Umweltpolitik: Kann die Industriegesellschaft noch rechtzeitig umgebaut werden?

von Wolfgang Pomrehn
Dezember 2014

Als Ende der 1960er Jahre in Westdeutschland und anderswo die Jugend anfing zu rebellieren und kommunistische Organisationen aller Art wie Pilze nach einem warmen Regen aus dem Boden schossen, da stand Umweltschutz nicht gerade oben an auf den Listen ihrer Forderungen. Es dauerte ein paar Jahre, bis das wachsende Unbehagen über die industrielle Entwicklung in Teilen der Öffentlichkeit auch die Linke erreichte.

Dabei war manches Umweltproblem damals viel augenfälliger als es heute oft der Fall ist. In den meisten Flüssen und Seen musste das bis dahin weit verbreitete Baden verboten werden, die Binnenfischerei litt unter der grassierenden Wasserverschmutzung durch ungeklärte Industrie- und Haushaltsabwässer, Müllverbrennungsanlagen pusteten ihre Gifte nahezu ungefiltert in die Luft und ließen Flusssäure sowie Dioxine vom Himmel regnen und Entschwefelungsanlagen für Kohlekraftwerke waren noch ein Fremdwort.

Zu dieser wachsenden Grundsorge in Teilen der Bevölkerung kam noch eine Frage hinzu, nämlich die nach der Tragfähigkeit der bisherigen industriellen Entwicklung. 1972 machte eine im Auftrag des Club of Rome durchgeführte Studie von sich reden. Der lange Nachkriegsboom ging langsam zu Ende, und nun schwante es vielen, dass es nicht ewig so weiter gehen konnte. „Die Grenzen des Wachstums“[1][1] zeigten auf, dass exponentielles Wachstum in einer begrenzten Welt schon relativ rasch zur Erschöpfung führen muss. Zwei der seinerzeit durchgerechneten Szenarien sahen einen Zusammenbruch der Weltwirtschaft für etwa Mitte dieses Jahrhunderts voraus. Verdeutlichen lässt sich das vielleicht am Beispiel der chinesischen Kohle: Chinas bekannte Reserven – weltweit die zweitgrößten – reichen, setzt man den konstanten Verbrauch von 2010 voraus, bis zur Mitte des Jahrhunderts. Steigt der Verbrauch aber weiter wie zuletzt um zehn bis 15 Prozent jährlich, dann wäre schon Anfang bis Mitte der 2030er Jahre Schluss.

Die Anti-Atom-Bewegung

Heute ist das Bewusstsein über die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen weit verbreitet und in der Linken wenig umstritten. Doch seinerzeit taten sich traditionelle Linke und insbesondere die Gewerkschaften zunächst schwer mit dieser neuen Form der Industriekritik. Besonders letztere waren noch Ende der 1970er Jahre auf dem ersten Höhepunkt der Anti-AKW-Bewegung stramm auf Atomkurs, und einige linke Organisationen sollten sich noch eine ganze Zeit im – für den Rest der Bewegung unterhaltsamen – Spagat zwischen Beteiligung an der westdeutschen Anti-AKW-Bewegung und Rechtfertigung von Atomkraftwerken – je nach Ausrichtung – in der DDR oder in China üben.

Doch als sich die Auseinandersetzung um den Bau von Atomkraftwerken rasch zuspitzten; als im Februar 1975 ganz im Südwesten der Republik bei dem Dörfchen Wyhl Bürger mit der Besetzung einer AKW-Baustelle begannen, die neun Monate andauern sollte, konnten sich die Linken nicht einfach heraushalten. Die Anti-AKW-Bewegung wuchs rasch zu einer in zahllosen lokalen Initiativen und verschiedenen bundesweiten Netzwerken organisierten Massenbewegung heran und konnte letztlich eine ganze Reihe von Erfolgen erzielen: 24 ursprünglich geplante AKW wurden nicht gebaut oder gingen zumindest nicht ans Netz, wie der Schnelle Brüter in Kalkar. Eine Wiederaufbereitungsanlage – wesentliches Element eines vollständigen Atomprogramms und wichtig für den Bau von Atombomben – wurde erst im niedersächsischen Gorleben und dann im bayerischen Wackersdorf verhindert. Und schließlich: Ohne diese hartnäckige und tief in der Bevölkerung verankerte Anti-AKW-Bewegung hätte die schwarz-gelbe Bundesregierung im Frühjahr 2011 nach der multiplen Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima nicht ihren nur wenige Monate zuvor gefassten Beschluss zur Laufzeitverlängerung der AKW bis in die 2030er und 40er Jahre zurückgenommen.

