Neuer Imperialismus – Zentrum und Peripherie

Der kolumbianische Sonderweg

Zur Anatomie eines Bürgerkriegs

September 2003

Kolumbien ist ein Land, in dem es seit geraumer Zeit beinahe jeden Monat einen ganz kleinen „11. September“ gibt. Der Beginn dieser neuen heißen Phase des nunmehr seit über 40 Jahre andauernden bewaffneten Konflikts lässt sich genau datieren. Mit der Aufkündigung des Friedensprozesses zwischen der Guerillaorganisation FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de ColombiaEjército del Pueblo) und dem kolumbianischen Staat durch die Regierung Pastrana (1998-2002) setzte im Februar 2002 die Eskalation des Konfliktes ein. Die im August 2002 vereidigte Regierung Uribe verfolgte seitdem eine militärische Lösung der Auseinandersetzungen und damit einen noch härteren Konfrontationskurs. Die Guerilla antwortete darauf mit einem umfassenden Strategiewechsel – der Operationsweise als Terrornetzwerk in den Städten.

Auch wenn die gegenwärtige Zuspitzung der Situation durchaus eine neue Qualität besitzt, sind die Wurzeln der Schwierigkeiten in der Geschichte des Landes zu suchen. Es gilt demnach zu klären, warum ausgerechnet Kolumbien in eine Spirale von Gewalt geriet und so zum lateinamerikanischen „worst case-Szenario“ (Boris 2001: 149) wurde. Im Verlauf solch einer Untersuchung sind ohne Zweifel einige gewichtige Ursachen auszumachen, die Kolumbien auf einen lateinamerikanischen Sonderweg drängten.

Historische Wurzeln des bewaffneten Konflikts

Als erster Grund für diese Entwicklung ist das traditionelle Zweiparteiensystem (bipartidismo) zu nennen. Die Konservative und Liberale Partei entstanden bereits in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Zwar war Kolumbien als territorialer Raum und administratives Gebiet infolge der Unabhängigkeitskriege de facto schon existent, doch die Konsolidierung des Nationalstaats erfolgte, wie in den meisten südamerikanischen Ländern, erst in den 80er Jahren. Somit waren beide Parteien vor der Festigung des Staatsapparats präsent. Dies führte dazu, dass die Herausbildung von intermediären, zivilgesellschaftlichen Strukturen durch die Existenz der beiden Machtblöcke behindert und die Parteizugehörigkeit meist nicht durch freie Wahl, sondern qua Geburt bestimmt wurde. Der Einfluss der traditionellen Parteien setzte sich ungemindert bis heute fort und schlug sich, um in Raul Zeliks (1999, 49) Worten zu sprechen, in einer „vertikalen Spaltung der Gesellschaft“ nieder. Diese Problematik zog eine weitgehende Kriminalisierung sämtlicher Versuche neuer sozialer Gruppen, innerhalb des legalen politischen Systems zu arbeiten, nach sich.

Eng verbunden mit dem Zweiparteiensystem war eine spezielle konservative Hegemoniestruktur, die von 1884 bis 1928 andauerte und die Entwicklung des Landes tiefgreifend prägte.[1][1] 1886 rezentralisierte die konservative Regierung Núñez mit einer neuen Verfassung die kolumbianische Verwaltung. In diesem Festigungsprozess des Staates nahm die katholische Kirche eine besondere Rolle als Stabilisator wahr. Der Kirche wurde das Bildungsmonopol übertragen und der Katholizismus zur Staatsreligion des Landes, die kirchliche Macht demzufolge restauriert.

Die Epoche konservativer Hegemonie um die Jahrhundertwende unterscheidet sich demnach in zwei Punkten von der überwiegenden Mehrzahl anderer lateinamerikanischer Staaten. In den meisten Ländern herrschte eine liberale Hegemonie vor, und die Armee diente als Stabilisator für den institutionellen Zusammenhalt des Landes. Als Konsequenz dieser kolumbianischen Eigenart ist die Schwäche der Armee und die Instabilität der politischen Situation nach dem Zusammenbruch dieser Struktur von Bedeutung.

Ein weiterer wichtiger Punkt für die Sonderentwicklung Kolumbiens besteht in der geografischen Isolation des Landes. Kolumbien ist durch drei Kordillerenketten und zwei Flüsse, den Rio Magdalena und den Rio Cauca, viergeteilt (vgl. Gou¸set 1997). Die regionale Isolation verstärkte die ohnehin schon starken Konflikte regionaler Machthaber und bot so die ideale Ausgangsbedingung für eine Guerillastrategie. Außerdem hemmte die geografische Teilung des Landes die Entwicklung eines tieferen Binnenmarkts und intensivierte demzufolge die exportorientierte Wirtschaftsstruktur Kolumbiens.

Das liberale Wirtschaftsmodell des Landes übte ebenfalls einen bedeutenden Einfluss auf die Genesis der kolumbianischen Gesellschaft aus. Während in den meisten lateinamerikanischen Staaten nach dem Zusammenbruch des Import-Export-Regimes im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 eine neue auf den Binnenmarkt orientierte Akkumulationsstrategie umgesetzt wurde, blieb die kolumbianische Wirtschaft trotz der Entwicklung beachtlicher industrieller Kapazitäten weiterhin auf die exportorientierten Sektoren wie den Kaffeeanbau fixiert.

