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Frankfurt am Main, 30. Januar 2014

von André Leisewitz
Juni 2014

Zukunft der (Industrie-)Arbeit

Tagung des Arbeitskreises Arbeitsforschung und Arbeitspolitik beim Vorstand der IG Metall, 30. Januar 2014, Frankfurt am Main

Unter dem Titel „Totgesagte leben länger? Perspektiven der Industriearbeit im Gegenwartskapitalismus“ veranstaltete der Vorstand der IG Metall im Januar diesen Jahres ein Symposium seines seit 2009 bestehenden Arbeitskreises Arbeitsforschung und Arbeitspolitik. Die Veröffentlichung von Michael Schumanns arbeitssoziologischem Rück- und Ausblick „Das Jahrhundert der Industriearbeit“1[1] war Anlass, um über Perspektiven der Industriearbeit und damit verbundene Herausforderungen für Arbeitsforschung und Gewerkschaften zu diskutieren. Dass der Sache seitens der IG Metall einige Bedeutung beigemessen wurde, zeigte schon der Umstand, dass beide Vorsitzende bei der Tagung ausführliche Einleitungs- und Diskussionsstatements hielten. Zu den ca. vierzig Teilnehmenden gehörten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der wichtigsten arbeitssoziologischen Forschungs- und Hochschulinstitute der Bundesrepublik, die in dem veranstaltenden Arbeitskreis mitarbeiten.2[2]

In seinem einleitenden Statement betonte der IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel die praktische Bedeutung des AK u.a. mit Verweis auf Vorarbeiten für die Beschäftigtenbefragung der IG Metall vom Frühjahr 2013, an der sich über 500.000 Menschen beteiligt hatten.3[3] Als zentrale Herausforderungen für die IG Metall nannte er den „rapiden und tiefgehenden Wandel“ der industriellen Arbeitswelt, insbesondere den Trend zur Prekarisierung mit dem Ergebnis gesellschaftlicher Spaltung und sukzessiver Aushebelung von Interessenvertretung und Tarifstandards. Durch Werkverträge und Outsourcing seien „Betriebe neuen Typs“ entstanden, bei denen „morgens 10.000 Menschen durchs Werktor gehen, aber von denen nur noch 5.000 Beschäftigte des ursprünglichen Unternehmens sind“. Wetzel forderte einen neuen Betriebsbegriff, der alle Beschäftigtengruppen einschließt; entlang der Wertschöpfungskette sei durchgehend ein Tarifvertragssystem der IG Metall erforderlich. Nur so könnten die in der Beschäftigtenbefragung zum Ausdruck gekommenen Wünsche der Belegschaften („Gute Arbeit“) realisiert werden.

In seinem mit großem Interesse erwarteten Vortrag knüpfte Schumann an seine frühen IG Metall-Kontakte als SDS-Vorsitzender 1960/61 mit Otto Brenner und dem damaligen Leiter der Bildungsabteilung, Hans Matthöfer, an. Es ging um Unterstützung des SDS gegen den drohenden Ausschluss aus der SPD und die Entwicklung von Ansätzen einer betriebsnahen Bildungsarbeit der IG Metall. Seitdem sei seine industriesoziologische Intention wissenschaftliches Dechiffrieren der Logik kapitalistischer Rationalisierung und „das politische Ausloten dieser Befunde in der Interessenperspektive der Beschäftigten“.

Im Rückblick auf seine Forschungstätigkeit schlug Schumann bemerkenswert kritische Töne an. Als Hauptertrag der Studien zur „Phase der tayloristisch-fordistischen Rationalisierung“ („Industriearbeit und Arbeiterbewusstsein“, Werftstudie) sah er die Desillusionierung der Annahme, durch technischen Fortschritt und Automation sei eine durchgehende Requalifizierung von Arbeit zu erwarten; statt dessen seien im Zuge dieses technischen Wandels mehr Lückenbüßertätigkeiten als qualifizierte Tätigkeiten entstanden (Polarisierungsthese). Dabei hätten sich auch die Grenzen des Programms „Humanisierung der Arbeit“ gezeigt, das für die betroffenen Beschäftigten zu sehr von „außen“ und „oben“ gekommen sei. Ausdrücklich stimmte Schumann hier den „frühzeitigen Bedenken“ von Kritikern zu, die (wie Werner Fricke) auf mehr Selbstbeteiligung der Betroffenen setzten.

Die Entdeckung der „neuen Produktionskonzepte“ der post-fordistischen Rationalisierung („Ende der Arbeitsteilung?“) sei seitens des SOFI mit einer starken Überschätzung und Fehlinterpretation der „Lernfähigkeit des Kapitals“ verbunden gewesen. Unter den neuen Bedingungen sei zwar für eine optimale Kapitalverwertung „eine aufgewertete Arbeitskraft“ erforderlich, die sich teuer verkaufen könne und damit auch über „das nötige Selbstbewusstsein und … verbesserte Verhandlungsmacht“ verfüge. Daher hätten auch, anders als in der tayloristisch-fordistischen Phase, unter dem Druck der Beschäftigten „höchst relevante Verbesserungen der Arbeitsbedingungen“ erreicht werden können. Die Erwartung eines „aufgeklärteren Umgangs“ mit der Arbeitskraft sei in der Realität aber weitgehend enttäuscht worden durch eine rigide Instrumentalisierung dieser neuen Produktionskonzepte durch das Kapital. Schumann pointierte, was auch seinerzeit Kritiker schon unterstrichen hatten: „Die Profitperspektive bleibt das Nadelöhr, durch das jede Gestaltungsmaßnahme durchschlüpfen muss. Dieses Nadelöhr stellt den Zensor dar, der festlegt, was geht und was nicht geht.“

Insofern konstatierte Schumann Annäherungen und Gemeinsamkeiten bei der Kritik an den heutigen Arbeitsverhältnissen in den Auffassungen des SOFI und des Münchener ISF, aber z.B. auch des Frankfurter Instituts für Sozialforschung.4[4] „Neue Herausforderungen“ sah Schumann in den als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise neu belebten industriepolitischen Initiativen (die sich auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition wieder finden5[5]), bei denen Arbeitspolitik „gänzlich unterbelichtet“ sei; in Prekarisierung und dem heutigen Produktionsmodell mit seinem Mix aus Stammbelegschaften und Leiharbeit/Werkverträgen; im Verhältnis von Arbeit und Reproduktion („Wo das gesamte Subjekt in Beschlag genommen und der Kapitalverwertung unterworfen wird, ist eine rein arbeitszentrierte Perspektive überholt“). Damit rücke vor allem das Demokratiethema in den Mittelpunkt. Für die Gewerkschaften sei eine neue Mitbestimmungsdebatte unabweisbar.

Schumanns Vortrag folgten zwei thematische Runden: Die erste behandelte „Perspektiven industrieller Wertschöpfung, Unternehmen und Arbeit im Gegenwartskapitalismus“ (Statements von Dieter Sauer und Wolfgang Menz vom Münchener ISF und vom zweiten Vorsitzenden der IG Metall, Jörg Hofmann), die zweite fragte mit Blick auf die Arbeitsforschung nach „neuer Kooperation von Gewerkschaften und Wissenschaft“ (Statements von Klaus Dörre/Uni Jena und Hans Jürgen Urban, IG Metall-Vorstand).

Sauer und Menz betonten als übergreifenden Prozess der letzten Jahre eine weitere Fragmentierung von Arbeit und Beschäftigung. Dies schließe die Angleichung der Merkmale von Dienstleistungs- und Produktionsarbeit ein – eine auch klassentheoretisch belangvolle Beobachtung. Deren Unterscheidung würde zunehmend obsolet: Flexibilisierung und Subjektivierung von Arbeit setzten sich als generelle Tendenz durch, ständig überformt von neuen Prozessen einer Standardisierung und Objektivierung von Arbeit. Damit verlören die sektoralen und branchenbezogenen Unterschiede von Arbeitsprozessen und Tätigkeiten an Gewicht. Das schaffe – trotz der fortbestehenden Heterogenität von Arbeitsformen – neue Voraussetzungen für gemeinsame arbeitspolitische Handlungsperspektiven: „Die Möglichkeiten zu gemeinsamem organisationsübergreifendem arbeitspolitischem Handeln wachsen“. Die Industrialisierung der Dienstleistungsarbeit sei anders als in der Vergangenheit nicht mehr notwendig mit deren räumlicher Konzentration verbunden, sondern erfolge „dezentral, räumlich verteilt, bisweilen quer über den Globus verteilt“. Standardisierung von Produktions- und Dienstleistungsarbeit beziehe sich auf deren Inhalte. Die Arbeitszeiten, Leistungsziele und Beschäftigungsverhältnisse würden weiter flexibilisiert; dies sei möglich durch die Digitalisierung der Arbeit verbunden mit einer neuen Dimension von Transparenz und Kontrolle, was auch eine Intensivierung der Konkurrenz unter den Beschäftigten begünstige.

