modellen der neoklassischen Theorie keine Rolle spielt, formt es als „Maske“ und als „Instrument der Quantifizierung“ unseren Blick auf die Welt. Einer Reformierung des Geldverkehrs zum Zwecke der Therapierung unseres Geldsystems müsse daher eine „tiefer greifende Diagnose“ vorausgehen, welche deutlich macht, dass die Finanzialisierung inzwischen die gesamte Gesellschaft überlagert und die reale Wirtschaft in ihren Dienst genommen hat. Die Dominanz „der Ratio über den Logos“ (336), des rechnenden Denkens über die Vernunft, aber bleibt nicht ohne Folgen für das Denken, die Psyche, die Sprache und die Philosophie. Hier nun setzt das Buch an, indem es in insgesamt elf Beiträgen grundlegende Fragen des Geldes, seines Einflusses auf das Denken sowie die theoretischen Hintergründe und die sozialen Folgen, behandelt. Dabei wird die Analyse des Geldes als „rechnende Denkform“ durch die Betrachtung desselben als „soziale Institution“ und als „Vergesellschaftungsform“ ergänzt (10). Hieraus folgt, dass es nicht nur als „Denkweise“, sondern zudem auch als „Lebensweise“ aufzufassen ist, wodurch sich der Horizont geldtheoretischer Untersuchungen beträchtlich erweitert. Dem entspricht die Anlage des Buches: Die Dominanz der Geldökonomie über die menschliche Lebenswelt zeigt sich in der Mathematik, in den Naturwissenschaften, in der Ökonomie, der Soziologie und der Philosophie, aber nicht weniger in der Musik, der Literatur und der Theologie. Dies nachzuweisen ist Aufgabe sehr komplexer und differenzierter Forschungen. Der von Karl Marx erkannte Fetischcharakter des Geldes zeigt sich aber gerade darin, dass das Geld seine Spuren zu verschleiern versteht und sich sein Einfluss auf das Denken mithin nicht offen zeigt, sondern mühsam herausgefiltert werden muss. Dies gelingt den Autorinnen und Autoren in unterschiedlichem Maße. Nicht zuletzt bietet ihr Vorgehen auch Ansätze für methodische Alternativen hinsichtlich der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung.

Der vorliegende Band dokumentiert die Beiträge einer Tagung vom Mai 2015 in Bernkastel-Kues, er weist zugleich aber darüber hinaus, indem neben dem aktuellen Wissensstand auch neue Fragestellungen entwickelt werden. Theoretisch wird das Ganze vor allem von zwei großen Aufsätzen von Karl-Heinz Brodbeck, flankiert von einigen Thesen aus den Essays von Walter Otto Ötsch und Silja Graupe, getragen. Demgegenüber erweisen sich die anderen Texte des Buches zwar als nicht weniger interessant; für das eigentliche Thema jedoch sind sie eher von komplementärer Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Aufsätze zu den „Gaben“, für die Essays zu Georg Simmel und Franz von Baader sowie über die Studie zum frühgriechischen Denken. Brodbeck überzeugt mit seiner Aussage, wonach des „Rechnen in Geld“ heutzutage zur „bestimmenden Denkform“ geworden ist (33). Geld verbindet Menschen in ihrem Handeln auf spezifische, eben rechnende Art und Weise und prägt dabei zugleich deren Vereinzelung, ihre Verwandlung in „Geldsubjekte“ (34). Das Geld ist für ihn mithin kein „Ding“, sondern „ein endlos vermittelter sozialer Denkprozess der Rechnung in Geldeinheiten“ (41). Hieraus folgt so etwas wie eine „Metatheorie des Geldes“, welche, indem sie an nominalistische Geldvorstellungen anknüpft, dieses schließlich als „Denkform“ begreift, als „Rechnungsform“, als „Ratio“, welche im historischen Prozess mehr und mehr andere Denkformen überlagert und heute unser Denken bestimmt (303): „Das Geld ist eine Denkform, aber nicht nur eine Denkform der Wirtschaft, sondern als Ratio die Struktur der Moderne, auch der Wissenschaften.“ (306) Ob sich diese Position, welche das geldmäßige Denken mit dem Geld gleichsetzt, in der Debatte behaupten wird, muss die Zukunft zeigen. Das Bemühen, zur Erklärung dieser These Parallelen in anderen Disziplinen zu finden, führt zum Phänomen des Sprechens und der daraus hervorgehenden Sprache. Hierzu finden sich bemerkenswerte Einsichten z.B. auch bei Sybille Krämer. Während diese Beiträge vor allem analytisch angelegt sind, versucht Silja Graupe aus dem „Denkgefängnis“ der Ökonomie und des Geldes auszubrechen, indem sie eine grundlegende Wandlung von Tauschprozessen anregt beziehungsweise „gänzlich andere Formen der Sozialität“ an seine Stelle treten lassen will (146). Walter Werner Ötsch untersucht in seinem lesenswerten Aufsatz zu Homogenisierungsprozessen in der beginnenden Neuzeit Abstraktionsprozesse in Wissenschaft und Kunst und führt diese auf den Geldverkehr und das damit verbundene Denken in Geldbegriffen zurück. Insgesamt vermittelt der Band vielfältige und zum Teil auch neue Einsichten in unsere Geldgesellschaft. Ein Brückenschlag zur ökonomischen Forschung erfolgt jedoch nur ansatzweise in einigen Beiträgen. Zu groß sind hier offenbar noch die Berührungsängste auf beiden Seiten, als dass schon in einen produktiven Dialog eingetreten werden könnte.