Die Hauptursache für diese ökonomische Entwicklung findet sich in dem Fehlen eines populistischen Überbaus für eine veränderte Form der Kapitalakkumulation. In den meisten lateinamerikanischen Staaten entstanden infolge der Großen Depression populistische Bewegungen, denen es schließlich gelang, den Staatsapparat zu besetzen, ein importsubstituierendes Industrialisierungsmodell durchzusetzen und nicht zuletzt die urbanen Massen in das politische System zu integrieren. Meist war die Ausgangsposition hierfür geprägt von einer Phase der Instabilität. Keine der gesellschaftlichen Gruppen – weder die alte exportorientierte Bourgeoisie, die industriellen Kapitalfraktionen, die neuen urbanen Massen noch die Landbevölkerung – war fähig, ein neues hegemoniales Projekt für die Weiterentwicklung des Landes zu formulieren. So waren oft eine Führergestalt und eine mehr oder minder institutionalisierte Klassenallianz von Nutzen, „um die Massen zu manipulieren“ und auf diese Weise das neue Industrialisierungsprojekt durchzusetzen, wobei jedoch „die Manipulation niemals absolut war“ (Weffort 1998: 136).

Anders in Kolumbien. Zum gleichen Zeitpunkt, zu dem in Argentinien die Peronisten (1947-1955) an die Macht gelangten und kurz nach der ersten Regierung Getúlio Vargas (1937-1945), existierte hier eine linkspopulistische Bewegung, die in ihren Bemühungen scheiterte, die Staatsmacht an sich zu reißen. Aufgrund der Zweiparteienstruktur ging die gaitanistische Bewegung in der Liberalen Partei auf, eine populistische Politik mit sozialistischen Zügen verfolgend (vgl. Valencia 1998). Der Anführer der Bewegung, Jorge Eliécer Gaitán, wurde am 9. April 1948 durch Handlanger der traditionellen Oligarchie ermordet. Es kam zu einem Volksaufstand, dem bogotazo, nach dem die gaitanistische Bewegung zerfiel und das gesamte Land in einem mehrjährigen Blutbad versank, das heute nur noch unter dem Namen La Violencia (die Gewalt) bekannt ist.

Infolgedessen gelang es in Kolumbien nicht, den Staat, „ein Beziehungsverhältnis sozialer Kräfte“ (Poulantzas 1978: 128), soweit umzufunktionieren, dass der Apparat als Forum für eine Klassenallianz diente. Die kolumbianische Bourgeoisie monopolisierte die Staatsmacht weiterhin und nutzte die Zweiparteienstruktur, um direkt politische Entscheidungen umzusetzen.

So bleibt zu konstatieren, dass die sozialen Strukturen Kolumbiens in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg unangetastet blieben. Die extrem hohe soziale Spaltung[2][2], eine ausgeprägt ungleiche Landverteilung, eine dualistische Wirtschaftsstruktur und das geschlossene politische System bot in den Folgejahren den idealen Nährboden für die Entstehung der Guerillabewegung.

Die Entstehung der Guerillas

Die Phase der Violencia wurde erst durch ein Bündnis zwischen liberalen und konservativen Kräften gestoppt. War es der vorangehenden Militärdiktatur Rojas Pinillas (1953-57) gelungen, viele der liberalen Guerillas zur Demobilisierung zu bewegen, wurden jetzt durch die Frente Nacional (1958-1974) sämtliche politische Ämter zwischen beiden Parteien aufgeteilt, der Präsidentenposten rotierte von nun an zwischen beiden Organisationen im Vierjahreszyklus. Im Unterschied zu vergleichbaren Parteibündnissen, wie beispielsweise dem Pacto de Punto Fijo in Venezuela, zeichnete sich die Frente Nacional durch die politische Exklusion der gesamten Arbeiterklasse aus (vgl. Palacios 2001: 55-57).

Dieser ohnedies schon sehr bedeutsame Faktor vermischte sich mit einer ganzen Reihe von verschiedenen Einflüssen, die zur Entstehung einer Vielzahl von Guerillas in den sechziger Jahren beitrugen. Neben dem Einfluss der kolumbianischen „Neuen Linken“ auf die Politik des Landes, sollte hierbei vor allem die Studentenbewegung Erwähnung finden. Insbesondere die Rolle des Universitätspfarrers Camillo Torres war hier von hoher Bedeutung. Der radikale Befreiungstheologe fungierte zunächst als Sprachrohr der Volksbewegung Frente Unido del Pueblo und schloss sich später der ELN-Guerilla (Ejército de la Liberación Nacional) an, um 1966 den Tod im bewaffneten Kampf zu finden und so zu einem „kolumbianischen Che Guevara“ stilisiert zu werden. Ein zusätzlicher Grund ist gewiss in der Radikalisierung vieler ehemals liberaler Guerillas aus der Phase der Violencia zu sehen. Oft arbeiteten diese Truppen zunächst als Bauernselbstverteidigungseinheiten, um sich später zu politisieren. In diesem Kontext ist die Entstehung der FARC-EP einzuordnen. Ein weiterer Radikalisierungsprozess fand innerhalb der Erdölarbeiterschaft im Nordosten des Landes statt. Die Erdölarbeiter entfachten eine Reihe von harten Arbeitskämpfen und stellten später einen Teil der sozialen Basis der ELN dar. Von großer Bedeutung für die „Guerillawelle“ war auch die Zunahme von sozialen Kämpfen im Agrarsektor.

