Diskussion, Kritik, Zuschriften

Alles wird schlimmer? – Zur Situation linker Studierendenpolitik heute

Anmerkungen zu Nele Hirsch, Z 70

Dezember 2007

In der Diskussion der hochschulpolitischen Linken wird nicht selten von einer verstärkten Rechtsorientierung im Wahlverhalten der Studierenden bei Wahlen zum Studierendenparlament ausgegangen.

Annahme 1: Die hochschulpolitische Linke erlebt einen wahl-
politischen Niedergang

So charakterisiert auch Nele Hirsch in Heft 70 von Z die politische Situation an den Hochschulen: „…In den letzten Jahren musste die hochschulpolitische Linke dabei einige Rückschläge hinnehmen. So waren bei den Wahlen zu den studentischen Gremien vielfach Stimmverluste für linke Listen zugunsten von vermeintlich unpolitischen und serviceorientierten Fachschafts bzw. konservativen Listen zu beobachten. Selbst linke ASten mit langjähriger Tradition – etwa der AStA der TU Berlin – sind nicht davor sicher, vom RCDS oder Fachschaftslisten übernommen zu werden.“[1][1]

Bei aller Schwierigkeit, Wahlergebnisse zu Stupa-Wahlen zu verallgemeinern – häufig spielen personale, gruppen-traditionelle oder strukturelle Besonderheiten in den Selbstverwaltungsgremien eine große Rolle – kann die These von der Rechtsentwicklung, wonach die studentische Linke Rückschläge durch das Aufkommen unpolitischer, serviceorientierter oder konservativer Listen hinnehmen muss, durch uns nicht empirisch verifiziert werden. Das zeigt eine Aufstellung der StuPa-Wahlergebnisse von 41 größeren Hochschulen der BRD. …

1. Die These vom wahlpolitischen Niedergang der Linken ist empirisch nicht zu erhärten. Rein wahlpolitisch betrachtet erzielt das fortschrittliche Spektrum eine satte Mehrheit, Listen links von Jusos und Grünen erhalten im Falle eines Wahlantritts relativ konstant 15%, was gegenüber der Gesamtbevölkerung überproportional ist. Es ist keine offensichtliche Rechtsorientierung im Wahlverhalten der Studierenden gegenüber der Bevölkerung zu erkennen. Das fortschrittliche Spektrum erhält vielmehr etwa gleich hohe Zustimmung wie die Parteien SPD, Grüne und LINKE unter der Gesamtbevölkerung; dagegen ist eine deutlich schwächere Repräsentanz des konservativ-liberalen Spektrums (FDP, CDU/CSU) unter Studierenden gegenüber der Gesamtbevölkerung auffällig. Das Problem ist eher inhaltlich zu suchen: Einerseits neigen Jusos und Grüne zunehmend dazu, nicht auf fortschrittliche Bündniskonstellationen zu setzen, sondern auf Bündnisse mit den Rechten. Andererseits fehlen dem fortschrittlichen Spektrum ein gemeinsam geteilter inhaltlicher Zugang zu studentischer Interessenvertretungspolitik und gemeinsame politische Projekte. Es wäre also Aufgabe eines linken Studierendenverbandes, breitere Schichten der Studierenden auch bei Wahlen zu gewinnen und gleichzeitig Druck auf Jusos und Grüne auszuüben, sich in ein fortschrittliches politisches Projekt einbinden zu lassen.

2. Es ist unseres Erachtens grundfalsch, den Erfolg von Fachschaftslisten kategorisch der Rechten zuzuschlagen. Vielmehr besteht ein starker Zusammenhang zwischen Fachschaftslisten und dem linken Spektrum. Angesichts einer gewissen Heterogenität der Fachschaftsinitiativen ist ein verallgemeinerbarer Umgang mit diesem Phänomen schwer zu entwickeln. Die Aktivität im Fachschaftsbereich, auch die Frage nach Essenspreisen fürs Mensa-Essen und der neuen Studienordnung jedoch, war und bleibt ein Rückrat linker Hochschulpolitik. Die Stärke der Fachschaftsinitiativen darf nicht nur auf eine Entpolitisierung der Studierenden zurückgeführt werden, sondern auch auf die Schwäche der Linken in der Fachschaftsarbeit und eine abnehmende Identifizierung linker Hochschulgruppen mit studentischer Interessenvertretungsarbeit. Die Fachschaftslisten nehmen dieses offenbar nach wie vor bestehende Bedürfnis an Fachschaftsaktivität und Artikulation originärer studentischer Interessen auf.