Ohne „Druck von unten“ i.S. einer stärkeren Mobilisierung und Beteiligung der Belegschaften werde es nicht möglich sein, psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz einzudämmen und weitere Prekarisierung von Arbeit zu verhindern. Ähnlich wie Schumann konstatierten Sauer und Menz arbeitspolitisch eine „neue historische Situation“: Die neuen betrieblichen Organisations- und Steuerungsformen schlössen reale Mitentscheidungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten ein, die zwar für die betrieblichen Ziele instrumentalisiert würden und fremdbestimmt seien, die aber auch selbstbewusstere Beschäftigte und damit ein „Potenzial zur Herausbildung eigensinniger Widerständigkeit“ beinhalteten, an dem die Gewerkschaften anknüpfen müssten. Dabei sei, so die Empfehlung der Arbeitswissenschaftler, der „Kampf um eine Ausweitung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung auf ökonomische Fragen“ unabdingbar, da sie gerade den Rahmen für die Entwicklung der Arbeitsbedingungen setzten.

Aus Sicht des zweiten IG Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann stehen die Zeichen für die „Renaissance einer im Interesse der Beschäftigten gestaltenden Arbeitspolitik“ nicht schlecht; die Konstellation des Aufbruchs der HdA-Politik („Humanisierung der Arbeit“) vor dem Hintergrund einer sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Reformpolitik in den 1970er Jahren sei freilich nicht mehr wiederholbar. Auch sei die Bilanz der HdA-Politik zwiespältig gewesen. Sie habe sich nur auf Teile der Lohnarbeiterschaft (fordistische Massenarbeiter, Großbetrieb) bezogen, die Betriebsräte seien oft überfordert gewesen und Alternativen zu tayloristischer Arbeitsorganisation im Betrieb konnten nur sehr begrenzt realisiert werden. Das Beispiel der Einführung von Gruppenarbeit bei Daimler in den 1990er Jahren habe gezeigt, dass Verbesserungen dann möglich seien, wenn die Beschäftigten sie selbst wollten und eigene Gestaltungsideen einbringen könnten. Das Daimler-Beispiel sei jedoch ein Einzelfall geblieben. Heute seien Alternativen dringend erforderlich. Hofmann sah die Entwicklung der Arbeitsorganisation dabei stärker technikinduziert. Er verwies auf Dequalifizierungs- und Prekarisierungsprozesse in der Automobilmontage, Entwertung von Facharbeit durch Einsatz von EDV im Werkzeugbau und auf die Frage, wie eine partizipative Innovationspolitik bei auf Ressourceneffizienz setzenden Rationalisierungsschritten aussehen könne. Es komme darauf an, „die Beteiligungsferne der eigenen Organisation zu überwinden“ und eine „Vision zur Zukunft der Arbeit zu entwickeln, die auf Gestaltungsimpulsen und kreativen Ideen“ der Beschäftigten beruhten.

Klaus Dörre, der sich in Abgrenzung von auf Wertfreiheit („Traditionale Soziologie“), auf Beratungswissen („Praktische Soziologie“) und ausschließlich auf Herrschaftskritik („Kritische Soziologie) setzenden Typen soziologischer Forschung auf die „Public Sociology“ von Michael Burawoy bezog, die eine neue Form der Interaktion von Wissenschaft und Politik darstelle, löste damit eine lebhafte Diskussion aus. „Öffentliche Soziologie“ lasse sich durch wenigstens drei Merkmale charakterisieren6[6]: die Aufdeckung bislang unsichtbarer gesellschaftlicher Zusammenhänge (also z.B. des gesamten Komplexes von Prekarisierung, der vordem mit Begriffen wie Armut oder soziale Ausgrenzung nur begrenzt erfasst wurde); enger Bezug der entsprechenden theoretischen und empirischen Forschung zum Arbeits- und Lebensalltag der Betroffenen sozialen Gruppen im Sinne einer „subjektnahen“ qualitativen Forschung, die der Alltagskritik der Betroffenen eine wissenschaftliche Stimme verleiht; Forschung in engem Austausch mit gewerkschaftlichen Akteuren, der es erlaubt, sich einerseits deren Wissen zu erschließen und andererseits Forschungserkenntnisse an diese zurückzuspielen, „ohne selbst zur arbeitspolitischen Partei werden zu müssen“. Er illustrierte dies anhand der Prekarisierungsforschung und der Jenaer Belegschaftsbefragungen zum Verständnis von Solidarität gegenüber sozial Schwächeren, Hartz IV-Empfängern und Arbeitslosen („exklusive Solidarität“).7[7]

Hans-Jürgen Urban nahm für die IG Metall die Bemerkung von Dörre, dass die Kooperation mit den Gewerkschaften keineswegs konfliktlos verlaufe, mit dem Hinweis auf, dass eine solche Kooperation die wechselseitige Anerkennung der Spielregeln des jeweiligen Feldes erfordere. Für die Gewerkschaften sei Rückgewinnung der Strategiefähigkeit, Diskussionsoffenheit und Überwindung der Beratungsresistenz bei Öffnung für „wissenschaftliche Frühwarnungen“ notwendig. Eine „öffentliche Soziologie“ als Sozialökonomie und kritische Soziologie des Gegenwartskapitalismus sei dringend erwünscht; erfreulich sei es, wenn der „informelle Kodex“ einer gewerkschaftsfreien Wissenschaft überwunden werde. Burawoys Verweis, dass nicht nur die Welt der Arbeit, sondern auch die Universitäten unter dem Druck der neoliberalen Ökonomisierungsdynamik stünden, sei auch als Hinweis auf gemeinsame Interessenperspektiven von Gewerkschaften und „öffentlicher Soziologie“. Aktuelle und für die Gewerkschaften wichtige Themen sind aus Sicht von Urban „Topografie der modernen Arbeitswelt“, „Gesichter prekärer und guter Arbeit“, Bedeutung und Konturen industrieller Wertschöpfung heute, der Komplex Arbeit und Reproduktion, Fragen strategischer Gewerkschaftspolitik und der Stabilisierung gewerkschaftlicher Organisationsmacht sowie eine Politische Ökonomie des „Exportweltmeister-Kapitalismus“, die die Gewerkschaften und ihre Arbeitspolitik nicht ausschlösse.

In der Diskussion zu den einzelnen Themenblöcken (moderiert von Hilde Wagner und Klaus Pickshaus) wurde verschiedentlich konstatiert, dass die thematische Ausweitung der Arbeitforschung um Aspekte der Reproduktion (Arbeit/Lebensalltag) und Prekarisierung zu Lasten der arbeitssoziologischen Forschung gegangen sei; der Zusammenhang Technik-Automation-Arbeitsorganisation werde heute zu wenig bearbeitet (Gerhard Bosch, Hartmut Hirsch-Kreinsen). Vor einer engen Technikperspektive, die die arbeitsorganisatorische Seite unterbelichtet und die Triebkräfte von betrieblicher Fragmentierung und Prekarisierung nicht fassen könne, sei zu warnen. Das auf Digitalisierung von Betriebsabläufen zielende BMBF-geförderte Projekt Industrie 4.08[8] dürfte hier eine Herausforderung sein, auch für „Technikgestaltung (Wolfgang Kötter). Als wichtig wurden internationale Vergleiche der Arbeitsverhältnisse erachtet, wobei großer Spielraum „nach unten“ i.S. ausgeprägter Prekarisierung angenommen wird. Die Durchsetzung arbeitspolitischer Verbesserungen in den alten Industrieländern könne in Schwellenländern Bezugspunkt gewerkschaftlicher Kämpfe werden (Klaus Dörre). Mehrfach angesprochen wurde der Zusammenhang von Autonomiebedürfnissen, Beteiligung und Demokratie im Betrieb. Dieter Sauer betonte, dass die bei neuen Produktionskonzepten unternehmensseitig verlangte Übernahme von mehr Verantwortung durch die Beschäftigten ohne Ausweitung von Handlungsspielräumen und Autonomie nicht zu haben sei – was aber auch mit Konkurrenzaktivierung und Entsolidarisierung verbunden sein kann (Alexandra Rau). Detlef Fricke plädierte für eine stärkere Respektierung der arbeitspolitischen Initiativen von Beschäftigten; Detlef Wetzel nannte es eine zentrale Aufgabe der IG Metall, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen. Uli Brinkmann verwies darauf, dass „Postdemokratie“ auch für die Betriebe gelte. Hofmann unterstrich, dass betriebliche Gewerkschaftspolitik ohne Berücksichtigung der durch die außerbetrieblichen Lebensverhältnisse geprägten Bedürfnisse und Interessen der Beschäftigten nicht denkbar sei; „Kollektivierung von Interessenlagen“ setze Beteiligungskonzepte und Mitbestimmungskulturen voraus.