Andere Umwelt-Großkonflikte

Die Atomkraftnutzung war jedoch nicht der einzige Umwelt-Großkonflikt, der in dieser Zeit virulent wurde. Andere waren: Das so genannte Waldsterben, die von den FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffen) angegriffene, UVb-Strahlung abhaltende Ozonschicht in der Stratosphäre, der sommerliche Ozonsmog am Boden und vor allem der Klimawandel. Dass derlei Dinge durchaus auch im Kapitalismus in den Griff zu bekommen sind, hat sich an den FCKWs und der Ozonschicht gezeigt. Nach erheblichen Protesten in den Industriestaaten und einigen Jahren zäher Verhandlungen wurde 1987 das Montreal Protokoll unterzeichnet, das für das schrittweise Auslaufen der FCKW-Produktion sorgte. Die Stoffe sind zwar langlebig, aber inzwischen zeichnet sich der Erfolg dieser Politik ab. Hier spielten Umweltorganisationen wie Greenpeace eine wichtige Rolle. Seit einigen Jahren wird das sommerliche Ozonloch über der Antarktis nicht mehr größer. Die Voraussetzungen waren allerdings vergleichbar einfach: Es ging lediglich um die Interessen einer überschaubaren Zahl von Chemiekonzernen, Ersatzstoffe waren bekannt und Alternativ-Technik im Prinzip bereits entwickelt.

Zentrales Problem: Klimawandel

Ganz anders die Verhältnisse im Klimakonflikt: Hier geht es ans Eingemachte, an die Interessen der Automobil-, Energie- und Chemieindustrie, der zentralen Kräfte des Kapitals also, aber auch an den Kern der industriellen Lebensweise. Erst durch die Erschließung neuer Energieressourcen jenseits von einfachen Wind- und Wassermühlen sowie tierischer Kraft, war die Entwicklung der Produktivitätskräfte auf das heutige Niveau möglich. Das Problem dabei: Diese Ressourcen sind meist fossiler Art, das heißt, es handelt sich um Kohle, Erdgas oder Erdölprodukte, und bei deren Verbrennung entsteht Kohlendioxid (CO2). Nur rund die Hälfte dieses Spurengases wird derzeit von den Ozeanen und der Biosphäre aufgenommen, während die andere Hälfte für viele Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleibt, sich dort anreichert und als Treibhausgas wirkt.

Im Prinzip wissen Wissenschaftler schon seit dem 19. Jahrhundert, dass diese Gase in der Atmosphäre die Wärmeabstrahlung der Erdoberfläche absorbieren und damit die untersten Luftschichten erwärmen. Ohne sie lägen die Temperaturen der Atmosphäre im globalen Mittel nicht bei rund 14,6 Grad Celsius wie jetzt, sondern eher bei -15 Grad Celsius, und die Erde wäre ein Eisplanet, auf dem sich nie Leben hätte entwickeln können. Vor allem Wasserdampf und das besagte CO2 verhindern das. Letzteres ist auch ein natürlicher Bestandteil der Atmosphäre - aber, und das ist der springende Punkt, industrielle Aktivitäten des Menschen sowie im geringeren Umfang auch die Entwaldung führen zu einem Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. 270 Millionstel Volumenanteile (ppm) hatte sie zu Beginn der Industrialisierung betragen, 2014 waren es hingegen im Jahresmittel voraussichtlich schon rund 400 ppm. Etwa 80 ppm sind allein seit Ende der 1950er Jahre hinzugekommen.

Erste Diskussionen über den Einfluss der industriellen Abgase auf das globale Klima gab es in den 1920 und 1930er Jahren, die aber wieder erloschen. Auf der Nordhalbkugel folgte nach einer Erwärmung in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine Abkühlung, die bis zum Ende der 1960er Jahre anhalten sollte. Noch war der Einfluss des CO2 gering und wurde von der natürlichen Variabilität des Klimas überlagert.

Unter anderem mangelte es zu jener Zeit auch noch sehr an Daten, um überhaupt den Zustand des Klimasystems beurteilen zu können. Zum Beispiel werden etwas über 90 Prozent der von den zusätzlichen Treibhausgasen eingefangenen Energie in den Ozeanen gespeichert, und über diese hat die Wissenschaft erst seit den 1990er Jahren einen halbwegs passablen Überblick. CO2 wird erst seit den späten 1950er Jahren kontinuierlich gemessen, und zu dieser Zeit belebte sich auch allmählich die wissenschaftliche Diskussion über den Einfluss der von den Menschen in die Atmosphäre geblasenen Treibhausgase. Die ersten Computer machten in den 1960er Jahren die Berechnungen einfacher Klimamodelle möglich. Ende der 1970er Jahre wurden dann die ersten internationalen Workshops zum Thema im Rahmen der Weltmeteorologieorganisiation abgehalten, und Vorbereitungen für eine erste Weltklimakonferenz getroffen.