3. Der Eindruck vom wahlpolitischen Niedergang der Linken rührt unseres Erachtens subjektiv aus der personellen Schwäche des fortschrittlichen Spektrums her. Auch hier kommt die Fachschaftsarbeit ins Spiel: Personalakquise für politische Hochschulgruppen kann systematisch nur über eine engagierte Fachschaftsarbeit hergestellt werden. Gleichzeitig ist eine Verankerung von politisch Aktiven in ihrem Studiengang, die Bekanntheit bei Mitsemestern und die Erlebbarkeit in Lehrveranstaltungen eine Voraussetzung für ihre erfolgreiche politische Aktivität. Der Rückzug der politischen Hochschulgruppen aus der Fachschaftsarbeit als „erster Ebene“ hat auch tendenziell zu einer Entfremdung ihrer Themen zur studierenden „Basis“ geführt.

Annahme 2: Der Konformismus der Kommilitonen ist das Hauptproblem für linke Politik

Die hochschulpolitische Linke begegnet ihren Kommilitonen mit einem ausgeprägten Pessimismus. Konformismus und Karriereorientierung schränkten die Ansprechbarkeit für linke Politik massiv ein. So schreibt Hirsch zur Schwäche der Linken an den Hochschulen:

„...Wer heute studiert, hat in den meisten Fällen gelernt, sich anzupassen. Das Studium stellt für viele eine Investition für eine erfolgreiche berufliche Karriere dar. Mit linken Forderungen nach politischen Freiräumen und kritischer Wissenschaft kann die Mehrheit der heutigen StudienanfängerInnen kaum noch etwas anfangen. ...“[2][2]

In Anbetracht der vorausgegangenen Darstellung verengt Hirsch hier einseitig „linke Forderungen“ auf solche nach „politischen Freiräumen und kritischer Wissenschaft“. Dabei ist dies jedoch nur ein – noch nicht einmal der entscheidende – Teil linker Hochschulpolitik. Forderungen an angemessene Qualifizierung, also gerade der Bereich, der traditionell der zentrale Bezugsrahmen der „GO-Verbände“ SHB und MSB war, wird von Hirsch – wir meinen: fälschlicherweise – als Anpassung und „Investition für eine berufliche Karriere“ denunziert. Überhaupt spielt in linken Kreisen an den Hochschulen die negative Konnotation von „Karriere“ eine wiederkehrende Rolle. Da es aber nun ja nicht so ist, dass zwar die Gegend richtig, nur die Karte falsch ist, meinen wir: Dass sich Studierende während ihres Studiums, immerhin ein Lebensabschnitt der Berufsausbildung, maßgeblich um ihre berufliche Entwicklung, ihre „Karriere“ kümmern, ist nicht per se kritikabel, sondern zunächst erst einmal ganz normal. Schließlich erwartet die große Mehrzahl der Studierenden von ihrem Studium eben auch, dass es ihnen letztendlich einen beruflichen (Hochschul)abschluss verschafft. Nur die wenigsten, und im übrigen nicht gerade diejenigen Studierenden, die der Linken klassenpolitisch nahe stehen (!), können sich erlauben, ein Studium aus dem Interesse an politischen Freiräumen und kritischer Wissenschaft zu betreiben. Wenn also Studierende sich verhalten, wie sie es aktuell tun, sollte man kritisch prüfen, ob die wahrgenommene Anpassung etwas mit den Forderungen zu tun hat. Wir meinen: Wer gegen Karriere agitiert, soll dann auch konsequent sein und auf den Bauernhof gehen. Ersetzt man einmal das negativ besetzte Wort „Karriere“ durch „Berufslaufbahn“, erschließt sich, dass auch „Karriere“planung Anknüpfungspunkt für linke Hochschulpolitik ist. Schließlich sollen und wollen die Studierenden ja nicht ewig von Elternunterhalt zzgl. Nebenjob leben. Vielleicht haben sie ja auch Spaß am Studieren, finden die ProfessorInnen spannend usw. ... Anzuerkennen ist: Studium ist für die allermeisten Studierenden keine szene-entsprechende soziale Stellung, sondern Teil ihrer Ausbildungszeit.