Die Frage der „exklusiven Solidarität“ blieb in mehreren statements umstritten. Urban nannte abschließend als wichtige Aspekte zukünftiger Forschung und Diskussion den Komplex Demokratie, Partizipation, Beteiligung von unten und zweitens die zukünftige Entwicklung der Industriearbeit, ihrer Strukturen und arbeitspolitischen Implikationen. Wichtig sei die wechselseitige Verständigung über die Rollendefinition der Arbeitswissenschaften und ein neues Interesse der Gewerkschaften an arbeitswissenschaftlicher Forschung. Vorträge und Diskussionsbeiträge der Tagung erscheinen beim VSA-Verlag.

Die Tagung benannte brisante Widerspruchskonstellationen in der heutigen Welt der – nicht nur industriellen – Arbeit. Deren Bedeutung weist über den Bereich gewerkschaftlicher Interessenvertretung und Organisation hinaus. Sie verlangen nach theoretischer Verarbeitung (z.B. unter Gesichtspunkten der Arbeitswert- und Klassentheorie), und sie sind nicht zuletzt eine ernsthafte politische Herausforderung für die Linke.

André Leisewitz

1914 – 2014. 100 Jahre Krieg – 100 Jahre Pazifismus und Friedensbewegung

11. Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden, Köln, 21./22. Februar 2014

Am 21./22. Februar 2014 fand in Köln die diesjährige Strategiekonferenz der Friedensbewegung statt. Eingeladen hatte die Kooperation für den Frieden, die von zahlreichen Initiativen und Friedensgruppen getragen wird. Das Thema: „1914 – 2014. 100 Jahre Krieg – 100 Jahre Pazifismus und Friedensbewegung“.

150 TeilnehmerInnen aus der ganzen Bundesrepublik waren zusammengekommen, um sich in drei Plenen und 12 Arbeitsgruppen zu informieren und zu unterschiedlichen Fragen zu diskutieren. Einige Stichworte zu den Arbeitsgruppen: Feindbilder und Sündenböcke; Nationalismus, Chauvinismus, Patriotismus; der Militärisch-Industrielle Komplex; historische und aktuelle Kriegsideologien; Völkerrecht und Rechtswesen; Rüstungsexporte; Zivilklausel, zivilgesellschaftliches Handeln u. a. m.

Den Hauptvortrag hielt der niederländische Historiker und Friedensforscher Peter van den Dungen. Er beschrieb die Friedensbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts und wies auf die viel ältere Friedensbewegung und die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 hin: „Die bisherige Debatte hat weitgehend die Tatsache ignoriert, dass es die Antikriegs- und Friedensbewegung schon vor 1914 gab. Diese Bewegung bestand aus einzelnen Bürgern, Organisationen und Institutionen, die die vorherrschenden Ansichten bezüglich Krieg und Frieden nicht teilten und die Schaffung eines Systems anstrebten, in dem Krieg kein akzeptables Instrument zur Konfliktlösung unter Staaten mehr war. Eigentlich begehen wir in diesem Jahr 2014 nicht nur den 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges, sondern auch den 200 Jahrestag, seit es die Friedensbewegung gibt. Mit anderen Worten: Ganze 100 Jahre vor Ausbruch des Krieges im Jahr 1914 hat sich diese Bewegung dafür eingesetzt, die Menschen über die Gefahren und Leiden des Krieges aufzuklären und ihnen die Vorteile und Möglichkeiten des Friedens vor Augen zu führen.“

Van den Dungen stellte einen Zusammenhang her zwischen Nationalismus, Imperialismus, Kolonialismus und Militarismus, um die systemischen Ursachen, die zum I. Weltkrieg führten mit der Frage zu verbinden, ob diese auch heute noch eine Rolle spielten. „Hat die Welt nichts aus der Katastrophe von 1914-18 gelernt?“, fragte er.

In weiteren Vorträgen wurde u. a. beschrieben, wie schnell die Warnungen vor einer bevorstehenden Katastrophe des Krieges verdrängt wurden. Reiner Braun würdigte die pazifistischen Positionen u. a. von Albert Einstein. Renate Wanie ging der Frage nach, ob der Pazifismus versagt habe. Christine Schweitzer beschrieb die Friedensbewegungen seit den 1960er Jahren und stellte die Frage: Können Friedensbewegungen Kriege verhindern oder stoppen?

In den Arbeitsgruppen wurden die genannten Themen weiter diskutiert. Analysen und aktuelle Handlungsorientierungen wurden von den TeilnehmerInnen in vielfältiger Weise verbunden mit regionalen Standortfragen (z. B. Rüstungsproduktion, militärische Einrichtungen) und systemischen Bezügen. Auch das Ineinandergreifen von verschiedenen Bewegungen wurde von der Friedensbewegung erwartet (z. B. attac, Umwelt- und Anti-Atombewegung). Die Äußerungen deutscher Politiker auf der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz – Gauck, von der Leyen und Steinmeier – nach einem verstärkten militärischen Engagement Deutschlands („mehr Verantwortung übernehmen“) lösten Besorgnis aus, vor allem vor dem Hintergrund der Konflikte im Nahen Osten und in Afrika. Militärisches Engagement sei der falsche Weg und tauge nicht zur Beilegung solcher Konflikte.

Mit dem Hinweis auf die internationale Konferenz über Pfingsten in Sarajewo wird die Kampagne „Aufschrei“ die genannten Themenstellungen der Konferenz (z. B. Drohnen, Atomwaffen u. a.) weiter behandeln. Es wurde die Erwartung geäußert, dass die Friedensbewegung Einfluss gewinnen werde und pazifistische und zivile Konfliktlösungsstrategien weiter beleben könne. Die nächste Strategiekonferenz wird 2015 in Hannover stattfinden. Zwischenzeitlich wird die Kooperation für den Frieden Tagungen zu Schwerpunktthemen durchführen.

Armin Stolle

Stalin-Hitler-Pakt?

Tagung der FU Berlin am 21. – 22. Februar 2014, Berlin

„Wer mit dem Bolschewismus paktiert, der wird von ihm zugrunde gerichtet werden.“[1][9]. Als Reichspropagandaminister Joseph Goebbels im September 1935 das antikommunistische Axiom des deutschen Faschismus auf den Punkt brachte, konnten sich selbst früheste Vertreter einer Gleichsetzung von rot und braun nicht vorstellen, dass sich die beiden europäischen Kontinentalmächte am 23. August 1939 auf den geschichts- und erinnerungswissenschaftlich heftig umkämpften Nichtangriffspakt einigen würden[2][10]. 70 Jahre nach Vertragsschluss[3][11] befassten sich 13 namhafte Historiker aus Deutschland und dem Ausland im Rahmen der Tagung „Gab es einen Stalin-Hitler-Pakt? Charakter, Bedeutung und Deutung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags vom 23. August 1939“ am 21. und 22. Februar 2014 an der Freien Universität Berlin mit der vielschichtigen Thematik. Veranstalter waren Prof. Dr. Christoph Koch in Kooperation mit der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft e.V. sowie: Centrum badań historycznych Polskiej Akademii Nauk w Berlinie, Deutsch-Polnische Akademische Gesellschaft e.V., Deutsch-Polnische Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland e.V. und Fédération Internationale des Résistants – Association Antifasciste, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V.

Als methodische Gemeinsamkeit aller Beiträge ließ sich eine in unterschiedlicher Intensität und Prägnanz wiederkehrende Ablehnung einer Totalitarismus-theoretischen Bewertung resp. Analyse des Tagungsthemas festhalten[4][12]. Prof. Dr. Günter Morsch (Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten) fasste in seinem Beitrag „Ein europäischer Gedenktag für die Opfer aller totalitären Regime?“[5][13] die Kritik an einer Renaissance geschichtswissenschaftlicher Kalter-Kriegs-Denkmuster im modernen Gewand einer nivellierten „europäischen Erinnerungsdiktatur“ hochverdichtet zusammen.

Prof. Dr. Domenico Losurdo (Univ. Urbino), Verfasser einer umstrittenen Monografie über Stalin[6][14], konzentrierte sich bei der Beantwortung seiner Leitfrage „Stalin und Hitler: Zwillingsbrüder oder Todfeinde?“ maßgeblich auf die Gegenüberstellung eines rassistisch-fundierten deutschen Kolonialismus und eines sowjetischen Antikolonialismus der 1930er Jahre.

Prof. Dr. Werner Röhr (Edition Organon Berlin) widersprach in seinen Ausführungen „Krieg in Ost oder West? Die Entscheidung der faschistischen Führung für den Überfall auf Polen und der Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939“ den geläufigen Thesen, dass der Nichtangriffsvertrag 1939 Hitlers Kriegskurs begründete und im Kern ein Kriegspakt zur Teilung Polens gewesen sei. Seit 1936 rüstete das faschistische Deutschland massiv zum antisowjetischen Krieg. Ende April 1939 fiel die Entscheidung zugunsten einer „Westlösung“, die unter anderem den Angriff auf Polen beinhaltete. Während sich Polen 1938 noch in Sicherheit wog, habe Deutschland seinen militärischen Aufmarsch im Mai 1939 beendet; die Westmächte verhandelten hinhaltend mit der Sowjetunion, bis die sowjetische Seite enttäuscht die Reißleine zog und sich radikal umorientierte.