Neben diesen internen Ursachen für den bewaffneten Konflikt existierten auch einige externe Einflüsse, die die kolumbianische Situation prägten. Als ein besonders auffälliges Ereignis ist hier die kubanische Revolution (1959) zu nennen, die den möglichen Erfolg der Guerillastrategie anschaulich dokumentierte. In ganz Lateinamerika sprossen nun Guerillas wie Pilze aus dem Boden. Zusätzlich stellte der Ost-West-Konflikt eine günstige Ausgangsbedingung für eine revolutionäre Strategie dar. Neben der Aussicht auf eine „Zugehörigkeit“ im realsozialistischen Lager standen auch finanzielle Mittel zur Verfügung. Der Führungsstreit zwischen der chinesischen und der sowjetrussischen Regierung in der kommunistischen Bewegung zog ebenfalls Konsequenzen nach sich. Die maoistische Strategie erschien für viele lateinamerikanische Linke sehr viel attraktiver und führte so zur Multiplikation der Guerillabewegungen.

Insgesamt sind drei dieser Organisationen für die Politik Kolumbiens von großer Bedeutung gewesen. Zwei der Guerillas existieren heute noch.[3][3]

Die FARC-EP können zurecht als die älteste Guerilla Lateinamerikas bezeichnet werden. Nach der Attacke auf Marquetalia im Jahr 1964 aus Bauernselbstverteidigungseinheiten entstanden, gründeten sich die FARC-EP 1982 als Volksarmee. Die politische Ausrichtung der Guerilla und deren Struktur ist im Vergleich zu anderen Guerillaorganisationen eher ungewöhnlich. Die FARC-EP verstehen sich als der bewaffnete Arm der marginalisierten kolumbianischen KP und verfolgen eine bürgerlich-parteikommunistische Aussöhnung. Nach einer Phase der Stagnation wuchs die Organisation in den achtziger Jahren auf über 3.000 Personen an und hat heute heute eine Anzahl von mehr als 15.000 Kämpfern erreicht.

Die ELN weist eine vollständig verschiedene Zielsetzung und Struktur auf. Als ideologisch von Kuba beeinflusste Gruppe handelt es sich bei der ELN um eine klassisch guevaristische Guerilla. Dennoch machte die Organisation nach einer harten militärischen Niederlage 1973 einen beeindruckenden Strukturwandel durch. Die Organisationsstruktur der Partisanen wurde demokratisiert, die ideologische Zielsetzung durch eine gramscianische Wende revidiert und die Vorgehensweise beinahe verwissenschaftlicht. Die sich nunmehr als politische Bewegung in Waffen betrachtende, heutzutage schätzungsweise 5.000 Personen zählende Gruppe stützt sich weiterhin auf eine ländliche soziale Basis im Nordosten des Landes und pflegt Kontakte zur Erdölarbeiterschaft.

Eine weitere in den 70er und 80er Jahren sehr einflussreiche Guerilla stellte die M-19 dar. Nach einem Wahlbetrug an dem nationalistischen Mitte-Links-Bündnis ANAPO im Jahr 1970 entstanden, konnte die M-19 nicht nur als einzige Guerillaorganisation mit einer städtischen Basis aufwarten, die bis weit in die Mittelschichten hineinreichte, sondern machte auch immer wieder durch spektakuläre Aktionen auf sich aufmerksam. Bei der politischen Ausrichtung der Aufstandsbewegung handelte es sich um eine linkspopulistische Ideologie, die mit der Orientierung der uruguayanischen Tupamaros vergleichbar war. Nach einer verlustreichen Besetzungsaktion im November 1985 demobilisierte sich die M-19, um 1991 einen kläglich gescheiterten Versuch zu unternehmen, die Zweiparteienstruktur des Landes aufzubrechen.

In der Entstehung der Guerillabewegung kann die Hauptkonfliktachse der bewaffneten Auseinandersetzung in Kolumbien ausgemacht werden. Wenngleich keine der Gruppen fähig war, in den Folgejahren die Machtfrage zu stellen, muss festgehalten werden, dass die Präsenz der Partisanentruppen die Oligarchie unter Druck setzte. Das politische System Kolumbiens blieb jedoch auch nach der Frente Nacional weitgehend intakt. Weiterhin monopolisierten Liberale und Konservative Partei den Zugang zur staatlichen Macht. In den achtziger Jahren sollten sich jedoch mit dem Paramilitarismus und dem Drogenhandel zwei neue Faktoren herausbilden, die den kolumbianischen Konflikt maßgeblich beeinflussten und für die Eskalation des Bürgerkriegs mit verantwortlich waren.

Paramilitarismus und Drogenhandel

In der kolumbianischen Linken ist es zum Allgemeinplatz geworden, die Vorgehensweise paramilitärischer Einheiten mit einem Zitat Mao Tse-tungs zu veranschaulichen. Um die Guerilla, die sich im Volk wie der Fisch im Wasser bewege, wirksam zu bekämpfen, müsse der Staat dafür sorgen, dass das Wasser ausgetrocknet wird. Im Klartext: Die soziale Basis der Guerilla muss zerstört bzw. soweit umkonfiguriert werden, dass die Guerilla an Bewegungsfreiheit verliert. Dies ist die Aufgabe der Todesschwadronen. Bei dem Paramilitarismus handelt es sich daher keineswegs um einen entstaatlichten Krieg (zur Entstaatlichungsthese vgl. Mary Kaldor), sondern vielmehr um eine in sich widersprüchliche Form des „Outsourcings“ von Militäroperationen durch einen überlasteten Staat (hierzu. Zelik 2002).