Von gänzlich anderer Art ist die zweite hier vorzustellende Publikation, obgleich sie mit dem Geld ebenfalls ein ökonomisches Thema aus einer ungewöhnlichen Perspektive behandelt. Seitdem die Finanz- und Bankenkrise der Weltwirtschaft tiefe Wunden geschlagen hat, ist eine Diskussion darüber in Gang gekommen, wie nicht nur das Bankwesen reformiert, sondern zugleich auch das Geldsystem grundlegend neu gestaltet werden kann.1 Ein Vorschlag, der in diesem Zusammenhang Furore gemacht hat, beinhaltet die Umstellung der Geldordnung von Kreditgeld auf Vollgeld. Die diesem Konzept zugrundeliegende Idee ist nicht neu. Ähnliche Konzepte wurden bereits in den 1930er Jahren in den USA und in Europa diskutiert. In den letzten Jahren erfolgte jedoch eine Aktualisierung und Modifizierung der ursprünglichen Idee, wodurch ihre Verbreitung und Popularisierung spürbar gefördert worden ist. In Deutschland trugen insbesondere die Arbeiten von Joseph Huber, Raimund Dietz, Thomas Mayer, Norbert Häring, Timm Gudehus, Helge Peukert und Sandra Schmidt2 dazu bei, dem Vollgeldkonzept größere Aufmerksamkeit und Popularität zu verschaffen. Mit der jetzt von Jürgen Kremer vorgelegten Broschüre kommt eine weitere Veröffentlichung hinzu, die ganz sicher ihre Leser finden wird. So mancher Rezipient wird davon vielleicht aber auch enttäuscht werden, denn was der Mathematikprofessor Kremer hier vorlegt, ist keine populärwissenschaftliche Beschreibung des Vollgeldsystems, sondern eine sehr knapp gehaltene buchhalterische Darstellung verschiedener virtueller und realer Modelle einer Geldwirtschaft. Um den Text zu verstehen bedarf es daher nicht unbedingt volkswirtschaftlicher Vorkenntnisse, ganz sicher aber bestimmter Grundkenntnisse der doppelten Buchführung und der Bilanzierung. Die Darstellungsmethode Kremers ist denkbar einfach: Er unterscheidet fünf Geldsysteme bzw. geldwirtschaftliche Modelle, davon vier virtuelle und ein reales. Nach einer kurzen Charakteristik der jeweiligen Besonderheit der einzelnen Systeme werden bestimmte Transaktionen, und zwar immer die gleichen, buchhalterisch „durchgespielt“ und das Ergebnis dann am Ende mit wenigen, sehr knappen Worten interpretiert. Die wirtschaftliche Realität spielt in diesen Modellen keine Rolle, ebenso wenig volkswirtschaftliche Zusammenhänge, ökonomische Wirkungen, geldpolitische Spielräume oder Entscheidungen. Es ist eine auf das buchhalterische Abbild reduzierte Welt monetärer Transaktionen, die hier dargestellt wird und die helfen soll, die Unterschiede der einzelnen Geldsysteme zu begreifen. Methodisch ist gegen eine solche Darstellung nichts einzuwenden, gemessen an den Bedürfnissen der meisten Leser jedoch dürfte sie als sehr abstrakt erscheinen. Es fehlen konkrete Beispiele und wirtschaftliche Konsequenzen, wodurch das Ganze plastischer und lebendiger werden würde.