Prof. Dr. Kurt Paetzold (Leibniz-Sozietät, Berlin) stellte in seinem Beitrag „Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt – seine innenpolitische Wirkung und Ausbeutung“ das enthusiastische Lob des Nichtangriffsvertrages im Reich als „Fundament des Friedens“ als Teil der perfiden NS-„Friedens“politik heraus. Laut Berichten des SD sei die partielle Entrüstung antikommunistischer konservativer Eliten über den „Bolschewikenpakt“ kein Grund zum Einschreiten gewesen, die faschistische Außenpolitik somit selbst in extremen Wendungen weitgehend von der Bevölkerung akzeptiert worden. „Die Debatte um den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag in den internationalen Organisationen und Reihen des antifaschistischen Widerstands“ rückte Dr. Ulrich Schneider (Fédération Internationale des Résistants, Berlin) in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Die große Bandbreite der Reaktionen antifaschistischer Gruppierungen reichte von stalintreuer Verteidigung der neuen sowjetischen „Friedensstrategie“ (seitens der Komintern und der Exil-KPD) bis hin zum Aufbruch alter Grabenkämpfe zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Exilanten.

Eine Form des „Economic Appeasement“ habe Stalin in Folge des 23. August 1939 betrieben, so die Kernthese Dr. Heinrich Schwendemanns (Univ. Freiburg) in dessen Beitrag „Stalins Fehlkalkül: Die sowjetische Wirtschaftskooperation mit NS-Deutschland 1939-1941“. Stalin habe jedoch die Wirkmacht seiner ökonomischen Befriedungstaktik (i.e. die massive Lieferung von Rohstoffen) sowie den Nutzen von Technologiestudien sowjetischer Ingenieure in deutschen Betrieben letztendlich überschätzt. Die westliche Nichteinmischungspolitik (Stichwort Münchner Abkommen) sowie die wenig ernsthaft geführten Militärgespräche zwischen Frankreich, Großbritannien und der Sowjetunion habe die sowjetische Seite empfänglich für die ab Februar 1939 einsetzenden deutschen Annäherungsversuche gemacht, so Sergej V. Kudrjašov (Deutsches Historisches Institut, Moskau) in seinem Beitrag „Warum wählte Stalin Hitler? Die Entwicklung der sowjetischen Politik in den Jahren 1938-1939“.[7][15] Das konzertierte Auftreten deutscher Diplomaten imponierte genauso wie der Anfang August erfolgte deutsche Vorschlag eines Geheimprotokolls. Der Wegfall einer direkten antisowjetischen Front, der Zeitgewinn zur Vorbereitung des Krieges sowie die Sicherung der Einflusssphäre in Osteuropa habe Hitlers Angebot letztendlich „unwiderstehlich“ für die Sowjetführung gemacht.[8][16]

Prof. Dr. Geoffry C. Roberts (Univ. College Cork) vertrat in seinem Tagungsbeitrag „Origins of the Nazi-Soviet Partition of Poland: The View from Moscow” die These, dass Molotov im Frühjahr 1939 zu sehr darauf fixiert war, Frankreich und Großbritannien für ein „wasserdichtes Dreierbündnis“ in klarer Positionierung gegen Hitlerdeutschland zu gewinnen. Der folgende, allerdings nicht unvermeidliche Nichtangriffspakt habe keine explizite Übereinkunft zur Teilung Polens bedeutet, zu unsicher sei der mögliche Verlauf des deutschen Überfalls gewesen.

Nicht die Sowjetunion habe den Westen verhandlungstechnisch verraten, sondern umgekehrt, konstatierte Dr. Michael Jabara Carley (Université de Montréal) in seinem Beitrag „Who ‘betrayed’ who? Anglo-Franco-Soviet Relations, 1932-1939“. In seinen Untersuchungen widmete Carley dem sowjetischen Diplomaten Litvinov große Aufmerksamkeit. Trotz seiner Grundüberzeugungen von der Möglichkeit eines „unteilbaren Friedens“ in Europa und dem System der „Kollektiven Sicherheit“ scheiterten Litvinovs Bündnisbemühungen an den antikommunistischen Ressentiments der Westmächte (inklusive der USA).

Die Hauptlinien der antisowjetischen Diplomatie Frankreichs in den Jahren 1938/39 thematisierte Prof. Dr. Annie Lacroix-Riz (Université Paris VII – Denis Diderot) in ihrem Referat „La France entre alliance tripartite et compromis avec le Reich, 1938-1939“. Die französische Volksfrontregierung ließ ihre mittel-osteuropäischen Machtambitionen 1939 zugunsten einer Beschwichtigung Hitlerdeutschlands fallen, sogar französische Schwerindustrielle hofierten Hitler im vorauseilenden Gehorsam. In den Verhandlungen zur Bildung eines Dreierbundes zeigte sich die westeuropäische Kontinentalmacht wenig an einer Einigung mit der Sowjetunion interessiert.

Polens außenpolitisches Agieren im Wechselspiel mit den Interessenlagen der Westmächte, des faschistischen Deutschlands sowie der Sowjetunion beleuchteten die Referenten Stanisław Żerkos (Instytut Zachodni Poznań) – „Polen und Deutschland am Vorabend des Krieges (1938/39)“ – und Marek Kornats (Uniwersytet Kardynała Stefana Wyszyńskiego/Polska Akademia Nauk Warschau) – „Die Außenpolitik Polens am Vorabend des Zweiten Weltkriegs (April – August 1939)“. Versuchte die polnische Regierung laut Żerko in den 1920ern die eigene Souveränität auf den Säulen eines militärischen Übergewichts zu sichern, setzte man nach 1933 im Angesicht der verschärften Diskussion um Danzig und trotz des Polen und Deutschlands verbindenden Elements des Antikommunismus auf eine Politik des Gleichgewichts. Kornat schätzt die außenpolitischen Möglichkeiten wenige Monate vor dem 23. Aug. 1939 als äußerst beschränkt ein. Hitlers Bemühungen um ein Bündnis mit Polen zerschlugen sich im April, eine „Eiszeit der Beziehungen“ folgte, Frankreich ließ militärische Vereinbarungen scheitern, das ausgehandelte Bündnis mit Frankreich und Großbritannien erwies sich als schwache Notlösung.

Die Tagungsergebnisse sollen in einem Sammelband zusammengefasst und im Verlauf des Jahres 2014 veröffentlicht werden.

Valentin Johannes Hemberger

Ukrainische Krise und Extreme Rechte in Osteuropa

Zwei internationale Tagungen in Brüssel (27. Februar 2014) und Budapest (3. April 2014)

Komplexe Fragen bedürfen einer umfassenden, differenzierten Antwort. Das betrifft auch die komplizierten Konfliktlinien, die sich im Zusammenhang mit der Krise um die Ukraine herausgebildet haben. Eine ausgezeichnete Konferenz am 27. Februar in Brüssel hatte all diese Fragen zum Thema.

Organisiert wurde das Seminar von der „Postglobalization Initiative“ in Koordination mit dem „Institute for Globalization Studies and Social Movements“(IGSO), dem „Transnational Institute (TNI)“ und der Europäischen Linkspartei. Die Tagung fand in den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments statt.

Die erste session, die sich der „Diagnose der ukrainischen Krise“ widmete, wurde von Boris Kagarlitsky (Postglobalization Initiative/Russland) eingeleitet. Die umfassendste Darstellung der historischen Entwicklung und der aktuellen Situation erfolgte durch Volodymyr Ishchenko (Center for Society Research/Ukraine). Er charakterisierte den Inhalt der Janukowitsch-Regierung als eine „Politik gegen die Armen“, schilderte die Phasen der breiten Volksbewegung gegen ihn und charakterisierte die jetzige „Übergangs-Regierung“ treffend als „ neoliberal – mit stark nationalistischem Einschlag“. In die gleiche Kerbe schlug Vasiliy Koltashov (IGSO/Russland): „Die Janukowitsch-Regierung baute den Wohlfahrtsstaat und die Demokratie ab. Kein Wunder, dass dagegen ein Rebellion erfolgte.“

Susan George (Attac/Frankreich) stellte die Ereignisse in der Ukraine in den internationalen Kontext der „Freihandelsabkommen“ (das nicht unterzeichnete Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU war ja bekanntlich einer der Auslöser der Proteste). Bei ihnen geht es „nur am Rande um Handelserleichterungen und Zollreduktionen“, sondern vielmehr um „Investitionsfreiheit, Abbau von Regulierungen und Umweltschutzbestimmungen – im Interesse des Kapitals“.

Andriy Manchuk vom Online-Magazin „Liva“/Ukraine schilderte in eindrücklichen Worten den wachsenden Einfluss der Extremen Rechten, ihre gewaltsamen Übergriffe auf Linke und warnte davor, dass sie nun auch in der Regierung vertreten ist.