Am kolumbianischen Beispiel lässt sich diese Feststellung verdeutlichen. Schon das Pilotprojekt im Jahr 1981 weist darauf hin. Unterstützt von einer Allianz aus Viehzüchtern, multinationalen Unternehmen und der Armee wurde im kleinen Dorf San Juan Bosco de la Verde in Magdalena Medio – Gewerkschaftsbastion und zugleich Operationsgebiet von FARC-EP und ELN – mit dem Training erster Einheiten begonnen. Die von dem kolumbianischen Armeegeneral Farouk Yanine Díaz auf einem Texaco-Firmengelände ausgebildeten Truppen breiteten sich innerhalb kürzester Zeit auf das ganze Gebiet um den Rio Magdalena aus, bis sie sich schließlich fast im gesamten Land festsetzten. Ihre Operationen, Morde an linken Oppositionellen, regelmäßige Massaker an der Zivilbevölkerung und Attacken gegen Guerillas, wurden meist von der Armee geduldet, oft gab es Fälle von Zusammenarbeit. So trug der Paramilitarismus nicht nur zur Verschärfung des Konfliktes bei, sondern führte auch infolge der immer undurchschaubareren Auseinandersetzungen zur schrittweisen Entpolitisierung der kolumbianischen Gesellschaft. Heute sind die ultrarechten Todesschwadronen in der Dachorganisation AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) organisiert, zählen über 10.000 Personen, werden von dem Warlord Carlos Castaño angeführt und befinden sich in Friedensverhandlungen mit der Regierung Uribe.

Die Entstehung der kolumbianischen Drogenindustrie ist mit einem Paradoxon verbunden. Obwohl in den Andenländern Peru und Bolivien eigentlich potentere Kokapflanzen wachsen und der Anbau schon seit Jahrhunderten von den dort lebenden Indios betrieben wird, hat sich die Hauptindustrie zur Verarbeitung der Kokapaste in Kolumbien angesiedelt. Diese Entwicklung hat ihre Wurzeln in einem Bündel an Ursachen. Bedeutsam waren einerseits alte Schmugglerringe, die nach dem Marihuanaboom der frühen 70er Jahre erste Erfahrungen im Drogengeschäft sammeln konnten. Zum anderen bot der Bürgerkrieg einen geeigneten Nährboden für den Handel. Nicht nur, dass der überlastete kolumbianische Staatsapparat nicht fähig war, dem Drogenhandel im territorial zersplitterten Kolumbien Einhalt zu gebieten, auch waren die vielen kolumbianischen Einwanderer in die USA ohne weiteres in der Lage, ihre kubanischen Konkurrenten mit brutaler Gewalt auszuschalten und weltweite Distributionsnetzwerke aufzubauen.

In den achtziger Jahren bildeten sich zwei Drogenkartelle (Calí und Medellín), die zwischenzeitlich den Handel monopolisierten. Der gesellschaftliche Einfluss des Drogengeschäfts war verheerend. Die Ausführung der Konkurrenzkämpfe im illegalen Markt erfolgt meist mittels Gewalt, die Folge des Business bestand in einer Verschärfung des Bürgerkriegs. Es wurde möglich, jugendliche Auftragskiller (sicarios) zum Billigpreis anzuheuern. Die Versuche des Medellín-Kartells, eine eigene soziale Basis aufzubauen, führten zur Eskalation des Drogenkriegs und es bildeten sich Verknüpfungen zwischen dem Drogenhandel und den bewaffneten Gruppen heraus, die zur Reproduktion des Krieges beitrugen.[4][4]

Die Zeit der großen Drogenkartelle endete in den frühen neunziger Jahren. Nach der Zerschlagung des Medellín- (1993) und des Calí-Kartells (1995) begann sich der Drogenmarkt aufzufächern. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der immense Einfluss der kolumbianischen Drogenbourgeoisie bis heute anhält. Ihre politische Strategie, systematische Korruption sowie Abkommen mit den bewaffneten Gruppen, intensivierten und verkomplizierten den Bürgerkrieg.