Die alles entscheidende Differenzierung, die vom Autor getroffen wird, ist die zwischen Bestands- und Kreditgeldsystemen. Zu ersteren zählt er Bargeld- und Giralgeld-Regime sowie das Vollgeldregime, zu letzteren Kreditgeldregime und unsere derzeitige Geldordnung, welche ein gemischtes Kreditgeldsystem ist.3 Er beginnt seine Abhandlung mit der Analyse eines Geldregimes, in dem ausschließlich Münzen existieren. Die für die buchhalterische Abbildung der Transaktionen erforderlichen Konten repräsentieren mithin Münzgeldbestände in den Tresoren der Banken. Das Geld, das hier zirkuliert, ist Aktivgeld, da es bilanziell auf der Aktivseite der Bankbilanzen verbucht wird. Eine Kreditvergabe setzt Ersparnisse voraus. Diese erscheinen als Stilllegung von Geld, so dass eine Kreditvergabe keine Veränderung des Geldbestandes bewirkt. Der Autor kommt in seiner Darstellung ganz ohne Zentralbank aus, führt diese dann aber überraschend am Ende doch noch ein (19), um zu zeigen, dass sein Modell letztlich die Zirkulation des Geldmengenaggregats M1 abbildet. Dies lässt einige Fragen offen, denn M1 existiert nur als Teilmenge eines größeren Geldmengenaggregats, z.B. von M3. Deshalb überzeugen die Aussagen zur Geldmengensteuerung (22) nicht wirklich. Als nächstes wird ein Giralgeld-Regime behandelt. Dies sei, so die Prämisse, dem Münzgeldregime „vollkommen äquivalent“: „Ob Guthaben eine physische Existenz besitzen oder lediglich als Bestände in Datenverarbeitungssystemen verwaltet werden, spielt […] keine Rolle. Wichtig ist eine fehlerfreie, fälschungssichere und komfortable Realisierung.“ (24) Durch Kredite werden auch hier keine Geldbeträge erzeugt, also kein Geld geschöpft, sondern „nur Forderungen“ in Gestalt „zusätzlicher Guthaben“. Dafür werden über Sparprozesse andere Guthaben stillgelegt, so dass der passivseitige aggregierte Guthabenbestand immer durch den aktivseitigen Bestand an Zentralbankgeld limitiert ist. Es folgt das Gegenmodell, ein System von Giralgeld, jetzt aber nicht als Bestandsgeld, sondern als Kreditgeld. Geld existiert hier in Gestalt von „per Kredit erzeugten Guthaben“, gedeckt „durch dingliche Sicherheiten“ (27). Den Ausgangspunkt bilden Kredite, die passivseitig als Eigenkapital gebucht werden. Aktivseitig werden die aus der Kreditvergabe resultierenden Forderungen gegen Vermögenswerte getauscht. Die Folge ist, dass sich auf den Aktiva der Geschäftsbanken kein Geld befindet, sondern lediglich Forderungen. Die Geldmenge M1 besteht aus den aggregierten Guthaben der Bankkunden bzw. aus diesen und den auf Geldkarten gespeicherten Beträgen. Zinsen lassen sich in diesem System ökonomisch nicht begründen (37).