Die negative Konnotation von Berufsausbildung und Qualifizierung als „Karrierismus“ ist auch insofern ärgerlich, weil linke HochschulpolitikerInnen damit das auf Seiten der ideologischen ElitenbildnerInnen immer wieder gefertigte Vorurteil bestätigen, wonach HochschulabsolventInnen sich anschließend dumm und dämlich verdienen würden. Dabei darf doch gefragt werden: Wer von den Studierenden macht denn tatsächlich noch „Karriere“?

Dabei verkennen wir nicht, dass die Studierenden ihre „Karriereplanung“ durchaus auch mit reaktionären Issues verknüpfen. Aber statt auf die dahinter stehenden Bedürfnisse nach sozialer Einkommenssicherheit einzudreschen, sollte man in den Mittelpunkt stellen, dass eben heute die Mehrheit der Studierenden ihre Karriereträume, eine sozial abgesicherte Berufslaufbahn gerade nicht verwirklichen kann. Dann muss man aber auch hierfür praktische Vorschläge machen: Interdisziplinarität, Projektstudium statt Paukerei, Praxisnähe statt Elfenbeinturmbesteigungen, Verzahnung von Forschung und Lehre und nicht zuletzt das Nahebringen von einer Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung, also die Fragen nach der Rolle von AkademikerInnen in unserer Gesellschaft, wären auf die „Karriereplanungen“ der Studierenden adäquate Antworten.

In diesem Zusammenhang löst sich dann auch die Kritik an der „Serviceorientierung“ in Luft auf. Gerade dieser Service ist zum einen Teil von sozialer Interessenvertretung und bietet zum anderen Möglichkeiten, Studierende dafür zu interessieren, ihre Interessen offensiv zu formulieren und sich dafür auch praktisch einzusetzen – womit selbstverständlich nicht jedem Unsinn angeblich sinnvoller Dienstleistungen für Studierende in den ASten die Absolution erteilt werden soll. Aber dies ist eine konkrete, keine allgemeine Frage.

Annahme 3: Berufliche Qualifizierung ist
neoliberales Teufelszeug

Die hochschulpolitischen Konzeptionen der Uni-Linken richten sich meist gegen die zunehmende Ausrichtung der Hochschulen auf kurzfristige Marktgängigkeit. Tatsächlich orientiert sich ein Großteil der Umbaumaßnahmen an den Hochschulen an der „Humankapitaltheorie“ und tatsächlich erhalten insbesondere Großunternehmen zunehmenden Einfluss in Forschung und Lehre. Die Ausrichtung der Hochschulbildung auf kurzfristige Marktgängigkeit wird von Hirsch wie folgt konturiert:

„… Das neoliberale Konstrukt der „employability“ – also der Beschäftigungsfähigkeit – als Ziel eines Studiums fokussiert … auf die möglichst störungsfreie Eingliederung der Absolventinnen und Absolventen in den Arbeitsmarkt. Die ‚employability‘ hat somit nicht die Interessen der großen Mehrheit der Gesellschaft im Blick, sondern orientiert auf die Verwertbarkeit der Qualifikation der Absolventinnen und Absolventen nach kapitalistischer Logik….“[3][3]

Trotzdem ist ein differenzierter Blick auf die Frage der Berufsqualifizierung und auf das Verhältnis zwischen akademischer Bildung und Arbeitsmarkt erforderlich. Jede, auch eine sozialistische Hochschule, wird darauf orientieren, dass Studierende im Studium die Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, diese im späteren Beruf anzuwenden. Auch die Mehrzahl der sozialistischen Chirurgen in der sympathischeren Gesellschaft wird nicht aus bloßem Interesse an der Medizin, sondern vor allem auch deshalb studieren, um nach erfolgreichem Studienabschluss anderen Menschen der sympathischen Gesellschaft bei Knochenbrüchen zu helfen. So beschreibt der Studierendenverband DIE LINKE.SDS richtigerweise in seinem Programm zur Aufgabe der Hochschule im Sozialismus:

„…Im Sozialismus sind Hochschulen eine zivilgesellschaftliche Institution, in der diese gesellschaftliche Planung, Lenkung und Entwicklung realisiert wird und sich die Bildungssubjekte für diese Aufgabe qualifizieren. ...[4][4]“