Die zweite session widmete sich der Frage „was zu tun ist, um die Krise zu lösen“ – moderiert von Brid Brennan (TNI). Scharf wurde von allen TeilnehmerInnen, jegliche Schmälerung der Rechte der Russisch sprechenden Bevölkerung zurückgewiesen. Kai Ehlers (Deutschland) verwies auf die Notwendigkeit der Dezentralisierung des extrem zentralistisch aufgebauten ukrainischen Staats (so werden etwa die Gouverneure der Verwaltungseinheiten nicht gewählt, sondern von der Regierung in Kiev bestimmt). Ehlers fasste auch eine weitgehende Föderalisierung des Landes aufbauend auf sechs „Regionen“ ins Auge.

Hermann Dworczak (Europäisches Sozialforum/Österreich) legte dar, dass die Rebellion in der Ukraine gerechtfertigt war und verwies darauf , dass es in der Geschichte zahlreiche Beispiele dafür gibt, dass nach Volksaufständen, ja Revolutionen – zumindest fürs erste – v. a. die Rechte profitieren konnte: nach 1848 kam Napoleon III , nach der Pariser Commune die bürgerliche Reaktion, nach 1905 wurde die russische ArbeiterInnenbewegung weitgehend in den Untergrund gedrängt.

Alle Seminar-TeilnehmerInnen stimmten darin überein, dass sich die Linke heute in der Ukraine in einer sehr schwierigen Lage befindet. Daher wurde der Vorschlag entwickelt, rasch eine Delegation zu entsenden, um direkten Kontakt mit den Bewegungen, Gewerkschaften, politischen Organisationen und Parteien der Linken aufzunehmen und auf dieser Basis eine breite Info- und Solidaritätskampagne zu starten.

***

Vor dem Hintergrund der Wahlerfolge der Extremen Rechten in Europa fand am 3. April in Budapest eine Konferenz mit über 100 TeilnehmerInnen aus Ungarn, Tschechien, Polen, Russland, Belgien, Frankreich, Deutschland und Österreich statt.

Die Konferenz war das Ergebnis eines Beschlusses auf dem „Altersummit“ im Vorjahr in Athen. Veranstalter waren u.a. „transform“ und das internationale Netzwerk gegen Rechtsextremismus „Prague Spring 2“. Der Zeitpunkt war durchaus passend: drei Tage nach der Konferenz konnte sich „Jobbik“ bei den ungarischen Parlamentswahlen auf 21 Prozent schrauben.

Tamas Krausz (Ungarn) gab einen Überblick über die Extreme Rechte in Europa in ihren verschiedenen Ausprägungen: von v. a. Stimmen keilenden Rechtspopulisten bis hin zu offenen Faschisten – wie die „Goldene Morgenröte in Griechenland“. Er verwies auf die neue Qualität durch die Präsenz von „Swoboda“ in der jetzigen ukrainischen Regierung.

Gaspar Miklos Tamas (Ungarn) legte in einem pointierten Beitrag dar, warum die Orban-Regierung selbst gegen kritische Intellektuelle und Künstler vorgeht: „Auch die Residuen der – scheinbaren – Freiheit sollen getilgt werden.“

Ein Highlight der Konferenz war das Referat von Savvas Michael Matsas (Griechenland). Er behandelte das Naheverhältnis von Nea Demokratia und den Faschisten der „Goldenen Morgenröte“. Den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban charakterisierte er treffend als „Samaras mit ungarischem Namen“.

Mehrere Beiträge widmeten sich dem Thema, dass der Anstieg der Extremen Rechten nicht nur durch die kombinierten Krisen des Kapitalismus, die Offensive des internationalen Kapitals und das ideologische Vakuum zu erklären ist, in das Rechtspopulismus und Rechtsextremismus vorstoßen und sich als „Alternative“ gerieren. Auch dramatische Fehler auf der Linken sind in Rechnung zu stellen – insbesondere die de facto Übernahme des neoliberalen Paradigmas (siehe sie Politik von Hollande, Pasok, ...).

Zwei konkrete Vorschläge wurden hinsichtlich der konkreten Aktionsmöglichkeiten präsentiert: die internationale Griechenland-Solidarität sollte auf eine feste und kontinuierliche Basis gestellt werden (ähnlich der „Roten Hilfe“ in der Zwischenkriegszeit); Organisierung eines – gut vorbereiteten – gesamteuropäischen „Aktionstags“ gegen die Extreme Rechte – je nach den Gegebenheiten/Kräfteverhältnissen in den einzelnen Ländern (von Debatten über phantasievolle Aktionen bis hin zu Soli-Demos).

250 Personen beteiligten sich im Anschluss an die Konferenz an der Demo auf den Gellert-Hügel zum dortigen antifaschistischen Mahnmal. Außer Reden gab es den Auftritt einer „Gipsy Theater“-Gruppe – besonders wichtig wegen der in Ungarn weit verbreiteten Anti-Roma- Hetze.

Hermann Dworczak

Vorbild Skandinavischer Sozialstaat?

Tagung der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag,
Frankfurt am Main, 1. März 2014

Der Einladung der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag zu einer Tagung „Skandinavischer Sozialstaat – Orientierung für einen Politikwechsel in Deutschland und Hessen?“ folgten ca. 50 Interessierte. Es ging um eine Bestandsaufnahme der sehr unterschiedlichen sozialpolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik und in Skandinavien und um die Frage nach möglichen sozialpolitischen Alternativen in Deutschland.

In ihrer Tagungseröffnung konzedierte Janine Wissler, Vorsitzende der Fraktion und Sprecherin für Wirtschaftspolitik, dass es vielen Menschen in Deutschland materiell gut gehe. Jedoch arbeitet mittlerweile mindestens ein Fünftel aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor, viele von ihnen müssen Aufstocken. Der Exportweltmeister Deutschland oktroyiert im Rahmen der Troika Krisenländern wie Griechenland Kürzungs- und Privatisierungsprogramme und agiert somit als doppelter Krisenexporteur.

Diesen Faden aufnehmend verwies Marjana Schott, Sprecherin für Sozial- und Umweltpolitik der Fraktion, auf die 65 Vereine und Institutionen, die als außerparlamentarische Kräfte in ihren Wahlprüfsteinen zur Landtagswahl auf Probleme hingewiesen und Lösungsvorschläge angemahnt hatten. Nicht selten ging es dabei um Armut und Benachteiligungen, aber auch um zu knappe Mittel für öffentliche Dienstleistungen – häufig in Verbindung mit niedrigen Löhnen, unsicherer Beschäftigung und Arbeitsüberlastung. Angesichts der Schuldenbremse drohen bald weitere Verschlechterungen. Mit der Tagung sollte daher auch den davon Betroffenen ein Raum zu gemeinsamer Diskussion und damit zur Vergrößerung künftigen Widerstandspotenzials geboten werden.

Laut Prof. Dr. Dieter Eißel, Universität Gießen, bewirkt die ‚natürliche’ Partnerschaft zwischen Real- und Finanzkapital sinkende Steuern und Sozialabgaben für die Kapitalseite und damit für eine Verschiebung der Finanzierungslasten gesamtgesellschaftlicher Aufgaben auf die Schultern der Lohnabhängigen. Restriktiver gewährte Sozialausgaben vor allem im Bereich der Lohnersatzleistungen wurden unter Schröder und Fischer zum Hebel für den Ausbau des Niedriglohnsektors – mit Auswirkungen auf das Lohnniveau insgesamt. Eißel wies nach, dass die Löhne und Gehälter in den vergangenen 15 Jahren hinter Inflation und steigender Produktivität zurückgeblieben sind. Diese faktischen Lohnsenkungen waren wesentliche Grundlage des deutschen Exportbooms, der wiederum die Krise im Süden Europas anheizte. Bei allen „Erfolgen“ auf dem deutschen Arbeitsmarkt in Form rückläufiger Arbeitslosigkeit und gestiegener Erwerbstätigkeit nimmt die Gesamtbeschäftigung ab. Das Arbeitsvolumen (Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden) geht zurück. Zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse führen zu mehr – und meist unfreiwilliger – prekärer Teilzeitarbeit oder Mini- und Midijobs.

Insgesamt diagnostizierte Eißel eine Rückentwicklung vom Sozialstaat zum Sozialhilfestaat. Zwar gäbe es vor allem im Bereich pflegender, erziehender und bildenden Dienstleistungen einen riesigen gesellschaftlichen Bedarf, der jedoch nicht finanziert und nicht erfüllt werde. Angesichts dessen empfahl er, Debatten darüber anzustoßen, welche Dienstleistungsbereiche in welchem Umfang in die öffentliche Hand gehören, um daran anknüpfend Steuererhöhungen ins Gespräch zu bringen.