1979 legte dann die US-amerikanische Akademie der Wissenschaften einen ersten Bericht vor, der zu dem Schluss kommt, dass bei einer Verdoppelung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre die globale Mitteltemperatur um 1,5 bis 4,5 Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau steigen wird. Noch im gleichen Jahr starteten die ersten internationalen Klimaforschungsprogramme, und ein Jahr später widmete der vom seinerzeitigen US-Präsidenten Jimmy Carter in Auftrag gegebene und auch in der westdeutschen Umweltbewegung viel gelesene Bericht „Global 2000“[2][2], dem Thema ein Kapitel. Etwas später, in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurde der Klimawandel auch in der westdeutschen Öffentlichkeit zu einem wichtigen Thema, und hiesige Klimawissenschaftler nahmen sich des Themas immer mehr an. (Auch in der DDR gab es entsprechende Forschung. Inwiefern der Klimawandel Thema der öffentlichen Debatte war, entzieht sich meiner Kenntnis.)

Herausforderung für die Politik

Seinerzeit sprach man übrigens noch vom drohenden Klimawandel. Die meisten Meteorologen vermieden es noch, die sich seit Beginn der 1970er erneut deutlich in den Daten zeigende globale Erwärmung mit den zusätzlichen Treibhausgasen zu erklären. Nach damaligem Kenntnisstand hätte sie genauso gut Ausdruck natürlicher Fluktuationen sein können. Heute, 35 Jahre später ist klar, dass der Wandel längst begonnen hat: „Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem ist klar und die jüngsten Treibhausgasemissionen aus menschlichen Aktivitäten sind die höchsten in unsere Geschichte. Jüngste Klimaveränderungen hatten verbreitete Auswirkungen auf menschliche und natürliche Systeme“[3][3], heißt es in der am 1. November 2014 veröffentlichten Zusammenfassung des neuesten Berichts des sogenannten Weltklimarats.

Dieser Weltklimarat oder genauer: der Zwischenstaatliche Ausschuss für Fragen des Klimawandels IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) war 1988 gegründet worden, und hat seitdem in fünf großen Sachstandberichten jeweils den Stand der internationalen Forschung zu den Ursachen, Mechanismen, möglichen Auswirkungen und Verhinderungsmöglichkeiten des Klimawandels zusammen gefasst. 1988 wurde auch die erste Enquetekommission des damals noch westdeutschen Bundestags zum Thema ins Leben gerufen. Sie und ihre Nachfolgerinnen produzierten bis 1995 mehrere tausend Seiten Berichte zum Thema „Schutz der Erdatmosphäre“. Darin hieß es schon 1992: „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen keinen anderen Schluss mehr zu: Anthropogene Emissionen verursachen die zunehmende Erwärmung der Erdatmosphäre. Wissenschaftler warnen bereits seit zwei Jahrzehnten eindringlich vor den katastrophalen Folgen der Temperaturerhöhung. Inzwischen ist diese Sorge wissenschaftlich bestätigt.“[4][4]

Die Schlussfolgerung, die die hiesige politische Führung daraus zog war ambivalent. Zum einen wurde das Problem unumwunden eingestanden – etwas, womit viele Politiker in den USA, aber auch in Tschechien oder Polen noch heute erhebliche Schwierigkeiten haben – und große Versprechen gemacht. Zum anderen waren die effektiv ergriffenen Maßnahmen marginal. Hinter großen Worten, einer im Vergleich zu früheren Jahrzehnten großzügigen Unterstützung für die Klimaforschung und hektischer Scheinaktivität auf der internationalen Bühne – Bundeskanzler Helmut Kohl spielte sich zum Beispiel zum großen Beschützer des brasilianischen Regenwaldes auf – wurde die eigene Tatenlosigkeit verborgen. Dabei kam den Bundesregierungen in den 1990er Jahren zugute, dass die Treibhausbilanz Deutschlands durch die Annexion und Deindustrialisierung der DDR erheblich aufgehübscht wurde. Durch sie sanken die deutschen Treibhausgasemissionen um rund zehn Prozent, ohne dass auch nur eine einzige Klimaschutzmaßnahme ergriffen wurde.