Es geht unseres Erachtens also gerade darum, die kurzfristig und rein betriebswirtschaftlich orientierte „employability“ der Neoliberalen als Ziel eines Studiums mit einem Ansatz langfristig orientierter und volkswirtschaftlich gewinnbringender, umfassender Qualifizierung zu konfrontieren. Was sollte an einer guten Qualifikation auch auszusetzen sein? Die Rückkehr zum humboldtschen Bildungsideal scheint uns vor allen Dingen keine kapitalismuskritische Alternative zum neoliberalen Umbau zu sein. Statt die gesellschaftliche Rolle der Hochschulen im Kapitalismus, insbesondere im Hinblick auf den Arbeitsmarkt, zu thematisieren, verschleiert der Rekurs auf das humboldtsche Ideal kritischer Bildung das Ziel der realen Vergesellschaftung des verfügbaren Wissens. Zu Recht wendet sich DIE LINKE.SDS in ihrem Programm gegen Ideal zweckfrei-entkoppelter Wissenschaft.[5][5]

Annahme 4: Der Modularisierung des Studiums ist nur mit seiner Restituierung als Lebensabschnitt zu begegnen

Zwischenzeitlich sind in der BRD flächendeckend modularisierte Studiengänge eingeführt. Sie verkürzen die Studienzeit und privilegieren abfragbares Wissen vor kritischem Denken. An vielen Universitäten wurde die Einführung neuer Studienordnungen genutzt, um das Studium repressiver zu gestalten und Zugangsmöglichkeiten einzuschränken. Dies hat tief greifende Auswirkungen auf die (Zeit-) Potenziale für politisches Engagement.

Die Tendenz zur Verkürzung der Studienzeiten ist nach unserer Auffassung im Kern ein gesellschaftlicher Rückschritt. Dagegen kann man aber nicht romantisierend „die gute alte Zeit“ in Stellung bringen, in der ein Studium womöglich wirklich jahrelanger Lebensmittelpunkt und politisches Handlungsfeld war. Das postfordistische Regulationsregime hat ein Stadium erreicht, in dem die Brechungen und Flexibilisierungen in den Ausbildungsgängen nicht mehr durch ein einfaches „Zurück-zum-14-Semester-Diplom-Studiengang“ re-reguliert werden können. Erst recht gilt das für das Studium als politisches Handlungsfeld. Interessenvertretungspolitik begründet Politik nicht nur aus der Notwendigkeit der Politik selbst, sondern leitet sich aus ihrem Grund ab. Konkret heißt das: Ist der Übergang von Schule zum Beruf schneller, die Verweildauer an der Hochschule also kürzer, kann unseres Erachtens nicht überzeugend damit argumentiert werden, die Verweildauer müsse ausgedehnt werden, damit die Studierenden auch politisch die Hochschule als ihr Handlungsfeld entdecken können. Ein solcher Ansatz entfremdet, da für die große Mehrzahl der Studierenden keine Option, linke Politik von ihren AdressatInnen.

Vielmehr gilt es, praktische Vorschläge daraus zu entwickeln, wie man diese „Straffung“ des Studiums zum Anlass nehmen kann, entlang der Veränderungen der Lern- und Lehrbedingungen Interventionsräume für Interessenvertretungspolitik zu eröffnen – beispielsweise beim Zugang der Bachelor-Studenten zu den Master-Studiengängen, bei übermäßiger Lernbelastung durch „angepauktes“ Wissen. Die Herausforderung besteht darin, so etwas wie studentische Solidarität zu organisieren. Denn gerade die Individualisierung des Studiums hat ja zu einer Entsolidarisierung geführt. Es geht also um: gemeinsame Seminare/Forschungsprojekte, gegen „Scheinerschlagen“, Zurückdrängung repressiver Studiermethoden, aber eben auch für Internationalisierung von Studienabschlüssen, für breites und qualitativ hochwertiges aktives Studium statt institutionalisiertem Mangel. Auch gesamtgesellschaftlich kann – und muss – man mit einer höheren Studierquote argumentieren.

Annahme 5: Linke Interessenvertretungspolitik dient der Entlarvung der schlechten gesellschaftlichen Verhältnisse

Weite Teile der hochschulpolitischen Linken sehen die Aufgabe von Interessenvertretungspolitik vor allen Dingen darin, die gesellschaftlichen Verhältnisse als schlecht und ungerecht zu entlarven. Das Nutzen von Gestaltungsspielräumen wird zurückgewiesen und im Hinblick auf die Entlarvung für kontraproduktiv erachtet. So schreibt Hirsch:

„…Anstatt ‚konstruktiv‘ mitzugestalten und die herrschende Hochschulpolitik damit zusätzlich zu legitimieren, muss sich ein linker Verband hochschulpolitisch einmischen, um die dahinter liegenden unsozialen Vorstellungen von Studium und Hochschule aufzeigen und unter Studierenden Widerstand dagegen mobilisieren zu können. Nur auf diese Weise kann die Interessenvertretung an den Hochschulen Ausgangspunkt für die Politisierung und Mobilisierung der Studierenden werden. ...“[6][6]