Komplettrestauration und erneuter Crash

In den achtziger Jahren befand sich das kolumbianischen Zweiparteiensystem in einer schwierigen Lage. Die Eskalation des bewaffneten Konflikts und die lateinamerikanische Schuldenkrise 1982 führten zu Verhandlungsversuchen zwischen Staat und Guerilla. Nach einem gescheiterten Friedensprozess unter der Regierung Betancur (1982-86), der in einem Massenmord an über 3.000 Funktionären der FARC-EP nahen Partei Unión Partriótica endete, wirkten der Zusammenbruch des Ostblocks und die Schwäche der M-19 als Katalysator für ein neues Demobilisierungsprojekt, mit dem sogar eine Verfassungsgebende Versammlung verbunden war. Die Umgestaltung von Verfassungen war im lateinamerikanischen Raum zu diesem Zeitpunkt keineswegs eine Besonderheit, sondern erfolgte vielmehr im Rahmen eines großen Umwälzungsprozesses in der Konstruktion nationaler Identität in Lateinamerika (vgl. Gros 2000). Dennoch waren die Verfassungsänderungen oftmals Teil neoliberaler Projekte, die zwar neue Rechte für die indigenen Minderheiten gewährten, aber sich meist durch die Dezentralisierung des Staates und eine harte neoklassische wirtschaftspolitische Konnotation auszeichneten. Ähnlich in Kolumbien. In das Verfassungsprojekt von 1991 wurden zunächst große Hoffnungen gesetzt, die aber schnell verrauchten. Die Zielsetzung zur Demobilisierung der M-19, die Konstituierung einer dritten politischen Kraft, wurde nicht erreicht. Einmal mehr fand ein linker Präsidentschaftskandidat den Tod im Kugelhagel. Stattdessen ging mit dem Verfassungsprojekt eine Komplettrestauration des verstaubten Zweiparteienregimes einher. Die zweite liberale Regierung Gaviria nutzte diesen Legitimitätsgewinn für harte neoliberale Reformen.

Aus dieser Perspektive betrachtet, hatte die Nachfolgeregierung Samper (1994-1998) eine denkbar günstige Ausgangsposition. Dem ungeachtet schaffte es die liberale Administration, innerhalb kürzester Zeit das restaurierte Parteiensystem zu ruinieren. Eine Spendenaffäre, in der nachgewiesen wurde, dass Samper Gelder aus dem Drogengeschäft für seinen Wahlkampf bezogen hatte, untergrub die Zuversicht der Bevölkerung. Gleichzeitig begannen die FARC-EP, finanziert durch Drogengelder und durch ein Heer von neuen Freiwilligen gestärkt – ein direktes Ergebnis der neoliberalen Reformen –, ihre Methode umzustellen. Die klassische Guerillataktik wurde durch direkte Attacken gegen Militärbasen ergänzt.[5][5]

Friedensprozess und Plan Colombia

An dieser Stelle setzte eine weitergehende, internationale Strategie ein, die oft mit dem Namen Plan Colombia tituliert wird. Ausgangsbedingung für dieses Projekt war die Einsicht der US-Administration, dass ein militärisches Eingreifen in Kolumbien notwendig wurde, um die eigenen Interessen auf dem lateinamerikanischen Subkontinent abzusichern.

Zunächst galt es die Lage zu stabilisieren. 1998 sehnte sich die kolumbianische Bevölkerung nach Frieden. Dieser Wunsch führte zur widersprüchlichen Situation, dass im selben Jahr der Frieden zum Hauptthema des Wahlkampfes gemacht wurde und eine Art Wettlauf beider Kandidaten um die besten Kontakte zur Guerilla begann. Der Konservative Andrés Pastrana ging als Sieger aus dem Urnengang hervor und begann am 7.1.1999 Friedensverhandlungen mit den Guerillas. Den FARC-EP wurde eine feste entmilitarisierte Zone in Größe der Schweiz zugestanden. Die Wünsche der militärisch schwächeren ELN fanden jedoch keine Berücksichtigung und so wurden die Gespräche mit der Organisation bereits am 16. Februar abgebrochen.

Gleichzeitig kam der Plan Colombia ins Spiel. Das am 21.9.1999 vorgestellte Projekt existierte bereits zwei Tage vor dem Beginn der Friedensverhandlungen und beinhaltete eine klare Ausrichtung in Richtung einer militärischen Lösung des Konflikts, eine harte neoliberale Wirtschaftspolitik und eine gewaltsame Lösung des Drogenproblems (vgl. Álvarez 2002). Bei diesem mit über 7 Milliarden Dollar finanzierten Plan handelt es sich um ein geostrategisches Großprojekt.

Die plötzliche Aufmerksamkeit für das Andenland speist sich vor allem aus vier Motiven. Zunächst herrscht in der US-Regierung große Sorge vor einer möglichen kubanisch-venezolanisch-kolumbianischen „Achse des Bösen“. Gerade die Außenpolitik der venezolanischen Regierung Chávez kann als offene Oppositionshaltung gewertet werden und greift verschiedene Megaprojekte in der Region an.

Diese Megaprojekte gruppieren sich um die geplante gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA (Área de Libre Comercio de las Américas). Das Abkommen soll im Jahr 2005 in Kraft treten und würde den Neoliberalismus gesetzlich als wirtschaftpolitische Doktrin Lateinamerikas festschreiben. Kolumbien spielt in diesem Projekt eine wichtige Rolle. Das Land erscheint infolge seiner geografischen Lage als Drehscheibe. Sämtliche Landtransportwege zwischen Nord- und Südamerika passieren Kolumbien. Der Kordillerenstaat besitzt Grenzen zu fünf Staaten und als einziges südamerikanisches Land Zugang zum Pazifischen und Atlantischen Ozean.

Zudem gibt es in Kolumbien viele Rohstoffvorkommen, die teilweise wegen der Guerillaaktivitäten noch nicht erschlossen sind. Neben den beachtlichen Erdölvorkommen und der Smaragdförderung im Nordosten des Landes sind auch Steinkohlelagerstätten von gewissem Rang.