Im vierten Kapitel wird schließlich „unser Geldsystem“ behandelt, aber nicht im Sinne einer Deskription der bestehenden Geldordnung, sondern als Synthese der zuvor dargestellten Modelle. Zentral ist die Feststellung, dass es sich hierbei dem Wesen nach um ein „Kredit-Geldsystem“ handele. „Da Buchgeld, d.h. Giralgeld, und Zentralbankgeld im Wesentlichen per Kredit geschaffen wird, ist unser Geldsystem […] ein Kredit-Geldsystem.“ (42) Mit dieser Aussage wird allen Goldgeld-, Geldstellvertreter- und Papiergeldvertretern sowie anders lautenden geldtheoretischen Meinungen eine Absage erteilt. Nichtsdestotrotz bleibt die Darstellung fragmentarisch. So erfolgt z.B. keine eindeutige Erläuterung der Zweistufigkeit des Bankwesens. Und es wird auch nicht deutlich genug herausgearbeitet, worin die ökonomische Rationalität des historisch gewachsenen „Modells“ eigentlich besteht. Stattdessen wird moralisierend argumentiert, indem darauf hingewiesen wird, dass die „hohe Staatsverschuldung“ in diesem System nur dann gesenkt werden kann, wenn sich die Verschuldung der privaten Haushalte oder der Unternehmen erhöht (43). Dass in dieser Darstellung der Sektor „Ausland“ fehlt, sei nur am Rande erwähnt. Im Folgenden wird die mit dem Kreditsystem unvermeidbare Verschuldung als hauptsächliche Funktionsproblem der bestehenden Geldwirtschaft ausgemacht. Da die Verschuldung mit der Zahlung von Zinsen verbunden ist, wird der Zins als eine weitere unliebsame Konsequenz des Kredit-Geldsystems benannt. Daraus folgt dann die als kritische Wertung des Ganzen zu verstehende und im Leibniz‘schen Sinne ironisch formulierte Feststellung: „Das bestehende System ist für Banken und für vermögende Geldeigentümer die profitabelste aller vorgestellten Alternativen.“ (49) Was liegt da näher als die revolutionäre Idee, dieses System so bald wie möglich und so radikal wie nötig umzugestalten. Als Alternative bietet sich dafür in den Augen des Autors das Vollgeldkonzept als „durchdachtes Reformkonzept für unser Geldsystem“ (9) an. Damit kommen wir endlich zum eigentlichen Thema, dem Vollgeld-System. Der Autor misst diesem Ansatz größte theoretische und geldpolitische Bedeutung bei, widmet ihm letztlich aber nur 12½ Seiten. Hierin erfolgt zunächst eine Abgrenzung der Vollgeld-Idee von dem 100%-Money-Konzept Irving Fishers, da dieses ein „Kredit-Geldsystem“ verkörpert, jenes aber ein „Bestands-Geldsystem“ sein soll. Anschließend referiert der Autor zentrale Aussagen des Vollgeld-Konzepts und legt dabei größten Wert auf die Feststellung, dass die Umstellung der Geldordnung ganz unkompliziert und ohne eine Währungsreform verlaufen könnte. Das überzeugt sicherlich niemanden. Fragwürdig, weil nicht genug ausgeführt und ökonomisch begründet, sind auch solche Aussagen, wie die, dass die Zentralbank die für Überweisung auf Vollgeld-Konten benötigten aktivseitigen Zentralbankgelder „in voller Höhe und zinslos […] per Kredit zur Verfügung“ stellt (57)! Ist das Vollgeld damit also doch Kredit-Geld? An anderer Stelle steht, dass das Geld „zins- und tilgungsfrei als Bestand bereitgestellt“ wird (56). Das wäre dann aber gerade kein Kredit. Sei es wie es sei, am Ende steht die Hoffnung, über schuldenfreies Geld zu verfügen und auf diesem Wege einen „vollständigen Schuldenabbau“ zu erreichen. Auch Zinsen würde es nicht mehr unbedingt geben, weder auf Ersparnisse noch auf Kredite. Dafür aber Preis(niveau)stabilität.