Die Kritik am konstruktiven Mitgestalten ist so alt wie linke Interessenvertretungspolitik selbst. Typischerweise teilen sich die linken Denkschablonen hierbei wie folgt auf: Die einen, die „mitgestalten“ wollen, um „das Schlimmste zu verhindern“ und dann mit zerknirschter Miene, ob des so entstandenen, der Sache nach nachteiligen Kompromisses zum Status quo jedoch auf die angeblichen „weltfremden Fundamentalisten“ schimpfen und ihnen vorwerfen, sie hätten die konkrete Situation der Betroffenen nicht im Blick. Die anderen, die „weltfremden Fundamentalisten“, die – den Vorwurf der „Realos“ aufnehmend – diesen wiederum schnöden Verrat an den hehren Grundsätzen und Prinzipien der guten linken Sache vorwerfen, indem durch den konstruktiv mitgestalteten Kompromiss die bekämpfenswerte Sache „zusätzlich legitimiert“ werde.

Wir halten beide Position für moralistisch und einer Debatte um linke Interessenvertretungspolitik nicht angemessen. Weder „rechte“ noch „linke“ Schubladen erkennen, dass es auf die politischen Inhalte des Mitgestaltens, aber auch das Erkennen und Analysieren von Prozessbedingungen, ggf. notwendigen Zwischenerfolgen und notwendigen Rückzügen, kurz: auf die materialisierten Kräfteverhältnisse, ankommt.

Die GO-Politik der linken Studierendenverbände war an dieser Stelle schon weiter. Die aktive Mitarbeit in den Gremien der Universität oder auch überregionale Studierendenvertretungsaktivität galt ihnen nicht per se als „konstruktiv“ oder „destruktiv“, sondern Maßstab sind ihre politischen Inhalte und Ergebnisse. Nützen oder schaden sie den eigenen Kräften im konkreten Fall? Es geht also keineswegs nur darum, dass linke Hochschulpolitik „die dahinter liegenden unsozialen Vorstellungen von Studium und Hochschule aufzeigen und Widerstand dagegen mobilisieren“ soll. Eine derartige instrumentell gehandhabte „Entlarvungsstrategie“ muss notwendig scheitern, weil eher früher als später die AdressatInnen, nämlich die Studierenden, ein solches Herangehen zu Recht nicht anerkennen, da es einer ernsthaften und glaubwürdigen Interessenvertretung zuwiderläuft. Die Studierenden erwarten berechtigterweise von einem linken Studierendenverband, dass er ihre Anliegen nicht nur propagandistisch für seine eigene Agitation nutzt oder hieran eine Widerstandsbewegung aufzieht, sondern auch tatsächlich, also um der Sache willen, aufgreift. Hierbei gilt es natürlich nicht stehen zu bleiben, sondern anhand „der Sache“ die Zusammenhänge zu weitergehenden Positionen herzustellen und Studierende von einer grundsätzlichen Veränderungsnotwendigkeit zu überzeugen. Voraussetzung ist aber gerade in dieser Überzeugungsarbeit auch, dass das zunächst von den Studierenden vertretene Interesse als ernsthaft umzusetzendes Interesse anerkannt wird. Anderenfalls wird quasi unter Umgehung des aktuellen Bewusstseinsstandes Weitergehendes ebenfalls nicht überzeugungsfähig.

[1][7] Hirsch, Nele, Perspektiven linker Hochschulpolitik, in: Z Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Heft 70, Juni 2007, S. 36ff., hier S. 40. Dieser Beitrag steht auch online zur Verfügung unter http://www.linke-sds.org/spip.php?article108.

[2][8] Hirsch, Nele, a.a.O, S. 39f.

[3][9] Hirsch, Nele, a.a.O., S. 37f.

[4][10] http://www.linke-sds.org/spip.php?article81&artsuite=0#sommaire_4

[5][11] aaO.

[6][12] Hirsch, Nele, a.a.O., S. 41

Links:

  1. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftn1
  2. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftn2
  3. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftn3
  4. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftn5
  5. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftn6
  6. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftnref1
  7. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftnref2
  8. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftnref3
  9. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftnref4
  10. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftnref5
  11. https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de#_ftnref6