Darüber hinaus ist Kolumbien nach Brasilien das Land mit der zweithöchsten Biodiversität der Welt. Die beträchtliche Artenvielfalt der Region hat daher eine neue Bedeutung als Ressourcenquelle für die junge Gentechnikindustrie erlangt.

Innerhalb dieser Interessenkonstellation kam der inzwischen zur Iniciativa Regional Andina (Regionale Andeninitiative) ausgeweitete Plan Colombia ins Rollen. Die Friedensverhandlungen waren infolge der Abneigung der Regierung, die soziale Frage zu verhandeln, ins Stocken geraten und im Hintergrund brauten sich die ersten Anzeichen einer schleichenden US-Invasion zusammen.[6][6] Schließlich wurde ab Herbst 2001 immer offener von einem Ende der Friedensverhandlungen gesprochen und am 21. Februar begann mit der Attacke auf die entmilitarisierte Zone die neue heiße Phase des Bürgerkriegs.

Die Bilanz der Regierung Pastrana kann demzufolge in knappen Worten dargestellt werden. Denn: Die konservative Regierung tat genau das Gegenteil dessen, wofür sie gewählt wurde. Dennoch wurde dies nicht unbedingt so wahrgenommen, vielmehr lastete man das Scheitern des Friedensprozesses oft einseitig der Guerilla an. Die gesellschaftliche Stimmung schlug um. Wollten die städtischen Mittelschichten, oftmals Königsmacher in den Wahlen, 1998 den Frieden, hatten sie sich nun mit dem Gedanken angefreundet, den Konflikt mit militärischer Gewalt zu lösen. Hiervon zeugten die Präsidentschaftswahlen im April 2002. Die Bevölkerung ersehnte einen Krieger, der auszieht, um die Guerilla zu besiegen, und bekam ihn mit Álvaro Uribe Vélez präsentiert.

Der formal unabhängige Kandidat wurde von vielen Seiten unterstützt. Die Konservative Partei rang sich nach einem Wahldebakel im März 2002 dazu durch, ihren Präsidentschaftskandidaten zurückzuziehen und begann Uribe zu unterstützen. Darüber hinaus waren die Kongresswahlen bereits von einem gewaltigen Skandal begleitet worden. Es wurde immer offensichtlicher, dass Paramilitärs ihren Einfluss nutzten, um ihnen wohlgesonnene Kandidaten im Kongress zu positionieren. Diese Parlamentarier betrachteten den Newcomer als ihren Mann. Die Massenmedien steuerten ebenfalls ihren Beitrag zu. Neben sehr positiver Berichterstattung stellte die größte Tageszeitung des Landes (El Tiempo) mit Francisco Santos den neuen Vizepräsidenten. Zuletzt ist zu erwähnen, dass Uribe von Teilen der traditionellen Oligarchie und der multinationalen Unternehmen hofiert wurde. Der kometenhafte Aufstieg des Hardliners endete mit einem fulminanten Wahlsieg. Uribe gewann im ersten Wahlgang mit 53,1 Prozent der Stimmen.

Die Regierung Uribe

Schon die Amtsübernahme der neuen Regierung zeugte von der Zuspitzung des Krieges. Am 7. August wurde der Palacio de Nariño, der Ort der Vereidigung, mit Raketen beschossen, es folgte die Verhängung des Ausnahmezustandes, der erst durch das Verfassungsgericht zum 31.4.03 beendet wurde.

Die Uribe-Regierung begann schnell mit ihrer Arbeit. Innerhalb kürzester Zeit verabschiedete man per Dekret ein Bündel von Reformen, das später in modifizierter Form Kongress und Senat passieren sollte. Diese Gesetzesvorhaben hatten eine klare Stoßrichtung: neoliberale Wirtschaftsreformen bei Einschränkung der Bürgerrechte und gleichzeitiger Forcierung der Kriegsdynamik. Eine neue Reform des Arbeitsrechts flexibilisierte den Arbeitstag und kürzte die Zuschläge für Sonntagsarbeit zusammen. Eine Steuerreform erhöhte die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und einfache Konsumgüter und die neue Rentenreform sieht die Verlängerung der Lebensarbeitszeit vor (vgl. Revista „La Caja de la Pandora”: 105-115).

Parallel hierzu wurde mit der Einführung eines Spitzelnetzes von einer Millionen Personen und der Legalisierung der Überwachung der Mobiltelefone eine sicherheitspolitische Offensive gestartet, die eine gravierende Einschränkung der Bürgerrechte darstellt. Indes nahm die Uribe-Regierung im November 2002 Friedensverhandlungen mit den AUC auf, die im Juli diesen Jahres zu einem vorläufigen Ergebnis führten. Die Todesschwadronen sollen sich bis Ende des Jahres 2005 auflösen.[7][7] Die ultrakonservative Administration stieß sogar mit der Installation einer Bauernarmee in der Stärke von 15.000 Soldaten eine Hintertür zur Legalisierung der Paramilitärs auf.

Die gesamte Politik wurde von einem populistischen Diskurs begleitet. Die Uribe-Regierung setzte auf eine neokorporatistische Propaganda, die sich in dem Schlagwort des Estado comunitario (kommunitaristischer Staat) und einer Vielzahl von Uribe besuchten Regionalforen widerspiegelte und eine Reform des Justizwesens nach sich zog. Das gegenwärtige zentrale Projekt der uribistas besteht in einem Referendum, das im Oktober diesen Jahres zur Abstimmung stehen wird. Es soll die Reformen vertiefen und sieht beispielsweise zweijährige Nullrunden im öffentlichen Sektor ohne Inflationsausgleich vor.