Insgesamt könnte das Buch dazu beitragen, den Nebel, der über dem Geld und der Finanzsphäre liegt, weiter zu lichten und die Diskussion über alternative Geldkonzepte zu forcieren. Eine wirkliche Klärung der mit der Vollgeldidee verbundenen Fragen wird durch die Lektüre dieses Textes aber kaum erreicht werden. Dafür ist das Buch zu sehr von der Realität abgehoben und ist die Darstellung zu abstrakt konzipiert. Gerade beim Geld geht es um komplexe Zusammenhänge und komplizierte Wirkungen. Diese aber finden hier kaum ansatzweise Berücksichtigung. Die Lektüre lohnt sich trotzdem, vor allem, um die Klärung offener Fragen bei den Vollgeld-Protagonisten einzufordern.

Ulrich Busch

Alternativen zum Kapitalismus

Stephan Krüger, Wirtschaftspolitik und Sozialismus. Vom politökonomischen Minimalkonsens zur Überwindung des Kapitalismus. Kritik der Politischen Ökonomie und Kapitalismusanalyse, Bd. 3, Hamburg 2016, VSA-Verlag, 567 S., 34,80 Euro

Dem Leser liegt nunmehr der dritte, abschließende Band aus Stephan Krügers Reihe zur Darstellung, Komplettierung und Aktualisierung der marxistischen Analyse des zeitgenössischen Kapitalismus vor. Das Projekt ist so aktuell geblieben wie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des ersten Bandes im Jahre 2010, denn die zweite große Gesellschaftskrise des Kapitalismus, die 2007/08 mit einer Finanzkrise eingeleitet wurde, hält weiterhin an. Die historische Relativität des Kapitalismus ist seitdem noch deutlicher geworden, die Notwendigkeit eines erneuten Versuchs, sich mit der sozialistischen Alternative zu beschäftigen, offensichtlich.

Krügers neueste Abhandlung zum Thema Alternative zum realexistierenden Kapitalismus stellt einen Bruch dar mit der seit 1989/90 gängige gewordenen Auffassung, dass der moderne Kapitalismus die höchste, die unüberbietbare Gesellschaftsordnung sei, „das Ende der Geschichte“ bedeute, wie es Francis Fukuyama nach dem Zusammenbruch der UdSSR Anfang der 90er Jahre formulierte.

Tatsächlich handelt es sich um einen doppelten Bruch, denn Krügers Buch ist ebenso auch eine Absage an die Planwirtschaft des Realsozialismus, für ihn charakterisiert durch „Zerrbilder von Mangelwirtschaft, kollektivistischer Bevormundung und politischen Fehlleistungen“. (16)

Krügers Urteil gilt sowohl hinsichtlich der Eigentums- wie auch der Lenkungsstrukturen: An Stelle des einheitlichen Staatseigentums plädiert Krüger für pluralistische Eigentumsformen bei zahlenmäßiger Dominanz des Privateigentums und für marktwirtschaftliche Lenkungsformen, die – und nicht die Planungsbefehle – die Basis für die gesellschaftlichen Steuerung der Produktionsprozesse bilden.

Der Argumentation für die Beibehaltung der Lenkung über den Markt als Wirtschaftsweise im Postkapitalismus widmet Krüger – die Erfahrungen mit dem Realsozialismus verarbeitend – viel Platz. „Nichts wäre falscher“, argumentiert er, „als die Wahlfreiheit der Konsumenten als bloße Illusion abzutun oder sie mit Hinweis auf die Instrumentalisierungsversuche durch Marketing und Werbung zu diskriminieren.“ (384) Wir dürfen nicht vergessen, „dass die Entwicklung und Befriedigung von Bedürfnissen einen Akt der Individualitätsentwicklung darstellen, auf dessen direkte externe Untersagung durch politische Instanzen mit Widerwillen und Abwehr reagiert wird.“ (385) Man könne noch so scharfsinnig argumentieren. Aber es sei eben ein bedeutsamer Unterschied, ob der Einzelne, wie das in der Zentralplanwirtschaft der Fall gewesen sei – durch andere Subjekte – sprich Parteiführer – von der Artikulation und Befriedigung seiner Bedürfnisse ausgeschlossen wurde oder ob dieser Ausschluss durch die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse unpersönlich über monetäre Budgetrestriktionen hergestellt wird.