Dr. Cornelia Heintze, Leipzig, veröffentlichte 2013 eine Studie zu kommunal finanzierten Dienstleistungen in den nordeuropäischen Ländern. Sie zeigte zunächst an Hand verschiedener Gutachten, dass in Deutschland auf Regierungsebene durchaus registriert wird, dass das skandinavische Modell eine Alternative darstellt. Sie werde aber abgelehnt, weil in den skandinavischen Ländern „die Beschäftigten in sozialen Diensten in der Regel qualifiziert sind“ (Regierungskommission Sachsen und Bayern, 1997 [RKSB]) aber hierzulande „der Fokus auf Anreizsysteme für den Niedriglohnbereich gerichtet wird und die skandinavischen Länder … keine entsprechenden Politiken verfolgen“ (Bundesarbeitsministerium 2006). Niedriglohn und geringe Qualifizierung waren in der Bundesrepublik also die vorgegebenen Instrumente einer auf den Dienstleistungsbereich bezogenen Arbeitsmarktpolitik mit dem Ziel „keine höhere Steuerbelastung mehr“ (RKSB) zuzulassen.

In der Spanne der Abgabenquoten, die sich in den Industrieländern zwischen ca. 30 und 50 Prozent bewegen, liegt Skandinavien mit ca. 40 bis 50 Prozent am oberen Ende, Deutschland mit etwa 40 Prozent lediglich im Mittelfeld. Wichtiger Schritt einer Pfadverschiebung weg vom skandinavischen in Richtung des US-amerikanischen Kapitalismusmodells waren die Steuersenkungen von 2000/2001 von SPD und Grünen. Denn dem Problem sinkender Gesamtbeschäftigung (s. Eißel), Resultat des Beschäftigungsrückgangs im produzierenden Bereich, konnte auf diese Weise nicht mehr durch den finanziellen Ausbau öffentlich finanzierter Dienstleistungsbeschäftigung begegnet werden. Die dann folgenden Hartz-Reformen führten Deutschland in Europa an die Spitze der Länder mit dem größten Niedriglohnsektor (mit 22,2 Prozent noch vor Großbritannien und Skandinavien zwischen 3 und 8 Prozent).

Heintze leitete hieraus die These ab, dass grundlegende Veränderungen bei der Finanz- und Steuer- sowie der Beschäftigungs(förderungs)politik ansetzen müssen; arbeitsmarkpolitische Instrumente wie allgemeiner Mindestlohn und Equal Pay bei Leiharbeit vermögen es nicht, Fehlentwicklungen zu beseitigen, sondern ziehen allenfalls Auffanglinien nach unten.

Eine nähere Betrachtung öffentlich finanzierter Bereiche, vor allem Altenhilfe und Langfristpflege sowie Kinderbetreuung ergab zwei wichtige Unterschiede. Zum einen erreicht in Deutschland das Leistungsniveau rein quantitativ nur einen Bruchteil des skandinavischen – mit gravierenden Auswirkungen auf die Qualität. Als grober Richtwert kann gelten, dass das skandinavische Niveau mindestens doppelt so hoch ist wie das deutsche – bspw. kommen in Skandinavien etwa 100 rechnerische Vollzeitkräfte (VZÄ) auf 1.000 zu betreuende Ältere (in Deutschland. ca. 50). Während in deutschen Gemeindebibliotheken nicht mehr als 2,5 VZÄ auf 10.000 Einwohner kommen, liegt der Wert in Skandinavien nicht unter 6. Zum anderen sind die öffentlichen Träger in Deutschland mit einem Anteil von maximal 10-15 Prozent weitgehend marginalisiert, während sie in Skandinavien mit ca. 90 Prozent dominieren. In Verbindung mit der deutlich besseren finanziellen Ausstattung der öffentlichen Hand liegen die Lohnsteigerungen höher als bei privaten Arbeitgebern und sowohl für die Adressaten als auch die Erbringer der öffentlichen Dienstleistungen wird eine deutlich höhere Qualität erreicht als in Deutschland. Auf Grund der Größe – öffentlich finanzierte Dienstleistungen nicht unter 30 Prozent der Gesamtbeschäftigung vs. weniger als 15 Prozent in Deutschland – kommt jedoch ein entscheidender gesamtwirtschaftlicher Effekt hinzu: er wird hinsichtlich der Qualität der Arbeit und Bezahlung zum Stabilitätsanker und „role model“ für den privatwirtschaftlichen Bereich. Umgekehrt in Deutschland: vom Ausbau auf Sparflamme im Bereich Kitas und Altenhilfe abgesehen, herrschen hier Prekarisierung, Ausdünnung und – ganz vorsatzgemäß – niedrige Löhne. Betroffen hiervon sind vor allem Frauen.

Sichtbar wird daran – so Heintze – dass der Kampf um die öffentlich finanzierten Dienstleistungen einen Schlüsselkonflikt für die weitere Entwicklung der westlich-kapitalistischen Länder darstellt. Heintze empfahl daher – ähnlich wie Eißel – die Kämpfe um den notwendigen Ausbau von Pflege und Unterstützung für Ältere zum Ansatzpunkt für deutlich mehr öffentliche Mittel zu nehmen, um sich so für einen partiellen Pfadwechsel stark zu machen, der bei Erfolg zum vorbildgebenden Beispiel auch für andere Bereiche werden kann.

Olaf Gerlach

Kapitalismus in der BRD –
Neoliberaler Umbau, Alternativen, Kräfte der Veränderung

7. Marxistische Studienwoche, 10. – 14. März 2014 in
Frankfurt am Main

Die von „Z“ und der Heinz-Jung-Stiftung in Verbindung mit dem Förderkreis für demokratische Volks- und Hochschulbildung e.V. organisierte 7. Studienwoche bot über dreißig Studierenden aus dem ganzen Bundesgebiet die Möglichkeit, sich eine Woche lang intensiv mit der gegenwärtigen Verfassung des BRD-Kapitals und dessen Strategien, der Rolle Deutschlands im globalen Kapitalismus, Klassenverhältnissen und möglichen Alternativen auseinanderzusetzen.

In seinem Einführungsvortrag ordnete Frank Deppe (Marburg) die Rolle der Bundesrepublik in die gegenwärtige Epoche des Kapitalismus ein, die er in Anknüpfung an Ossip K. Flechtheim als durch das Bewusstsein geprägt bestimmte, in einer Zeit des grundlegenden Wandels zu leben. Als zentrale Determinante der letzten Jahre analysierte Deppe die „große Krise“, aus der der Kapitalismus der BRD gestärkt hervorgegangen sei. In diesem Kontext ließen sich auch gegenwärtig geführte Strategiedebatten um eine Erneuerung deutscher Außenpolitik begreifen. Zugleich seien zunehmende soziale Ungleichheit und der Abbau von Demokratie im Kontext der „multiplen Krise“ (Ulrich Brand) wichtige Anzeichen von Widersprüchen und Konflikten, die zum Ansatzpunkt linker Politik werden könnten.

Bei der anschließenden Abendveranstaltung kritisierte Fabio de Masi (Berlin) die Rolle Deutschlands in der EU und plädierte für eine radikale Neuausrichtung der EU-Politik und eine Bewegung von unten. Das Lohndumping in Deutschland habe zu einem enormen außenwirtschaftlichen Ungleichgewicht geführt, durch das Handelspartner sich verschulden müssten und ihre Industrie zerstört würde; gleichzeitig würden die Kosten der Krise auf die Bevölkerung Europas abgewälzt, während die Reichen noch reicher würden.

Ökonomie und Strategie des BRD-Kapitals/Die Bundesrepublik im Rahmen des globalen Kapitalismus:Lucas Zeise (Frankfurt/M., Marx-Engels-Stiftung) sprach zur BRD in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007 ff. Deutschland – oder besser gesagt die Kapitalfraktion in der BRD – profitiere von der EU, weil deren Aufbau staatsarm sei und sich dadurch das kapitalistische Prinzip durchsetzen könne, dass Stärkere stärker und Schwächere schwächer würden. Thomas Sablowski (Berlin, RLS) erläuterte das „Geschäftsmodell“ des BRD-Kapitalismus näher. Merkmale seien unter anderem eine enge Verbindung von Bank- und Industriekapital, die Dominanz der Exportorientierung, die Spezialisierung auf Investitionsgüter und komplexe Waren sowie Korporatismus. Von staatlicher Seite wird das Modell durch einen konservativen Sozialstaat eingerahmt. Gegenwärtig erodiere dieses Modell jedoch. Das trifft vor allem die Arbeitnehmerseite – so sinken etwa Lohnquote und Reallöhne, Gewerkschaften verlieren Mitglieder, die Tarifbindung nimmt ab. Auch Jörg Goldberg (Frankfurt/M., Redaktion Z) zeichnete ein ähnliches Bild. Er insistierte aber darauf, dass solche Erosionstendenzen unterschiedlich abliefen. Die historisch gewachsenen Unterschiede zwischen verschiedenen Kapitalismusmodellen – wie sie in den Debatten der vergleichenden Kapitalismusforschung angesprochen werden – blieben bestehen und würden keineswegs eingeebnet.