Die Reaktion der Bevölkerung war zunächst äußerst positiv. Neben dem arbeitswütigen Regierungsstil des neuen Regierungschefs begrüßten große Teile der Staatsbürger das harte militärische Vorgehen gegen die Guerilla und nahmen die Einschnitte in die Bürgerrechte und die neoliberalen Reformen als notwendiges, vorübergehendes Übel hin. Dessen ungeachtet entflammten einige, meist auf traditionelle Konfliktregionen begrenzte Arbeitskämpfe, denen mit Repression bzw. Verboten begegnet wurde. Allgemein kann also konstatiert werden, dass die ersten hundert Tage der Uribe-Regierung, von dem überwiegenden Teil der Bevölkerung als erfolgreich bewertet wurden. Das Gesicht des Hardliners blickte dem Leser in der konservativen Wochenzeitschrift Semana (Edición No. 1076) am Ende des Jahres mit der Überschrift „Der Mann des Jahres“ entgegen.

Die FARC-EP begannen abermals ihre Taktik umzustellen. Zum Einen traten nun Operationen in den Städten in den Vordergrund. Die Guerilla wandelte sich in ein urbanes Terrornetzwerk um. Es startete eine nicht mehr abreißende Kette von Anschlägen in den Metropolen, in denen die Aufständischen durch die Land-Stadt-Migration zunehmend an sozialer Basis gewonnen hatten. Zum Anderen verfolgten die Freischärler nun die Strategie einer systematischen Destabilisierung des politischen Systems in ihren Kernregionen. Drohungen und Entführungen von Kommunalpolitikern wurden Alltag. Der Strategiewechsel gewann bereits kurz nach dem Scheitern des Friedensprozesses an Gewicht und beschleunigte sich in der Uribeamtszeit, sodass die Konfliktlage immer aussichtsloser wurde. Neben der totalen Eskalation auf dem Land verschärfte sich nun auch der urbane Konflikt.

Auswege aus dem Krieg

Der französische Lateinamerikaspezialist Jean Michel Blanquer hat in einem Interview die Ansicht vertreten, dass die Uriberegierung „ein positives Element für das Entstehen einer echten Linken“ (La Revista de El Espectador: 11) sein könnte. Mutete diese Prognose zunächst arg optimistisch an, können mittlerweile erste Aufweichungsprozesse in der positiven Haltung der Bevölkerung zum uribismo ausgemacht werden. Zwar gelang es der Uriberegierung, einige wichtige Transportrouten in der Region abzusichern, aber die jüngste Terrorwelle unterminierte das Vertrauen in den Präsidenten. Wenn demnach in nächster Zeit keine spektakulären militärischen Erfolge errungen werden, besteht die Möglichkeit, dass der Diskurs der neuen Regierung ins Leere läuft. Das Referendumsprojekt wird dabei zentral für den weiteren Verlauf der Politik des Landes sein. Es existiert eine Gegenbewegung, die sich um die linksgerichtete Frente Social y Político (FSP) gruppiert und zur aktiven Enthaltung aufruft. Es besteht folglich die Möglichkeit, dass das Referendum scheitert. Außerdem wird der ehemalige Präsidentschaftskandidaten der FSP, Luis Eduardo Garzón, für die Bürgermeisterwahlen in der Metropole Bogotá kandidieren. (vgl. Semana: Edición 1091). Ihm werden gute Chancen für einen Sieg zugerechnet.[8][8]

Folglich sind alternative politische Kräfte vorhanden, die zur Formulierung eines gegenhegemonialen Projekts fähig sein könnten. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die kolumbianische Bourgeoisie auf diese Versuche reagieren wird und ob die FSP den Aufgaben eines sozialen Projekts in einem Entwicklungsland und eines erfolgreichen Friedensprozesses gewachsen sein wird. Dennoch bleibt ein Problem bestehen, das wohl nur durch den Eingriff von außen gelöst werden kann. Solange der Drogenhandel eine wichtige Stellung im kolumbianischen Außenhandel einnimmt und so die im illegalen Markt ausgetragenen gewaltsamen Auseinandersetzungen das Land weiter in Atem halten, wird es schwer sein, eine Abzweigung vom kolumbianischen Sonderweg zu finden. Hierzu stellte der Politikwissenschaftler Luis Alberto Restrepo (2001: 338) die entscheidende Frage: „Ist es nicht an der Zeit, die Drogen zu legalisieren?“

Literatur:

Álvarez, Jairo Estrada (Hrsg.) (2002): El Plan Colombia y la intensificación de la guerra. Aspectos globales y locales, Bogotá.

Banco Mundial (2003): Informe sobre el desarrollo mundial, Washington.

Boris, Dieter (2001): Zur Politischen Ökonomie Lateinamerikas. Der Kontinent in der Weltwirtschaft des 20. Jahrhunderts, Hamburg.

Gouëset, Vincent (1997): Die Entwicklung der kolumbianischen Städte, in: Altmann, Werner (Hrsg.): Kolumbien heute: Politik, Wirtschaft, Kultur, Frankfurt/M.