Doch die Notwendigkeit, sich auch im Postkapitalismus der Marktwirtschaft zu bedienen ergebe sich nicht nur zwecks Absicherung einer die Bürger befriedigenden Steuerung des Verbrauchs, sondern auch aus der Notwendigkeit die Produktion effektiver zu gestalten. Bringt doch „die Bewegung der Warenpreise näher bestimmt durch jeweiligen Angebots- und Nachfragelastizitäten für die Produzenten beständig neue Produktionssignale“, die es zu verarbeiten gilt. (387) Mit anderen Worten: „Die Flexibilität des gesamtwirtschaftlichen Preissystems ist auch und gerade für eine indirekte Steuerung der Marktverhältnisse eine wesentliche Anforderung und in die Konzipierung einer wirksamen Strukturpolitik von vornherein zu integrieren.“ (389). Diese könne besser indirekt, mit Hilfe gesetzlicher Rahmensetzungen und anderen „Einhegungen des Marktmechanismus“, als direkt vollzogen werden. Der Nutzung von Angebot und Nachfrage zuliebe müsste im Extremfall auch der Bankrott einzelner Privatunternehmen hingenommen werden.

Ausklammern aus der Wirkung von Angebot und Nachfrage möchte Krüger eigentlich nur den Arbeitsmarkt, der unter sozialen Gesichtspunkten so zu steuern sei, dass Arbeitslosigkeit nur noch friktionell auftritt sowie den Finanzmarkt, soweit seine Bewegungen gesamtvolkswirtschaftliche Auswirkungen haben.

Krüger wendet sich gegen das „linke Vorurteil“, dass die Produktivität im Postkapitalismus wegen sozialer Zielstellungen und Rücksichtsnahmen geringer sein werde als unter kapitalistischen Bedingungen. Den Kosten für soziale Rücksichtnahme gegenüber stände die größere Zufriedenheit der Beschäftigten mit den Arbeitsbedingungen, die die „Hebung des 'Goldes' in den Köpfen der unmittelbaren Produzenten und Anwendung ihrer praktischen Kenntnisse und Erfahrungen“ bewirke und die es ermöglichen werde, eingetretene Produktivitätsverluste „um ein Mehrfaches zu kompensieren.“ (393)

In diesem Produktivitätsvorteil liege die Basis dafür, argumentiert Krüger, “dass eine marktsozialistische Wirtschaftsweise nicht nur eine Übergangsform zu einer kommunistischen Gesellschaft ist, sondern eine stabile eigenständige Formation darstellt, in der sich eine gesellschaftliche Steuerung der Marktverhältnisse mit der Überwindung kapitalistischer Produktionsverhältnisse organisch verbindet.“ (425) Gerade dies unterscheide die sozialistische Marktwirtschaft von der realsozialistischen Planwirtschaft deren Steuerungsinstrumente „zentral-administrative Planung und ihr subordinierte und instrumentalisierte Marktverhältnisse dysfunktional und zunehmend ineffizienter wurden.“ (425)

Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch, ob und wie realsozialistische Staaten durch zunehmende Hinwendung zu marktwirtschaftlichen Steuerungselementen bestrebt waren, die Effizienz sozialistischen Wirtschaftens im Wettbewerb der Systeme zu steigern, um einem unrühmlichen Ende der Sozialismusversuche, wie sie in der UdSSR und Osteuropa schließlich eintraten, zu entgehen. Krüger befriedigt dieses Interesse. Der „sozialistischen Marktwirtschaft in der VR China“ sowie der „marktwirtschaftlichen Öffnung im sozialistischen Kuba“ widmet Krüger in diesem Zusammenhang im Kapitel 14 „Die gegenwärtig bestehenden sozialistischen Übergangsgesellschaften“ betitelt, Raum.

Krüger versichert dem Leser wiederholt, dass seine Auffassungen von der sozialistischen Marktwirtschaft kompatibel mit den Vorstellungen von Marx und Engels sind (16), was freilich auch die Ideologen der zentral-administrativen Planwirtschaft betont haben.

Doch bei allen unbedingt nachvollziehbaren konkreten Überlegungen Krügers dazu, wie der Marktsozialismus erfolgreich sein könne, fragt sich der Leser doch, wie der Übergang vom gegenwärtigen Kapitalismus zum Marktsozialismus zu bewältigen sei. Und vor allem: Wie soll man dessen Existenz nachhaltig sichern?