Klassenverhältnisse und Alltagsbewusstsein, Arbeitsbeziehungen und soziale Auseinandersetzungen:Oliver Nachtwey (Trier) befasste sich mit neuen sozialen Konflikten in der BRD. Streiks würden auch heute oftmals mit „Blaumännern und Kettenfett“ assoziiert, also einem Bild der klassischen industriellen Arbeiterklasse. In der Realität fänden Arbeitskämpfe weiterhin statt, hätten sich aber geändert. Streiks würden gegenwärtig eher im Einzelhandel und der Pflege und aufgrund dessen häufig von Frauen organisiert werden, während etwa die IG Metall 2003 das letzte Mal gestreikt habe. Nachtwey betonte, dass die Arbeiterklasse nicht an der Anzahl eines bestimmten Typus der Lohnabhängigen festgemacht werden könne, sondern an der Relation der Arbeiterklasse zum Kapital. Wie es um das Lohnabhängigen- und Klassenbewusstsein in der BRD aktuell steht, erläuterte Klaus Dörre (Jena), der dazu in ost- und westdeutschen Betrieben geforscht hat. Eine große Zahl der Befragten stimmte kapitalismuskritischen Aussagen zu. Gerade unter den Befragten in Westdeutschland zeige sich jedoch gleichzeitig eine ablehnende Haltung gegenüber sozial Schwächeren: 54 Prozent stimmten der Aussage zu, dass auf Arbeitslose ein stärkerer Druck ausgeübt werden sollte, 51 Prozent halten eine Gesellschaft, die jeden auffängt, auf Dauer nicht für überlebensfähig. Hier zeigt sich eine gesellschaftliche Spaltung, die auch durch die Reformen der Agenda 2010 und damit verbundene Abstiegsängste verursacht wurde.

Dass es auch unter Gewerkschaftsmitgliedern eine Diskrepanz zwischen Systemkritik und Aktivismus gibt, machte anschließend Richard Detje (Hamburg) deutlich. Der Satz „Wir können uns wehren, wir tun es nicht“ fasst dies zusammen. Während die Wut auf gesellschaftliche Verhältnisse nicht weniger geworden sei, würde auch die eigene Passivität kritisch gesehen. Dennoch gäbe es Perspektiven für politische Bewegung: Gewerkschaften würden weiterhin als vertrauenswürdige Institutionen gesehen, ganz im Gegenteil zum politischen Establishment. Mobilisierungen müssten daher stärker außerhalb etablierter Institutionen stattfinden.

Drei Aktive des SDS berichteten auf dem Abendpodium von Arbeitskämpfen, in denen sie sich engagieren: Sophie Dieckmann (Leipzig) berichtete aus Leipzig von der Gründung und Praxis des Streik-Solidaritätsbündnisses mit amazon-Beschäftigten, in dem sich Angestellte und politische Gruppen für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Das Bündnis hat mehrere Aktionen organisiert und unter anderem dazu aufgerufen, bei Geschenkbestellungen anstelle von Grußbotschaften Solidaritätsbotschaften an die Beschäftigten zu senden, was dort sehr positiv aufgenommen wurde. Oskar Stolz erzählte von Solidaritätsaktionen mit den Angestellten einer H&M-Filiale in Berlin. Niko Henes berichtete von seinen Erfahrungen in Frankfurt. Dort hatten Studierende Angestellte im öffentlichen Dienst und im Einzelhandel unterstützt. Anschließend debattierten die Teilnehmer, ob und in welcher Form Studierende in Arbeitskämpfen sinnvoll aktiv werden können.

Demokratie und Recht/Herrschaftssystem der BRD:Ekkehard Lieberam (Leipzig) erläuterte, dass Staat, Recht und Verfassung aus marxistischer Sicht Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse seien. Das Bonner Grundgesetz habe schon bei seinem Inkrafttreten links von den tatsächlichen Kräfteverhältnisse gestanden, da es ein Klassenkompromiss zwischen progressiven Kräften und den noch nicht vollständig restaurierten kapitalistischen Herrschaftsverhältnissen gewesen sei.

David Salomon (Siegen, Redaktion Z) machte daran anknüpfend deutlich, dass gesellschaftliche Mitbestimmung in der BRD trotz Wahlen und demokratischer Institutionen zunehmend ausgehöhlt würde. Bürgerliche Eliten nähmen dies in Kauf oder forcierten es, um den wirtschaftlichen Vorteil, den ihnen die Begrenzung von Entscheidungsmacht auf Wenige gewährt, nicht zu gefährden. Dies drücke sich unter anderem durch den großen Unterschied in der Wahlbeteiligung zwischen Armen und Reichen aus.

Ähnliche Tendenzen gibt es auch auf internationaler Ebene, wie der Völkerrechtler Norman Paech (Hamburg) ausführte. Unter dem Deckmantel humanitärer und moralischer Begründungen wird von der NATO und Einzelstaaten zunehmend auch dann militärisch interveniert, wenn es keine völkerrechtliche Grundlage gibt. Das Völkerrecht wird dadurch auch für Linke ein wichtiger Bezugsrahmen, da es häufig progressiver sei als die Realität. Debattiert wurden anschließend vor allem aktuelle Themen; zur Ukraine erläuterte Paech, dass auch der Anschluss der Krim durch Russland völkerrechtswidrig sei, da einem Zusammenschluss von beiden beteiligten Staaten zugestimmt werden müsse.

Kampf um Demokratie, soziale Bewegungen, sozialistische Perspektive:Die Abschlussdiskussion zeigte, dass es trotz der oft ernüchternden Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Kapitalismus Proteste und Ansatzmöglichkeiten gibt, um etwas zu bewegen. Frank Deppe argumentierte, dass von einer neuen Phase sozialer Unruhen gesprochen werden könne, in der Bewegungen sehr heterogen seien und von Arbeitskämpfen über Demokratisierungsbewegungen bis hin zu urbanem Protest reichen. Die Situation von Studierenden habe sich außerdem verändert, weil sie nicht länger davon ausgehen könnten, sozial aufzusteigen. Klaus Pickshaus (IG Metall, Frankfurt/M.) ermutigte die Teilnehmenden, auch in und mit den Gewerkschaften aktiv zu werden. Anton Thun (Bloccupy, Berlin) eröffnete eine konkrete Protestperspektive durch die Blockupy-Proteste, in denen verschiedene Themen verbunden werden können.

Kulturprogramm:Auch dieses Mal gab es neben den politischen und wissenschaftlichen Diskussionen der Studienwoche ein Kulturprogramm. Am Dienstagabend las Erich Schaffner (Mörfelden) im Club Voltaire anlässlich des Jahrestags des Beginns des Ersten Weltkriegs aus Karl Kraus’ Stück „Die letzten Tage der Menschheit“. Am Donnerstagabend organisierte Reiner Diederich (Frankfurt/M., KunstGesellschaft, Frankfurt/M.) mit den Teilnehmenden zwei Bildergespräche in der Sammlung „Kunst der Moderne“ des Städel-Museums. Im Zentrum stand insbesondere Francis Bacons Studie zur Krankenschwester aus Panzerkreuzer Potemkin.

Die nächstjährige Marxistische Studienwoche wird wieder im März in Frankfurt/M. stattfinden; eine bei der Tagung gebildete Vorbereitungsgruppe wird zusammen mit den Veranstaltern Themen und Ablauf planen.

Sarah Nagel

Wallenstein, Mittenzwei und ein Bronzekopf

„Werner Mittenzwei als Theatermann“ – Veranstaltung im Karl-Liebknecht-Haus, Berlin am 10. April 2014

Am 14. Februar starb Werner Mittenzwei. Viele kennen ihn als Literaturwissenschaftler, insbesondere als Brecht-Biographen („Das Leben des Bertolt Brecht oder Der Umgang mit den Welträtseln“) und -Herausgeber. Unter den Brechtbiographien ist Mittenzweis einfühlsames, detail- und anekdotenreiches Werk fraglos die bedeutendste. Mit ihrer Gründlichkeit hat sie Maßstäbe gesetzt. Zudem ist sie auch literarisch ein Genuss. Auch Mittenzweis Anteil als Mitherausgeber an der „Großen kommentierten Berliner- und Frankfurter Ausgabe“ der Werke Brechts, die noch als deutsch-deutsches, zugleich im Aufbau- und im Suhrkampverlag ediertes Mammutprojekt begann und die 2000 abgeschlossen wurde, kann nicht überschätzt werden. Große Beachtung fand auch Mittenzweis 2001 erschienenes Werk „Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland 1945–2000“ und schließlich, 2004, seine Autobiographie „Zwielicht“. Weniger bekannt ist, dass Werner Mittenzwei nicht nur Literatur- und Theaterwissenschaftler, sondern auch Theaterpraktiker war. Insbesondere in den 70er und 80er Jahren wirkte er als Leitungsmitglied des Berliner Ensembles. 1983 inszenierte Manfred Wekwerth seine Bühnenfassung des Schillerschen „Wallenstein“ am Wiener Burgtheater.