Gros, Christian (2000): De la nación mestiza a la nación plural: el nuevo discurso de las identidades en el contexto de la globalización”, in: Wills, María Emma (Hrsg.): Museo, Memoria y Nación, Bogotá.

Kaldor, Mary (2000): Neue und Alte Kriege, Frankfurt/M.

La Revista de El Espectador (2002): No. 116.

Palacios, Marco (2001): De populistas, mandarinas y violencias. Luchas por el poder, Bogotá.

Poulantzas, Nicos (1978): State, Power, Socialism, London.

Restrepo, Luis Alberto (2001): El Plan Colombia: una estrategia fatal para una ayuda necesaria, in: IEPRI: El Plan Colombia y la internacionalización del conflicto, Bogotá, S. 307-339.

Revista “La Caja de Pandora” (2003): ¡Referendo! ¿Legitimidad? ¿Soberanía?, Bogotá.

Semana (2002): Edición No. 1076.

Semana (2003): Edición No. 1091.

Thoumi, Franciso E. (2002) El imperio de las drogas. Narcotráfico, economía y sociedad en Los Andes, Bogotá.

Valencia, Luis Emiro (1998): El pensamiento económico en Jorge Eliécer Gaitán, Bogotá.

Weffort, Francisco (1998): El populismo en la política brasileña, in: Populismo y neopopulismo en América Latina. El problema de la cenicienta, Eudeba, S. 135 –151.

Zelik Raul/Azzellini, Dario (1999): Kolumbien – Große Geschäfte, staatlicher Terror und Aufstandsbewegung, Köln.

Zelik, Raul (2002): Drogen, Söldner und Konzerne, in: konkret 7/2002, S. 34-37.

[1][9] Die konservative Hegemonie in Kolumbien wurde lediglich durch den 1000tägigen Krieg (1899 – 1902) zwischen rivalisierenden liberalen und konservativen Caudillos unterbrochen und endet mit dem Massaker an den Bananenpflanzern in Urabá am 6.12.1928. Die darauffolgende Phase liberaler Hegemonie entstand im Schatten der Weltwirtschaftskrise und war mit einer kurzfristigen Einbindung der Arbeiterklasse in das politische System verbunden.

[2][10] Der Weltbankbericht 2003 ordnet Kolumbien mit einem Gini-Koeffizienten von 57.1 als Land mit der siebthöchsten sozialen Spaltung der Welt ein (vgl. Banco Mundial 2003).

[3][11] Gewiss könnte auch der 1967 entstandenen maoistischen EPL (Ejército Popular de Liberación) als vierter Guerilla eine hohe Bedeutung in der Politik zugeordnet werden. 1990-91 demobilisierte sich ein Großteil der Guerilla, um von nun an als paramilitärische Söldner die Bananenpflanzer in Urabá zu terrorisieren.

[4][12] Hierzu eine Anmerkung: Über den Geschäftsverbindungen zwischen Paramilitärs und Drogenhandel ist sicherlich kein Zweifel vorhanden. Bei der Bewertung der Verbindungen zwischen Guerilla und Drogengeschäft gestaltet sich die Interpretation allerdings etwas schwieriger. Laut einer Studie von Rensselaer W. Lee III (zit. nach Thoumi 2002, 134) bezogen die FARC-EP 1997 ca. 70% ihrer Gelder aus dem Drogengeschäft, überwiegend jedoch aus der Besteuerung des Drogenanbaus in ihren Gebieten und nicht aus dem direkten Handel mit Drogen. Die ELN deckte hingegen lediglich 8% ihres Finanzbedarfs durch Drogengelder ab. Auch wenn somit Verbindungen zwischen der FARC-EP und dem Drogenhandel keineswegs bestritten werden sollten, erscheint die Titulierung der Organisation als narcoguerrilla, die sämtliche ihrer Ideale verloren habe, dennoch als fragwürdig, gerade weil die Führungsspitze der FARC-EP erstaunliche personelle Kontinuitäten aufweist und die Organisation ihre marxistisch-leninistische Ausrichtung weiterhin beibehalten hat.

[5][13] Als Gipfelpunkt dieses Strategiewechsels kann der Angriff der FARC auf den Militärstützpunkt Las Delicias im Juli 1998 bezeichnet werden. Bei den Gefechten wurden 70 Soldaten der Armee getötet, eine ähnliche hohe Anzahl an Soldaten gefangengenommen und das Lager vollkommen zerstört.

[6][14] Im Rahmen des us-amerikanischen „Krieges gegen die Drogen“ wurden neben knapp 400 Militärberaten und US-Marines mehrere Dutzend Kampfhubschrauber ins Land gebracht.

[7][15] Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass schon jetzt Teile der AUC unter anderem Namen weiter operieren.

[8][16] Die Kandidatur von „Lucho“ Garcón ist mit einem größeren politischen Projekt verbunden. Mit dem Polo Democrático Indepediente (PDI) soll eine neue linke Partei entstehen, die an die Stelle des eher lockeren Bündnis der FSP treten könnte. Es bleibt jedoch abzuwarten, auf welche Resonanz das Vorhaben stoßen wird. Und ob sich nahmhafte linke Politiker wie Carlos Gaviria, Wilson Borja und Alexander López daran beteiligen werden.

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