Im abschließenden 22. Kapitel „Formierung einer Koalition der Fortschrittlichen“ betitelt, setzt Krüger auf die – seiner Meinung nach in der gegenwärtigen Weltwirtschaftsflaute wieder stärker werdenden – Gewerkschaften, auf „neue soziale Bewegungen“, insbesondere „Occupy Wallstreet“ sowie andere Occupy-Bewegungen und auf „Blockupy“ Netzwerke sowie linke Parteien etwa vom Typ der „Syriza“ in Griechenland. Aufgabe dieser verschiedenen oppositionellen Gruppierungen sei es, sich durch Einigung auf einen politökonomischen Minimalkonsens mehrheitsfähig zu machen. „Der evolutionäre Übergang aus bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse zu einem demokratischen Marktsozialismus besteht aus vielen kleineren Schritte, die aber mit zunehmender Umsetzung an die Systemgrenze herankommen.“ Das werde natürlich, weiß Krüger, heftigen Widerstand bei den Verteidigern der kapitalistischen Ordnung hervorrufen. „Die Unumkehrbarkeit einer sozialistischen Transformation“, fährt Krüger fort, „kann auf diesem Wege nicht per Verfassungsdekret festgeschrieben und mit der zentralisierten Macht der politischen Exekutive durchgesetzt werden, sondern muss auf der beständigen Vergewisserung der kulturell-politischen Hegemonie der fortschrittlichen Kräfte gegenüber der bürgerlich-kapitalistischen Opposition gründen und aufbauen.“ (548)

Das ist eine eher vage als konkrete Antwort, untypisch eigentlich für Krügers Buch, das sich nicht nur durch das Ansprechen aller gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart und der Auswege darauf auszeichnet sondern in der Regel auch durch konkrete Argumentation.

Aber von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen: Die Lektüre von Krügers Buch beantwortet Fragen all jener, die sich darüber einen Kopf machen, wie es mit unserer Gesellschaft weitergehen soll, da der gegenwärtige Kapitalismus am Ende seiner Geschichte angekommen zu sein scheint. Viele von Krügers Antworten sind so plausibel, dass man sie sich ohne Bedenken wird aneignen können. In den wenigen anderen Fällen enthalten seine in der Regel konkreten, immer bis auf die Ebene der Wirtschaftspolitik hinabreichenden Antworten viele Anregungen, mit denen auseinanderzusetzen es sich lohnt. Um es mit einem Satz zu sagen: Ein sehr empfehlenswertes Buch!

Jörg Roesler

1 Einen Überblick gibt der Sammelband von Felix Wemheuer; vgl. die Besprechung von Dieter Boris in Z 108 (Dez. 2016), S. 221ff.

1 Thomas Piketty zufolge bestand das Kapital in den Südstaaten der USA zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Hälfte aus Sklaven. Ders., Das Kapital im 21. Jahrhundert, München 2014, S. 212.

1 Nikolai Huke, Krisenproteste in Spanien. Zwischen Selbstorganisation und Überfall auf die Institutionen, Münster 2016.

1 Vgl. exemplarisch Klaus Dörre (2016), Die national-soziale Gefahr. Pegida, Neue Rechte und der Verteilungskonflikt – sechs Thesen. http://www.theoriekritik.ch/?p=2833 oder die Debatte in den Zeitungen analyse & kritik bzw. im Neuen Deutschland.

2 Didier Eribon, Rückkehr nach Reims, Berlin 2016.

1 Vgl. dazu den Schwerpunkt „Geldpolitik und Zentralbanken“ im Heft 102 dieser Zeitschrift, Juni 2015, S. 13-51.

2 Vgl. Sandra Schmidt: Ein neues Geldsystem für eine zukunftsfähige Wirtschaft, in: Berliner Debatte Initial, 27 (2016) 3, S. 88-102.

3 Vgl. dazu Ulrich Busch, Die Welt des Geldes. Zehn Essays zur monetären Ökonomie, Potsdam 2016.