Geschichte des Sozialismus

Erinnerung an Uwe-Jens Heuer

(11.07.1927 – 22.10.2011)

von Hermann Klenner
Dezember 2012

Heuer wurde am 11. Juli 1927 als Sohn eines promovierten Juristen und sozialdemokratischen Kommunalpolitikers in Essen geboren. Im kriegszerstörten Berlin immatrikulierte er sich 1946 an der Juristenfakultät der Humboldtuniversität, an der er zehn Jahre später mit einer bis heute unüberholten Dissertation über die geistigen Gegensätze bei der Ausarbeitung des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794 zum Dr. jur. promovierte und sich 1963 mit einer wirtschafsrechtlichen Arbeit auch habilitierte, die zugleich seinen Übergang in dieses Fachgebiet der Jurisprudenz einleitete, das er mit mehreren radikal konzipierten Monographien über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Rechts innerhalb einer sozialismusgemäßen Wirtschaftsordnung bereicherte. In ständigen Auseinandersetzungen mit machthabenden Meinungsmonopolisten ging es ihm dabei vor allem um die Unverzichtbarkeit von subjektiven Rechten der Einzelnen wie der Betriebe im Rahmen einen das Eigentum an den Produktionsmitteln vergesellschaftenden Systems. Seine einschlägigen wirtschaftsrechtlichen Erkenntnisse sind ebenso wie die von ihm initiierte und edierte Gesamtanalyse Die Rechtsordnung der DDR. Anspruch und Wirklichkeit (Baden-Baden 1995) für die den vergangenen Sozialismusversuchen gewidmeten wissenschaftlichen Untersuchungen der Gegenwart von bleibender Bedeutung. Schließlich hatte seine differenzierende Urteilskraft nie davor zurückgescheut, Widersprüche sowohl innerhalb einer für Sozialismus gehaltenen Rechtspraxis als auch innerhalb der für sozialistisch gehaltenen Rechtstheorien aufzudecken und auf deren Ursachen sowie Folgen zu hinterfragen.

Heuers 1989 noch im Staatsverlag der DDR publizierte, ein Jahr danach im Nomos-Verlag, Baden-Baden, veröffentlichte Fünfhundertseiten-Monographie Marxismus und Demokratie ist das mit Abstand Beste, was zu diesem Thema bisher im deutschen Sprachraum erarbeitet worden ist, und sein Vorwort zur zweiten Auflage „Vom theoretischen Nutzen einer Niederlage“ gehört zum Klügsten, was zu den Ursachen der Sozialismusimplosion geschrieben wurde. Die von ihm publizierten Monographien Der Rechtsstaat – eine Legende? (Baden-Baden 1992), Marxismus und Politik (Hamburg 2004), Marxismus und Glauben (Hamburg 2006), Glanz, Elend und Wiederkehr des Staatsdenkers Carl Schmitt (Berlin 2011), auch seine Autobiographie Im Streit. Ein Jurist in zwei deutschen Staaten (Baden-Baden 2002) bezeugen die unerschütterliche Geisteshaltung eines Forschers von seltener Brisanz ebenso wie dessen Überzeugung, dass man als Wissenschaftler auch nach Enttäuschungen ohnegleichen nicht berechtigt ist, seine Hand vom Pfluge zu lassen.

Heuer war Mitglied des letzten, der sogenannt ersten frei gewählten DDR-Volkskammer von 1990 und danach bis 1998 Mitglied des deutschen Bundestages und dessen Rechtsausschusses; der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundesrat und Bundestag legte er einen eigenen Verfassungsentwurf vor. Dass er als Initiator und langjähriger Sprecher des 1995 sich bildenden Marxistischen Forums der Rechtsordnung des Kapitalismus radikalkritisch gegenüberstand, verwundert nicht. So seine Meinung: „Der Marxismus ist nichts Endgültiges, sondern die von Marx ausgelöste und sich auf ihn beziehende Bewegung, in der es Fortschritt, aber auch Stagnation und Rückschritt gibt. Diese theoretische Bewegung ist notwendig mit der Arbeiterbewegung, mit dem Kampf um soziale Gerechtigkeit, um Sozialismus verbunden. Der Marxismus ist kein fertiges System, sondern ein theoretischer, niemals abgeschlossener Prozess.“

Die Trauerreden am Grabe, Nachrufe, Bibliographie und Auszüge aus Arbeiten von und über ihn finden sich in der von Ekkehardt Liberam und Jochen Traut herausgegebenen Gedenkschrift, Bergkamen 2012, 78 Seiten.

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