Immerhin gab es aber 1991 – zehn Jahre nach einem ähnlichen Gesetz in Dänemark – das erste Einspeisegesetz, das es Windkraftanlagenbesitzern ermöglichte, ihren Strom ins Netz zu schicken. Und die Bundesregierung hatte einen gewissen Anteil daran, dass 1992 auf dem großen Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung die UN Klimaschutzrahmenkonvention unterzeichnet werden konnte. Damit gibt es nun die formal die völkerrechtliche Verpflichtung, eine „gefährliche Eingriffe in das Klimasystem“[5][5] zu verhindern. Findige US-Diplomaten kamen allerdings schon bald darauf, dass die von der Konvention vorgesehene Forderungen an die Industriestaaten, ihre Emissionen auf das Niveau von 1990 zu begrenzen, als nicht verbindlich anzusehen sind. Tatsächlich haben die USA sich bis heute auf keine Begrenzung ihrer Treibhausgasemissionen eingelassen, die abgesehen von einigen Ölförderstaaten zu den weltweit höchsten pro Kopf der Bevölkerung gehören.

Für die Bundesrepublik kam der Offenbarungseid 1995. Bundesumweltminister Klaus Töpfer hatte die Vertragsstaaten der Klimakonvention zur ersten der seitdem jährlich stattfindenden Klimakonferenzen nach Berlin eingeladen. Eigentlich hätte er als Gastgeber den Entwurf für ein Protokoll vorlegen sollen, für einen Ausführungsvertrag zur Konvention also. Doch Töpfer war mit seinem Vorschlag im Bundeskabinett an seinen Kollegen aus dem Wirtschafts- und Verkehrsressort gescheitert. Die fanden am Klimaschutz keinen Gefallen, weil er die Interessen der deutschen Energie- und Automobilkonzerne erheblich tangierte. Deutschland hatte also zur Berliner Konferenz seine Hausaufgaben nicht gemacht, und Töpfer war zuvor zurückgetreten, um sich die Blamage zu ersparen. Stattdessen wurde Angela Merkel als neue Umweltministerin vorgeschickt, die sich auf der Konferenz lediglich darum kümmerte, dass das Sekretariat der Klimakonvention in Bonn angesiedelt wird. Außerdem versuchte sie, wenn auch vergebens, Atomkraft als klimafreundliche Technik in die Konferenzdokumente zu schmuggeln.

Das Klimaschutz-Protokoll kam dann erst zwei Jahre später im japanischen Kyoto zustande und trat erst 2005 in Kraft. Trotz seines weitgehend zahnlosen Inhalts wurde es von den USA nie ratifiziert – wohl aber entgegen oft gehörter Behauptungen von Staaten wie China und Indien. 2012 ist es ausgelaufen, und lange nicht alle Industriestaaten haben die in dem Protokoll enthaltenen, ohnehin nur mäßigen Verpflichtungen zur Reduktion ihrer Emissionen erfüllt. Deutschland steht formell etwas besser da, aber hier war man auch von einem hohen Niveau gestartet. Derzeit werden hierzulande pro Kopf und Jahr noch immer etwas über elf Tonnen CO2-Äquivalente in die Luft geblasen. Das meiste davon ist CO2, und die anderen Treibhausgase werden entsprechend ihrer Klimawirksamkeit in CO2 umgerechnet. Das ist zwar eine Minderung von rund 23 Prozent gegenüber 1990, aber immer noch Lichtjahre von den 1,5 Tonnen pro Kopf und Jahr entfernt, die bis 2050 erreicht sein müssen.

Auseinandersetzung um die Energiewende

Aber dennoch ist die Ausgangslage für effektiven Klimaschutz eigentlich nicht so schlecht. Erneuerbare Energieträger liefern 2014 voraussichtlich bereits rund 30 Prozent des Nettostromverbrauchs, und das ist besonders wichtig. Der Energiesektor ist nämlich mit 40 Prozent der größte Posten in der deutschen Treibhausgasbilanz. Bis 2050 sind 100 Prozent Erneuerbare in der Elektrizitätswirtschaft möglich, hat mit eher konservativen Annahmen der für die Bundesregierung arbeitende Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) vorgerechnet[6][6]. SRU-Mitglied Olav Hohmeyer von der Uni Flensburg kommt mit etwas ehrgeizigeren Zielen sogar zu dem Schluss, dass der vollständige Umstieg schon bis 2030 möglich ist.[7][7][8]