Dass die (Wieder)Entdeckung des Theatermannes Werner Mittenzwei ein mehr als lohnenswertes Unterfangen ist, bewies die außerordentlich gut besuchte Veranstaltung, zu der das Antieiszeitkomitee ins Karl-Liebknecht-Haus geladen hatte. Als langjähriger Freund, der gerade Mittenzweis theaterpraktisches Wirken besser kennen dürfte als irgendjemand sonst, berichtete Manfred Wekwerth von ihrer gemeinsamen Arbeit in Berlin und Wien. Wie er selbst sei auch Mittenzwei dereinst an der Aufnahmeprüfung an einer Schauspielschule gescheitert – „ein untrügliches Zeichen dafür, für praktische Theaterarbeit geeignet zu sein.“ Renate Richter und Victor Deiß lasen im Anschluss aus Notaten, die Mittenzwei während der Probenarbeit an Stücken aufgeschrieben hatte. Ganz im Brechtschen Sinne handelt es sich bei den „Notaten“ Mittenzweis um etwas grundlegend anderes als um bloße „Notizen“. Das Notat entsteht aus einem konkreten Anlass, oft gebunden an einen bestimmten Zweck – etwa die Inszenierung eines Theaters. Zugleich besitzt es als eigenständige Textsorte jedoch eine relative Unabhängigkeit von dem Zweck, in dessen Kontext es entstand. Mittenzweis Notate sind kleine verdichtete ästhetische Abhandlungen, Miszellen oder Miniaturen, die auch, wenn sie einen ganz konkreten Schauspieler beim Spiel einer ganz bestimmten Rolle beschreiben oder wenn sie einen Aspekt der Sprache Gorkis behandeln, mehr an prinzipieller Einsicht enthalten als so mancher lange Aufsatz.

Von Mittenzweis dramaturgischen und literarischen Fähigkeiten konnte sich das Publikum schließlich anhand einiger brillant ausgewählter Ausschnitte aus der Wiener Wallenstein-Inszenierung überzeugen. Schiller selbst hatte, wie Manfred Wekwerth erläuterte, dereinst in einem Brief gefordert, die drei Dramen, bei deren Abfassung mit ihm der „Historiker durchgegangen“ sei, zu einem an einem Abend spielbaren Stück zu komprimieren. Just diese Leistung hat Werner Mittenzwei vollbracht. Indem Mittenzwei Wallensteins Lager zwischen die übrigen Szenen schob, wurde zudem auch die wechselseitige Dynamik des Geschehens zwischen den großen Herren und den gewöhnlichen Soldaten greifbar. Was in herkömmlichen Schillerinszenierungen nacheinander geboten wird, erscheint in der von Wekwerth inszenierten Fassung Mittenzweis als ineinander verschränkt. Hierdurch werden Bezüge kenntlich, die auch der Lektüre der Stücke gemeinhin verborgen bleiben.

Den Abschluss dieses – trotz des traurigen Anlasses – wunderschönen und streckenweise auch heiteren Abends markierte die Enthüllung des Mittenzweikopfes in Bronze, den die Bildhauerin Christiane Rößler angefertigt hat. Als Teil einer Serie von Skulpuren wird auch dieser Kopf dazu beitragen, das Andenken an die großen Intellektuellen der DDR zu bewahren. Dass Christiane Rößler statt großer Ansprachen eine kurze Chronik ihrer Bekanntschaft mit Mittenzwei gab, in dem sie aus ihrem Briefwechsel las, gab der Enthüllung eine besondere, ja intime Note. Fast war es als sei Werner Mittenzwei mit im Raum …

David Salomon

1[17] Michael Schumann, Das Jahrhundert der Industriearbeit. Soziologische Erkenntnisse und Ausblicke. Mit einem Nachwort von Klaus Dörre, Weinheim und Basel 2013.

2[18] Der Arbeitskreis hat eine instruktive Übersicht zum Forschungsstand in wichtigen arbeitspolitischen Themenbereichen (wie: Rationalisierung, Flexibilisierung, Prekarität, Arbeit und Leben, Bewusstseinsforschung, Industrielle Beziehungen, Genderfragen, Arbeitsgestaltung/Arbeitsorganisation, Leistung und Leistungspolitik, Arbeitszeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz, physische und psychische Arbeitsbelastungen u.a.m) vorgelegt: IG Metall Vorstand (Hrsg.), Beiträge zur Arbeitspolitik und Arbeitsforschung. Handlungsfelder, Forschungsstände, Aufgaben, Frankfurt am Main 2010. 2012 erschien: Werner Fricke / Hilde Wagner (Hrsg.), Demokratisierung der Arbeit. Neuansätze für Humanisierung und Wirtschaftsdemokratie, Hamburg 2012.

3[19] IG Metall Vorstand (Hrsg.), Beschäftigtenbefragung. Analyse der Ergebnisse, Frankfurt am Main 2013. Vgl. Hans-Jürgen Urban / Klaus Pickshaus, Arbeitspolitik von unten – Die Beschäftigtenbefragung der IG Metall 2013, in: L. Schröder / H. J. Urban (Hrg.), Gute Arbeit. Ausgabe 2014, Frankfurt/M., S. 49-62. Die Befragungsergebnisse sind auch Gegenstand einer betriebspolitischen Tagung der IG Metall (Mai 2014).

4[20] Schumann mit Verweis auf das neue Buch des Münchener Industriesoziologen Dieter Sauer (ISF) „Die organisatorische Revolution“, Hamburg 2013, und auf ein Interview von Sighard Neckel (Inst.f. Sozialforschung, Frankfurt/M.) in der WOZ (Zürich) 39/2013 v. 26.09.2013, der in dem Widerspruch von umfassenden Persönlichkeitsanforderungen in der Arbeit bei gleichzeitiger Begrenzung ihrer Handlungsmöglichkeiten auf „das ökonomisch Verwertbare“ die Quelle von Enttäuschung und Burn-Out, aber eben auch von „Kritik am heutigen Hochgeschwindigkeitskapitalismus“ sieht.

5[21] Vgl. Goldberg u.a., Z 97, März 2014, S. 148ff; Deutsche Bank Research, Re-Industriealisierung Europas: Anspruch und Wirklichkeit, November 2013.

6[22] Vgl. Klaus Dörre, Prekarisierung und Gewerkschaften – Gegenstand einer öffentlichen Soziologie, in: Gute Arbeit. Ausgabe 2014, a.a.O., S. 25-48.

7[23] K. Dörre, A. Happ, I. Matuschek (Hrsg.), Das Gesellschaftsbild der LohnarbeiterInnen, Hamburg 2013.

8[24] Vgl. Forschungsunion/acatech: Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0, April 2013.

[1][25] Joseph Goebbels: Eine scharfe Abrechnung, in: Völkischer Beobachter 14.09.1935, S. 1f. u. 4.

[2][26] Vgl. hierzu bspw. den Sammelband: Anna Kaminsky/Dietmar Müller/Stefan Troebst (Hgg.): Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 in den Erinnerungskulturen der Europäer (=Moderne Europäische Geschichte, Bd. 1), Göttingen 2011.

[3][27] Der Vertragstext ist u.a. hier einzusehen: Nr. 228 - Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken; Nr. 229 - Geheimes Zusatzprotokoll, in: Akten zur Deutschen Außenpolitik 1918-1945, Serie D (1937-1945), Band VII: Die letzten Wochen vor Kriegsausbruch. 9. August bis 3. September 1939, Baden-Baden 1956, S. 205-207.

[4][28] Ganz den Geiste einer Kalten-Kriegs-Historik atmend liest sich bspw. Susanne Schattenberg: Diplomatie der Diktatoren. Der Molotov-Ribbentrop-Pakt, in: Osteuropa 59. Jg. (2009), H. 7/8, S. 7-31.

[5][29] Morsch nimmt auf den im Jahre 2009 gefassten Entschluss des Europäischen Parlamentes Bezug, dass den 23. August zum „Gedenktag für die Opfer aller totalitären und autoritären Regime“ erklären und damit „(...) Kommunismus, Nazismus und Faschismus als "gemeinsames Vermächtnis" anzuerkennen und eine "ehrliche und tiefgreifende Debatte" über sämtliche totalitären Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts zu führen“, vgl. PM „23. August zum Gedenktag für Opfer totalitärer und autoritärer Regime machen“, URL: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=//EP//TEXT+IMPRESS+20090401IPR53245+0+DOC+XML+V0//DE [aufgerufen am 23. Feb. 2014].

[6][30] Vgl. Domenico Losurdo: Stalin. Geschichte und Kritik einer schwarzen Legende. Mit einem Essay von Luciano Canfora, Berlin 2012.

[7][31] Eine überzeugende wie verdichtete Darstellung diesbezüglich ist u.a.: Ingeborg Fleischhauer: Die sowjetischen Außenpolitik und die Genese des Hitler-Stalin-Paktes, in: Bernd Wegner (Hg.): Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt bis zu „Unternehmen Barbarossa“, München/Zürich 1991, S. 19-39.

[8][32] Zum Sicherheitsbedürfnis als Axiom der sowjetischen Außenpolitik vgl. Bianka Pietrow-Ennker: „Mit den Wölfen heulen ...“. Stalinistische Außen- und Polenpolitik 1939 – 1941, in: Bianka Pietrow-Ennker (Hg.): Präventivkrieg? Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion, Frankfurt a./M. 2011 (zuerst 2000), S.80-98.

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