Das Problem ist allerdings, dass den Energiekonzernen damit der größte Teil ihres Stromgeschäfts wegbricht. Insbesondere mit dem schädlichsten aller Brennstoffe, der Braunkohle, die RWE, Vattenfall und Mibrag von der öffentlichen Hand so gut wie geschenkt bekommen, würden diese noch gerne möglichst lange weiter Geschäfte machen. Auch die neuen Steinkohlekraftwerke sollen noch möglichst lange weiter laufen, und deshalb hat die große Koalition im Sommer 2014 mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes den Ausbau der erneuerbaren Energieträger erheblich verlangsamt: Biogas wurde nahezu völlig ausgebremst und bei der Fotovoltaik tröpfelt der Ausbau nur noch vor sich. Und das, obwohl sich Solarmodule in den letzten vier Jahren um rund 75 Prozent verbilligt haben. Strom aus neuen Solaranlagen wird zur Zeit je nach Anlagenart und -größe nur noch mit etwas über acht bis unter 13 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Gerade jetzt, wo er billig wird, wird der Solarausbau also ausgebremst. Auch der Ausbau der Windenergie an Land könnte schon bald in Bedrängnis kommen, weil die Bundesregierung versucht, Ausschreibe- und Quotenmodelle einzuführen, die den Neubau begrenzen und vor allem größere Akteure bevorzugen würde, also zum Beispiel Fondsgesellschaften gegenüber lokalen Genossenschaften.

Auf der internationalen Ebene hat der Druck der Energie-, Chemie- und Automobilkonzerne dazu geführt, dass sich die EU nur auf ein windelweiches Klimaschutzziel für 2030 geeinigt hat, mit dem sie nun in die die Verhandlungen für ein neues Klimaschutzabkommen geht. Die 40 Prozent Reduktion vom 1990er Niveau – von heute gesehen etwa minus 21 Prozentpunkte – sind viel zu wenig, um andere Staaten, vor allem die USA unter Druck zu setzen. Sie würden nämlich bedeuten, dass die EU bis 2030 nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft hätte, der bis 2050 zurückzulegen ist. Von der nächsten großen Klimaschutzkonferenz 2015 sollte man daher nicht zu viel erwarten. Klimaschutz muss in den einzelnen Ländern, vor allem in den großen Industriestaaten, durchgesetzt werden.

Die Fronten, an denen dies geschehen wird, sind vielfältig. Das Aufhalten neuer Tagebaue im Rheinland und in der Lausitz gehört ebenso dazu wie die Verhinderung neuer Kohlekraftwerke, die in den letzten Jahren tatsächlich an zahlreichen, wenn auch nicht allen Standorten gelungen ist. Übrigens auch in den USA, wo Klimaschützer sich im Augenblick vor allen auf die Keystone-XL-Pipeline eingeschossen haben, die große Mengen kanadischen Teersand-Öls in die USA pumpen soll. Hier wie dort spielt sicherlich auch die Kontrolle über die Stromversorgung eine wichtige Rolle. Kann diese entmonopolisiert und zurück in die Verantwortung der Kommunen geholt werden? Können die Stadtwerke demokratischer verwaltet werden? Kann die technisch eigentlich nahe liegende Regionalisierung der Versorgung mehr Wertschöpfung in der Fläche binden und der immer stärkeren Konzentration des Wohlstands entgegenwirken? Oder wird auch in der Energiewirtschaft eine EU-weit wirkender Marktfetischismus zum Wohle von Konzernen und großen Kapitalfonds durchgesetzt? Und vor allem: Wird der Umbau der Energiewirtschaft schnell genug geschehen, um den Klimawandel noch im erträglichen Rahmen zu halten und die Weltwirtschaft vor schweren Preisschocks zu bewahren, die bei einer Verknappung der Ressourcen zu erwarten sind?

[1][9] Meadows, Dennis, Donella H. Meadows und Erich Zahn: Die Grenzen des Wachstums.
Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, 1972.

[2][10] Barney, Gerald O. Et al.,1980: The Global 2000 Report to the President, Washington. Auf Deutsch noch im gleichen Jahr bei Zweitausendeins, Frankfurt a.M.

[3][11] Intergovernmental Panel on Climate Change: Fifth Assessment Synthesis Report: Climate Change 2014 Synthesis Report, Approved Summary for Policymakers. Genf 2014.

[4][12] Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des deutschen Bundestages (Hrsg.), Bonn 1992.

[5][13] United Nation Framework Convention on Climate Change, Article 2.

[6][14] Sachverständigenrat für Umweltfragen: Wege zu 100% erneuerbaren Stromversorgung, Berlin 2011.

[7][15] Hohmeyer, Olav, Sönke Bohm, Gesine Bökenkamp und Frauke Wiese: Atomausstieg 2015 und regionale Versorgungssicherheit – Kurzgutachten, Flensburg 2011.

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